Archäologie als Politikum
In den letzten Jahren gab es verstärkt Konflikte über die Besitzansprüche an archäologischen Funden, betrifft dies auch deutsche Museen wie das Berliner Pergamonmuseum?
Claus-Peter Haase: Man muss das wirklich sehr relativieren. Das sind einzelne Fälle, die im Verhältnis zu der großen Masse an Objekten, die nun einmal zu einem universellen Museum gehören, eigentlich gar nicht besonders auffallend sind. Nehmen wir das Beispiel der Türkei: Seitens der Medien gibt es zwar eine große Aufmerksamkeit für die Objekte, die aus dem Bereich des ehemaligen osmanischen Reichs stammen. Aber man muss sagen, dass diese Debatte, insbesondere in der Türkei, eine eher private Initiative ist.
Die türkische Regierung hat sich bisher nur in ganz wenigen, einzelnen Fällen offiziell an die Staatlichen Museen Berlin gewandt. Das sind vielleicht drei oder vier Anfragen, und die betrafen nicht den Pergamonaltar und keines der spektakulären Objekte. Es gibt ohnehin keine direkten Rückgabeforderungen, sondern nur Anfragen. Wir werden aufgefordert, nachhaltig zu belegen, dass die entsprechenden Objekte legal in Berlin sind.
Wie steht es generell um Kontakte mit Ländern im islamisch geprägten Raum? Wie eng arbeiten beispielsweise türkische Museen mit dem Pergamonmuseum zusammen?
Haase: Es gibt Expertentreffen auf allen Ebenen. Auch die Direktoren, etwa der hiesigen Antikensammlung und des Historischen Museums in Istanbul, kennen sich sehr gut und es gibt gemeinsame Projekte. Beispielsweise wird verglichen, welche Stücke in welchen Sammlungen sind. Bei Grabungen Anfang des 20. Jahrhunderts gab es offiziell die Fundteilung, das heißt, dass die Grabungsinitiatoren, in diesem Fall die Berliner Seite oder die deutschen Universitäten, einen bestimmten Fundanteil bekamen und diesen Fundanteil offiziell hier in den Berliner Museen ablieferten. Die andere Hälfte blieb in Istanbul und kam dort ins Archäologische Museum.
So sind also Fundzusammenhänge von hohem Interesse und da arbeitet man ganz unkompliziert zusammen, wie ich höre. Wir vom Museum für Islamische Kunst kooperieren derzeit mit türkischen Stellen, um die Ausstellung "Die Preußen und die Türken" vorzubereiten, die wir im nächsten Jahr planen. Das Topkapi Serail und das Dolmabahçe Serail in Istanbul sind hierbei unsere direkten Partner. Diese Zusammenarbeit verläuft sehr angenehm.
Wie sieht der derzeitige Kontakt mit iranischen oder irakischen Museen aus? Hat die politische Situation Einfluss auf die Kooperation?
Haase: In beiden Fällen, Iran und Irak, gibt es keine Probleme, die die Kulturarbeit in irgendeiner Weise behindern würden. Natürlich hat der Irak mit der gegenwärtigen Situation schwer zu kämpfen, und für die Babylon-Ausstellung [Juli–Oktober 2008 im Pergamonmuseum, Red.] war eine Ausleihe von Objekten aus dem Nationalmuseum in Bagdad aus technischen Gründen nicht möglich. Die Stücke des Bagdader Nationalmuseums sind immer noch in Magazinen und sehr intensiv gesichert. Es wäre mit vielen Gefährdungen verbunden, die Objekte aus diesen Sicherungen heraus zu holen.
Das Bagdader Museum ist auch bis auf ganz große Objekte noch nicht wieder eingerichtet. Ich habe es vor zwei Jahren besichtigt und dort diese großen Objekte gesehen, die nach den Kriegseinwirkungen bestens restauriert wurden. Das war sehr beeindruckend.
Und was den Iran betrifft, auch hier gibt es keine Konflikte. Die Museumslandschaft in Iran steht zwar meines Erachtens im Augenblick nicht unbedingt in ihrer Blüte. Aber es werden uns verschiedentlich Angebote von der iranischen Botschaft gemacht. Das sind allerdings häufig islamische Themen, die dann sehr speziell sind und das ist für unser Publikum nicht ganz so leicht zu verkraften. Aber wir stehen in Kontakt mit der Botschaft, und es gab auch mehrfach gemeinsame Veranstaltungen im Museum.
Wie sieht die Rechtslage aus, wenn heute archäologische Funde gemacht werden?
