Vom Nimrud-Schatz gibt es nur Fotos

Iraks Nationalmuseum wurde vor einigen Wochen wiedereröffnet - zu früh, wie Kritiker meinen. Denn die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen gefährden weiterhin das Erbe Mesopotamiens und Babyloniens. Informationen von Birgit Svensson aus Bagdad

Iraks Nationalmuseum wurde vor einigen Wochen in Bagdad wiedereröffnet - zu früh, wie Kritiker meinen. Denn die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen gefährden weiterhin das Erbe Mesopotamiens und Babyloniens. Informationen von Birgit Svensson aus Bagdad

Museumsdirektorin Amira Edan und Premierminister Nuri al-Maliki bei der Wiedereröffnung in Bagdad; Foto: AP
Symbol für den Normalisierungsprozess des Iraks: die Wiedereröffnung des irakischen Nationalmuseums in Bagdad mit Premierminister Nouri al-Maliki (links) im Februar 2009.

​​Erst als die schwarzen Autokolonnen von Premierminister Nuri al-Maliki in den Innenhof der Museumsgebäude hineinfuhren, gab es kein Zurück mehr. Bis dahin war nicht klar, ob das irakische Nationalmuseum tatsächlich wiedereröffnet wird. Der monatelange Streit zwischen Tourismusministerium und Kulturministerium schien beendet. Zumindest für einen Tag.

Die Musik spielte auf und Frauen in traditionellen Kostümen vermittelten einen Hauch von Normalität. Im Innenhof wurden Getränke und Plätzchen gereicht. Die Show war ganz im Sinne des Premiers, der mit dieser Zeremonie zeigen wollte, dass Bagdad wieder einen Schritt vorangekommen sei.

Über sechs Jahre lang blieben die Pforten des 1966 von einem deutschen Architekten gebauten Museums geschlossen. Die Invasion der Amerikaner und Briten warf ihre Schatten voraus. Schon Monate vor der Einnahme Bagdads am 9. April 2003, wurden die Ausstellungen geschlossen und – was man zunächst nicht wusste – die wichtigsten Schätze unter der Zentralbank eingelagert.

Das Erbe Mesopotamiens und Babyloniens in Gefahr

Als Plünderer dann das Gebäude stürmten und vor allem die Verwaltungsräume verwüsteten, war zeitweise von 75.000 gestohlenen Kunstgegenständen die Rede.

Die britische Zeitung "Guardian" sprach gar von 270.000 Einzelstücken, die abhanden gekommen seien. Andere Zeitungen begnügten sich mit 170.000. Das Irak-Museum stand im Fokus internationaler Besorgnis. Archäologen und Historiker weltweit sprachen von einer nicht wieder gutzumachenden Katastrophe.

Das Erbe Mesopotamiens und Babyloniens schien für allezeit verloren. Ganz so schlimm kam es dann aber doch nicht. Als der geflutete Tunnel unter der Zentralbank wieder trockengelegt wurde, tauchte unter vielen anderen Kunstgegenständen auch der berühmte Nimrud-Schatz wieder auf.

Räume des geplünderten Nationalmuseums in Bagdad, April 2003; Foto: AP
Laut Museumsdirektorin Amira Edan wurden während der Unruhen nach der Einnahme Bagdads durch die amerikanischen Truppen im April 2003 ca. 15.000 Gegenstände aus dem Museum gestohlen.

​​US-Administrator Paul Bremer ließ daraufhin das Museum für einige Stunden öffnen, um den Schatz sich selbst, den Medien und einigen Auserwählten präsentieren zu lassen. Die Öffentlichkeit aber bekam keinen Zugang.

Mittlerweile hat Amira Edan genau feststellen können, wie viele Kunstgegenstände tatsächlich gestohlen worden sind. Die Direktorin des Irak-Museums hat einen Katalog erstellt, der der Unesco und anderen internationalen Institutionen zugänglich ist.

