Eine palästinensische Künstlerkarriere
Der palästinensische Schauspieler und Regisseur Muhammad Bakri ist international bekannt. Dieses Jahr erhielt er in Locarno für seine Rolle in Saverio Costanzos Film "Private" den Silbernen Leoparden als bester Darsteller. Ein Portrait von Amin Farzanefar
Basierend auf einer wahren Geschichte, spielt Bakri in Saverio Costanzos Film "Private" einen palästinensischen Familienvater, der zusehen muss, wie sein Haus von israelischen Truppen besetzt wird. Auf engstem Raum formiert sich passiver Widerstand. Gleichzeitig verändern sich die Feindbilder aller Familienmitglieder.
Bakri selbst ist palästinensischer Israeli. Der charismatische Mime, der in seinem langen Mantel wie ein Italo-Westernheld wirkt, wurde 1953 im Dorf al-Bana in Galiläa geboren und studierte an der Universität Tel Aviv Schauspiel und Theater. Der internationale Durchbruch gelang ihm Anfang der achtziger Jahre mit seiner Rolle in "Hanna K." von Costa Gavras.
1991 sorgte Bakri in "Cup Final" als palästinensischer Hauptmann für Aufsehen. Der Film spielt im Jahr 1982. Im Libanon nimmt ein PLO-Trupp den israelischen Soldaten Cohen gefangen. Cohen war auf dem Weg zur Fußball-WM in Spanien. Bald wird Ziad, der palästinensische Hauptmann, von widerstrebenden Gefühlen zerrissen, denn er teilt mit dem Feind die Leidenschaft für das italienische Fußball-Team.
Ein vielseitiger Schauspieler
Bakri wirkte sowohl in israelischen als auch in palästinensischen Produktionen mit. "Cup Final" von Eran Riklis ist, wie Ali Nassers "The Milky Way" (1997), eine israelische Produktion. In "The Milky Way" wird die problematische Situation der israelischen Araber in den Fünfzigern behandelt.
1994 spielte Bakri unter Michel Khleify, dem Begründer des neuen palästinensischen Kinos, in "The Jewel of the Seven Stars" mit. In Rashid Mashrawis "Haifa" (1997) verkörpert er den gleichnamigen Wirrkopf, der mit dem Ruf "Jaffa! Haifa! Akka!" (die Namen der 1948 verlorenen Städte) durch die Flüchtlingscamps irrt.
Haifa ist einerseits ein Symbol für das verwirrte, kollektive Gedächtnis Palästinas, andererseits ein hellsichtiger Narr, der die Konflikte der palästinensischen Zivilgesellschaft genau wahrnimmt.
Wenn man genau hinschaut, entdeckt man Bakri auch in etlichen Hollywoodfilmen: so zum Beispiel im Terroristendrama "Death before Dishemore" (1987, Terry Leonard) oder in dem Mumienfilm, "The Mummy lives"(1993, Gerry O`Hara), an der Seite des gealterten, aber untoten Tony Curtiz. "The Body" (2001) spielt im Heiligen Land und erzählt, wie die Entdeckung des Leichnams Jesu’ eine weltweite Krise auslöst.
Bakris Erfolg als Regisseur
Wer Bakri wegen solcher Rollen der Anspruchslosigkeit bezichtigt, den belehrt sein wohl populärster Film "Jenin Jenin" (2002) eines Besseren. Der Film entstand im Anschluss an die spektakuläre Isolierung, Räumung und großflächige Zerstörung des Flüchtlingslagers Jenin durch die israelische Armee.
Auch wenn die Gerüchte über ein vertuschtes Massaker inzwischen weitgehend entkräftet wurden, so steht das brutale Vorgehen der israelischen Truppen, die sich mit Panzern und Bulldozern ihren Weg durch Wohnhäuser brachen, nach wie vor in einem sehr ungünstigen Licht da.
Von dem tatsächlichen Hergang existieren zahllose, einander widersprechende Versionen.
Bakris meinungsfreudiger Dokumentarfilm versucht, gestützt auf Zeugenaussagen und Filmmaterial, die Ereignisse zu rekonstruieren. Er beschränkt sich konsequent auf die palästinensische Perspektive. Das Material montiert er bisweilen derart suggestiv, dass "Jenin, Jenin" in Israel als manipulativ und einseitig verboten wurde – und dadurch erst recht Kultstatus erlangte.
Problematische Identität
Den Film habe er jedoch nicht für die Palästinenser gemacht, sondern für die Israelis, denen als die Stärkeren in dem Konflikt die Verantwortung für eine Veränderung der Situation obliege. Er kämpfe allerdings nicht gegen die Israelis als Volk, wie er stets betont, sondern gegen die rechten israelischen Extremisten.
Bakri, der an einer israelischen Hochschule - auf Hebräisch - studierte und ebenso mit israelischen wie mit palästinensischen Schauspielerkollegen arbeitet, muss sich stets mit seiner problematischen Identität auseinander setzen: Als Araber in einem jüdischen Staat spürt er die Diskriminierung überall. "Du gehörst eben nicht dazu", sagte er einmal in einem Interview.
Bakris bunte Filmografie ist trotzdem gar nicht so untypisch für ein Palästinenserleben: Bei aller Turbulenz bleibt sein Lebensmittelpunkt doch klar definiert. Davon zeugt auch die Rolle, für die er in Locarno ausgezeichnet wurde.
Amin Farzanefar
© Qantara.de 2004