Haase: In der Regel kann man Fundstücke zu Forschungszwecken nur noch ausleihen, so dass die Gegenstände hier in Berlin analysiert werden können, aber dann müssen sie wieder in das Ursprungsland zurückkehren. Das ist seit einigen Jahren in den Antikengesetzgebungen geregelt.
Es ist ehrlich gesagt nicht immer zum Vorteil der Forschungsarbeit, wenn die Forschungsbedingungen in den Ländern selbst, nehmen wir das Beispiel Syrien, noch nicht so ideal sind. Dort gibt es noch keine Labors, in denen etwas untersucht werden kann, und es ist einerseits sehr mühsam, eben diese Ausleihe für Forschungszwecke zu arrangieren. Andererseits quellen natürlich die Magazine der nationalen Museen in diesen Ländern über.
Können Sie das näher erläutern?
Haase: Es ist schon ein Kriterium, wie das Magazin eines Museums aussieht. Daran erkennt man, wie ernst das Sammeln und das Erforschen der Objekte genommen wird. Wenn das Magazin übervoll ist, dann wird nicht genügend darin organisiert und unternommen. Es ist ja egal, in welchem Besitz die Objekte sind. Die Hauptsache ist, dass sie der Forschung zugänglich sind und, dass ausgewählt wird, was vielleicht ästhetisch oder kulturgeschichtlich von so hohem Reiz ist, dass man es unbedingt zeigen muss.
Sie haben das Beispiel Syrien genannt. Bestehen die archäologischen Teams, die heute dort tätig sind, ausschließlich aus Syrern oder beteiligen sich dort nach wie vor Deutsche?
Haase: Syrien ist ein El Dorado der Archäologie. Es gibt, glaube ich, um die hundert ausländischen Missionen in Syrien, zusätzlich zu den eigenen. Es wird also wirklich sehr viel in Syrien geforscht. Und die Bewältigung der Forschung ist für die syrischen Kollegen selbst sehr mühsam. Das schaffen die eigentlich nicht, da bieten wir immer wieder Hilfe an, aber es ist nicht immer so ganz einfach, diese Angebote als ernst gemeinte Hilfe und nicht als Propaganda oder Überheblichkeit zu vermitteln.
Sie sprachen eben von Sammlungen, die in Magazinen lagern. Sind Forscher aus islamischen Ländern an den Magazinen des Museums für Islamische Kunst in Berlin interessiert?
Haase: Ja, durchaus. Wir hatten zum Beispiel kürzlich Pakistanis hier, die über iranische und zentralasiatische Objekte arbeiten. Aus dem Irak waren mehrere Kollegen da, die freundlicherweise vom Deutschen Archäologischen Institut eingeladen wurden. Wir können selbst nicht einladen. Wir haben keinen Etat für Gastwissenschaftler. Leider, das muss man dringend anregen.
Aber wann immer wir hören, dass interessierte Kollegen im Lande sind, bemühen wir uns um den Kontakt, und das klappt normalerweise auch. Aus der Türkei sind sehr viele Kollegen schon traditionell mit uns verbunden. Die kennen das Islamische Museum bestens, und in anderen Ländern wird es allmählich bekannt.
Dazu hat auch ein Projekt beigetragen, in dem wir mit vielen Wissenschaftlern aus der islamischen Welt zusammen gearbeitet haben. Das Internetportal "Discover Islamic Art" eröffnet die Möglichkeit, virtuell durch Länder der islamischen Welt zu reisen. Bis zu 3.000 Objekte und Gebäude sind dort zu sehen, beschrieben und historisch eingeordnet. Zudem erfährt man, welche Objekte in verschiedenen Museen höchstwahrscheinlich aus einer bestimmten Region stammen und in welchen architektonischen Kontext sie gehören. Dieses Internetportal ist ein wunderbares Unterfangen, das wir gemeinsam mit Forschern aus den islamischen Ländern verwirklicht haben.
Interview von Ariana Mirza
© Qantara.de 2008
Prof. Dr. Claus-Peter Haase, geboren 1944, ist Islamwissenschaftler und lehrt als Professor an der Universität Kopenhagen. Seit 2001 ist er Direktor des Museums für Islamische Kunst in Berlin. Seit 2007 ist Haase zudem stellvertretender Vorsitzender des Vereins west-östlicher diwan.
Qantara.de
Discover Islamic Art
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www
Webseite des Museums für Islamische Kunst in Berlin
Das Online-Projekt "Discover Islamic Art"