"Islamic Art“ goes digital 

Das Online-Portal "Islamic Art" des Museums für Islamische Kunst in Berlin ist die erste digitale Plattform im deutschsprachigen Raum, die über islamisch geprägte Kulturen informiert – unterhaltsam und fundiert. Von Ceyda Nurtsch

Von Ceyda Nurtsch

Vor einem dunklen Nachthimmel mit glitzernden Sternen sitzt neben einem Apfelbaum die iranische Meisterin der klassischen persischen Musik, Elshan Ghasimi. Mit ihrer Langhalslaute und tiefer eingängiger Stimme trägt sie vor, was die Schale rechts oben neben ihr (siehe das Bild unten), auf der ein kleiner Vogel abgebildet ist, bei ihr auslöst. Die Tar-Virtuosin, die seit 2016 in Deutschland lebt, singt über die Orientierungslosigkeit des heimatlosen Vogels.  

Wer Kunst und Kultur aus dem islamisch geprägten Raum erleben möchte, muss fortan nicht mehr zwingend nach Berlin zum Museum für Islamische Kunst reisen. Das Museum beherbergt vielfältige Werke islamischer Kunst vom 7. bis zum 19. Jahrhundert aus Spanien bis Indien und ist auch Gastgeber zahlreicher Musikveranstaltungen.



Mit "Islamic Art“ hat das Museum, das sich im oberen Teil des Pergamonmuseums befindet, die erste Onlineplattform im deutschsprachigen Raum geschaffen, die auf Deutsch, Englisch und Arabisch Material über die islamisch geprägten Kulturen fundiert und unterhaltsam aufbereitet hat. 

Von Samarra bis DJ Ipek 

"Islamic Art“ schlägt einen großen Bogen durch Raum und Zeit. Von der Ausgrabungsstätte Samarra im Irak über die Teppichsammlung des Berliner Bode-Museums bis zur Alhambra-Kuppel aus der Hochzeit der islamischen Kultur in Andalusien. Von der Restaurierung einer knapp tausend Jahre alten Lüstervase aus dem iranischen Kaschan über das Aleppo-Zimmer aus dem 17. Jahrhundert bis zur türkischstämmigen Berliner Künstlerin DJ Ipek.

Online-Portal "Islamic Art", 360° Touren: Musik im Museum mit Elshan Ghasimi, © Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst
Szene aus dem Modul '360° Touren': Musik im Museum mit Elshan Ghasimi. Mit ihrer Langhalslaute und tiefer eingängiger Stimme trägt die Musikerin vor, was die Schale rechts oben, auf der ein kleiner Vogel abgebildet ist, bei ihr auslöst. Die Tar-Virtuosin, die seit 2016 in Deutschland lebt, singt über die Orientierungslosigkeit des heimatlosen Vogels. Mit "Islamic Art“ hat das Museum die erste Online-Plattform im deutschsprachigen Raum geschaffen, die auf Deutsch, Englisch und Arabisch Material über die islamisch geprägten Kulturen fundiert und unterhaltsam aufbereitet. 



Damit macht die Plattform, visuell unterhaltsam aufbereitet und wissenschaftlich fundiert, die Vielfalt des islamisch geprägten Kulturraums sichtbar. Anhand von Objekten, Geschichten und Musik zeigt sie, dass Kunst- und Kulturgeschichte nur im Kontext von Vielfalt, Veränderung, Migration und im Austausch denkbar und erzählbar sind. 

Die Plattform, die seit November 2022 online ist und stetig wächst, arbeitet mit vier Modulen. Im Bereich "Stories“ erhalten die Besucher einen multimedialen Zugang zu den Objekten und ihrer Geschichte, von der Entdeckung bis zur wissenschaftlichen Bearbeitung. So spannt die Story "Aus der Fremde in den Mainstream“ mit Hörbeispielen, Fotos und Videos eine Brücke von der 1992 geborenen Berliner Sängerin Elif zu den ersten sogenannten Gastarbeitern, die 1961 nach dem Anwerbeabkommen mit der Türkei nach Deutschland kamen und ihre Gefühle von Heimweh und Rassismus in der Musik verarbeiteten.  

Mit den "360° Touren“ können Themen multimedial erschlossen werden. Hier tritt in der fiktiven Raumlandschaft "Mschatta Lounge“ die Musikerin Elshan Ghasimi neben der Berliner Indie-Band Bukahara, der syrischen Sängerin Dima Orsho sowie der libanesischen Band Maschrou Leila auf. 

In der Mediathek erzählen Videos, Bilder, Audio-Dateien und E-Publikationen die Geschichten hinter den Sammlungen und Projekten des Museums und geben einen sehr persönlichen Einblick in die Arbeit der Museumsmitarbeiter.  

Das Bildungsmodeul "Digitales Lernen“ bietet viele Materialien und Unterrichtsreihen wie etwa die Reihe "Wem gehört die Musik“ mit Anregungen zum Thema Transkulturalität und Grenzziehung. Gefördert wird das Portal durch die Stiftung Alwaleed Philantropies Global

"Migration ist die Mutter aller Kulturen“ 

Das Ziel der Plattform, erklärt Professor Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst, sei es, on site im Museum und off site in Schulen und Jugendfreizeitzentren sowie online in den digitalen Medien möglichst vielen Menschen mit unterschiedlichem Bildungshintergrund die Möglichkeit zu geben, islamisch geprägte Kulturen wertschätzend und divers zu entdecken.