Demnach wurden 15.000 Gegenstände aus dem Museum gestohlen, 6.000 sind in der Zwischenzeit wieder zurückgegeben worden. Ein Raum in der oberen Etage des Museums zeigt die zurückgekehrten Münzen, Öllampen, Reliefs, Tontäfelchen, Schriftrollen und sogar riesengroße Wasserbehälter aus babylonischer Zeit.

Die Ausstellungsstücke wurden von Syrien, Saudi-Arabien, Jordanien Italien, den USA oder Peru zurückgeschickt. Es habe lange gedauert, bis die Grenzkontrolleure angewiesen wurden, auf illegale Einfuhren von irakischem Kulturerbe zu achten.

Trotzdem bekommt Frau Edan fast täglich noch Anrufe mit dem Angebot, Kunstgegenstände die im Besitz des Museums waren zurückzukaufen. "Die Kunstdiebstahl- und Antiquitätenmafia hat ein enges Netz gesponnen", klagt die resolute Frau gegenüber Qantara.de.

Beim Rundgang durch das Museum, dessen Räume die verschiedenen Epochen von 8.000 Jahren irakischer Geschichte aufzeigen, stellt man schnell fest, dass längst nicht alle Kunstgegenstände gezeigt werden.

Nur wenige Vitrinen sind vorhanden und bestückt. Viele Ausstellungsstücke sind Kopien und keine Originale. Thematische Gliederungen und detaillierte Erklärungen fehlen zuweilen.

Von dem berühmten Nimrud-Schatz sind nur Fotos aufgehängt. 1989 entdeckte der irakische Forscher Said Muzahim den Schatz in den Überresten der Hauptstadt des assyrischen Reiches. Der Fund war so spektakulär wie das Grab des Tutanchamun in Ägypten. Muzahim fand drei Gräber, vollgestopft mit Gold, das nicht in Unzen, sondern in Kilogramm gemessen werden kann.

Die etwa 1.400 Schmuckstücke werden als das schönste im Nahen Osten hergestellte Geschmeide beschrieben. Jetzt liegen die Stücke in einem Tresor der Staatsbank. Besichtigt werden können lediglich die übergroßen Statuen assyrischer Herrscher, die Krieg und Plünderungen unversehrt überstanden haben.

Weiterer Weg zur Normalität

Der Streit zwischen Kulturminister und Tourismusminister hat einen merkwürdigen Kompromiss hervorgebracht. Der eine drängte schon lange auf die Wiedereröffnung des prestigeträchtigen Museums, für den anderen stand die Sicherheitsfrage im Vordergrund.

Nationalmuseum in Bagdad; Foto: AP
Noch ein weiter Weg zur Normalität: das Nationalmuseum öffnet seine Tore bis auf weiteres nur für angemeldete Besuchergruppen.

​​Da weder Alarmanlagen noch sonstige spezifische Sicherheitsvorkehrungen die wertvollen Objekte vor Diebstahl schützen können, sollte lieber noch gewartet werden, verlautete aus dem Kulturministerium.

Überwachungskameras und Museumswächter reichten bei weitem nicht aus. Außerdem sei ein derartiges öffentliches Gebäude noch immer nicht vor Bombendrohungen sicher.

Auch Direktorin Amira Edan hätte lieber noch gewartet, bis sie mehr Kunstgegenstände zeigen kann, die entsprechende Technik gekauft und installiert ist und die Ausstellungsstücke gänzlich restauriert und präpariert sind. "Nicht einmal die Klimaanlagen funktionieren", zeigt die 46-jährige Irakerin auf die verstummten Kästen an der Wand. Doch sie hatte sich schließlich dem Willen des Premierministers zu beugen.

Nun ist das Museum zwar seit einigen Wochen wieder geöffnet, aber nur für angemeldete Besuchergruppen. Bis reguläre Öffnungszeiten den alltäglichen Besucherstrom bestimmen, wird es noch eine Weile dauern. Es ist eben doch noch ein weiter Weg zur Normalität in Bagdad.

Birgit Svensson

© Qantara.de 2009

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