Ein Comic-Attentat auf al-Qaida

Mohamed Sifaoui, algerischer Publizist und ausgewiesener Kenner radikal-islamischer Ideologien, will mit der Waffe des Humors dem Terror zu Leibe rücken, den die radikalen Islamisten verbreiten – dabei bedient er antiislamische Klischees. Von Joseph Croitoru

​​Der algerische Journalist Mohamed Sifaoui war 1999 vor dem islamistischen Terror nach Frankreich geflohen. Seitdem kämpft er als Publizist gegen jede Form des Islamismus an, häufig auf sachliche, zuweilen auch auf betont polemische und provokative Art.

Letztere prägt auch seinen zusammen mit dem Zeichner Philippe Bercovici veröffentlichten Comic "Bin Laden enthüllt", der, wie der Untertitel verkündet, keinen geringeren Anspruch erhebt, als "Ein Comic-Attentat auf al-Qaida" zu sein.

Mit der Waffe des Humors will der Muslim Sifaoui dem Terror zu Leibe rücken, den die radikalen Islamisten verbreiten, und den Leser über das zum Lachen bringen, was an ihnen am schrecklichsten sei: Hass, Barbarei, Dummheit und Fanatismus.

Eines indes fehlt noch bei dieser Aufzählung, nämlich ihre angebliche Sexbesessenheit. Und die avanciert hier zu einer der Haupteigenschaften Bin Ladens – aber nicht nur seiner.

Ein sexbesessener Bin Laden

Von den als besonders dumm karikierten Amerikanern im Jahr 2016 an der pakistanisch-afghanischen Grenze endlich gefasst, so die Rahmenhandlung, denkt der inzwischen weißhaarige Al-Qaida-Gründer im Gefängnis immer nur an das Eine.

Auch der Agent und die Agentin von der CIA, die den Terroristenführer verhören, landen miteinander im Bett. Und auch der ehemalige amerikanische Präsident Bill Clinton, der in der in langen Verhörsitzungen rekonstruierten Lebensgeschichte des prominenten Gefangenen ebenfalls ein Mitspieler ist, wird weitgehend auf seinen berühmten Seitensprung reduziert.

Diese sexistische, ja offen derbe Provokation soll wohl den satirischen Gegenpol zu Sifaouis Ambition bilden, eine faktennahe Version wichtiger biografischer Stationen des Al-Qaida-Chefs zu präsentieren.

Doch der Spagat zwischen Dokumentation und satirischer Fiktion mag nicht so recht gelingen, noch weniger der Witz.

Nicht witzige Klischees

Dieser verliert sich im ersten Viertel des Buches, wo der junge Bin Laden als verwöhnter Trottel (der er in Wirklichkeit keineswegs ist) mit viel Geld (das er tatsächlich hat) dargestellt ist, häufig in Zoten, die mit fortschreitender Erzählung allerdings seltener werden.

​​Das macht die Lektüre zwar um einiges erquicklicher, aber so richtig lachen musste der Rezensent nur einmal, was gemessen an dem großspurigen Humorversprechen im Vorwort des Autors eine ziemlich magere Bilanz ergibt: Da schimpft ein alter Dschihad-Prediger im Stillen über den Anschluss suchenden Osama, wie blöd er sei, und wünscht, "hoffentlich stirbt er den Märtyrertod".

Treten nun im Laufe der Erzählung die Fakten in den Vordergrund, so stößt der Leser doch allenthalben auf antiislamische Klischees, die anscheinend witzig wirken sollen. Dies wird vermutlich auch bei denjenigen Lesern der Fall sein, die sich in ihren gängigen westlichen Vorurteilen – sie werden hier bewusst bedient – bestätigt sehen wollen.

Räubergestalten aus Tausendundeiner Nacht

Mit Jenseitsbelohnungen für potenzielle Märtyrer wird zwar bekanntermaßen für die Teilnahme am Heiligen Krieg geworben. Diese sind jedoch weder eine Erfindung noch der zentrale Motivationskern der Terroristen, deren Beweggründe man nicht auf Verheißungen wie die von den Paradiesjungfrauen reduzieren sollte.

Mohamed Sifaoui; Foto: privat
"Mit der Waffe des Humors will der Muslim Sifaoui dem Terror zu Leibe rücken, aber so richtig lachen musste der Rezensent nur einmal", schreibt Joseph Croitoru.

​​Hier kommen sich der Provokateur und der aufklärerische Terrorismus-Bekämpfer Sifaoui, der doch mit der Realitätstreue seines Comicstrips wirbt, ins Gehege.

Konsequent ist hingegen die zeichnerische Gestaltung, wenngleich sie aus dem unerschöpflichen Reservoir des okzidentalen Orientalismus schöpft. So lassen die islamischen Terroristen mit ihren langen finsteren Gesichtern, riesigen Krummnasen, wulstigen Lippen und zotteligen Bärten an Räubergestalten aus Tausendundeiner Nacht denken.

Über die als Betonköpfe gezeichneten Amerikaner dürfte sich manch besonders US-kritischer Franzose noch zusätzlich amüsiert haben. Vielleicht liegt in der bildlichen Instrumentalisierung solcher autochtoner Feindbilder das Geheimnis des großen Verkaufserfolgs, den das Buch in Frankreich erzielt hat.

Dazu dürften auch seine innerfranzösischen Bezüge beigetragen haben, die allerdings für den hiesigen Leser nicht immer nachvollziehbar sein werden.

Joseph Croitoru

© Qantara.de 2010

Mohamed Sifaoui: Bin Laden enthüllt. Ein Comic-Attentat auf Al-Kaida. Illustriert von Philippe Bercovici. Eichborn Verlag 2010.

Redaktion: Lewis Gropp/Qantara.de

Qantara.de

Schulhof-Comic gegen Islamismus
Sprechblasen für Schläfer
Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz will Schüler vom Islamismus abhalten - mit einem platten Comic und anbiedernden Ratschlägen à la "Spiel nicht im Team der Mudschaheddin", meint Wolf Schmidt.

Islamischer Superhelden-Comic
Die arabischen Hulks
In dem Comic "Die 99" kämpfen islamische Superhelden für eine bessere Welt - und erzürnen die Konservativen. Sonja Zekri berichtet.

Porträt Mohammed Sifaoui
Kritik am radikalen Islam
Der algerische Publizist Mohammed Sifaoui gilt als Kenner radikal-islamischer Netzwerke und Ideologien. Nach der Ausstrahlung seiner Fernsehreportage "Undercover bei Al Qaida" geriet er jedoch selbst ins Fadenkreuz der Fundamentalisten und musste zeitweise untertauchen. Margit Hillmann hat den Journalisten in Paris getroffen.