"Das Wissen um islamische Kulturgeschichte ist erschreckend gering und wenn vorhanden, bei Nichtmuslimen oft unsachlich verzerrt oder bei Muslimen manchmal ahistorisch geschönt“, so Weber. Dabei sei dieses Wissen um die islamische Kultur für unsere vielschichtige Gesellschaft und die Aushandlung von Zusammengehörigkeit und Zugehörigkeit sehr wichtig.

Stefan Weber, Credits: Fotograf Issam al-Hajjar.
Migration ist die Mutter der Kultur: Das Ziel der digitalen Plattform "Islamic Art", erklärt Professor Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst in Berlin, sei es, on site im Museum und off site in Schulen und Jugendfreizeitzentren sowie online in den digitalen Medien möglichst vielen Menschen mit unterschiedlichem Bildungshintergrund die Möglichkeit zu geben, islamisch geprägte Kulturen wertschätzend und divers zu entdecken. "Das Wissen um islamische Kulturgeschichte ist erschrecken gering und wenn vorhanden, bei Nichtmuslimen oft unsachlich verzerrt oder bei Muslimen manchmal ahistorisch geschönt“, so Weber. Dabei sei dieses Wissen um die islamische Kultur für unsere vielschichtige Gesellschaft und die Aushandlung von Zusammengehörigkeit und Zugehörigkeit sehr wichtig. 



Dem Museum gehe es um Geschichten, ihre Botschaften für uns heute und um ein reiches Kulturerbe. Denn zahlreiche kulturelle Entwicklungen in islamisch geprägten Gesellschaften der vormodernen Zeit, einer der wichtigsten Schnittstellen globaler Kulturgeschichte zwischen dem Nahen Osten, Afrika, Europa, Zentralasien, Indien und dem Fernen Osten und vor allem China, würden unser Leben bis heute beeinflussen, erklärt Weber. 

Ein Anliegen der Plattform sei es auch, dem steigenden Hass gegenüber Migranten sowie Musliminnen und Muslimen entgegenzuwirken, erklärt er. "Wer weiß, dass sein eigenes kulturelles Ich nicht ohne 'Andere‘ möglich ist, wird stärker gegenüber extremistischen Positionen“, so Weber.



Migration ist die Mutter der Kulturen, kulturelle Vielfalt ihr Nährboden, kulturelle Aneignung ihr Motor. Wer weiß, dass der Ursprung der Gitarre im Nahen Osten liegt, Papier, Schach, das Dezimalsystem und vieles andere über die Kulturautobahn der islamischen Welt nach Europa kam und vieles mehr, trägt schon ein Teil Offenheit in sich.“ 

Fundiert und unterhaltsam ins Klassenzimmer 

Miriam Kurz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Museum und verantwortlich für das Bildungsmodul "Digitales Lernen“. Die Plattform bietet Lehrkräften und Pädagogen, die im außerschulischen Bereich tätig sind, fachliche Einordnung, kurze Videovorträge, Handouts und Zusammenstellungen von Quellen zu unterschiedlichen Themen.



Außerdem stellt sie Schulbuchverlagen fachliche Expertise bereit. Grundlegend dabei, erklärt Kurz, seien Fragen wie "Wie wird das große Themenfeld Islam in Schulbüchern in Deutschland behandelt? Welchen Effekt hat das darauf, wie Menschen denken und darauf, wie Islam- und Integrationsdebatten in Deutschland geführt werden? Welche Stereotype werden dadurch weitergetragen?“ 

Mit dem durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) geförderten Lehrmaterial will die Plattform dem fachlich ungenauen Wissen, das vielerorts verbreitet wird, entgegenwirken. Dabei bedient sie unterschiedliche Fächer und Altersgruppen und orientiert sich an den Rahmenplänen für den schulischen Unterricht.  

Doch es werden nicht nur religionsbezogene Themen, wie etwa das Modul zu Moscheen und Moschee-Architektur, behandelt. "Das Modul 'Calligraffiti' etwa zeigt: Schriftkunst ist ein sehr großes Feld in der islamisch geprägten Kunst und lässt sich mit modernen Ausdrucksformen wie Graffiti verbinden". Die Plattform decke eine ganze Bandbreite an Themen wie Gender, Migration, Ausgrenzung, Umwelt und Menschenrechte ab, die heute nach wie vor aktuell sind und mit denen sich jeder identifizieren kann, erklärt Kurz. 

"Es war uns wichtig, diese Vielfalt aufzuzeigen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen: Islamische Kunst – und Kulturgeschichte kann ich mit ganz vielem assoziieren. Das ist nicht alles Kopftuch oder Religionsausübung oder Streit um koedukativen Schwimmunterricht.“ 

So öffnet das Onlineportal "Islamic Art“ mit seinen einander ergänzenden Teilen seine Türen für eine große Bandbreite an Besuchern und lädt sie ein, von ihren Interessen und ihrer Neugier geleitet, in die Welt des Kulturaustauschs einzutauchen. 

Ceyda Nurtsch

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