Umdenken im Krieg gegen den Terror gefordert

In einer unter dem Titel "Building Moderate Muslim Networks" erschienenen Studie der RAND Corporation plädieren die Autoren dafür, die Erfahrungen aus dem Kalten Krieg für den Aufbau von Netzwerken moderater Muslime zu nutzen. Götz Nordbruch stellt die Studie vor.

George W. Bush; Foto: AP
Ausgangspunkt der RAND-Studie ist die Annahme, dass sich der Herausforderung des Islamismus nicht allein auf militärischem Wege begegnen lässt - das sollte auch George Bush zum Umdenken bringen

​​"Liegt es im Interesse der arabischen und islamischen Völker, al-Qaida und die militanten fundamentalistischen Strömungen zu bekämpfen? Und liegt es – zum gegenwärtigen Zeitpunkt – im Interesse Amerikas, diese Strömungen zu bekämpfen? Die Antwort lautet in beiden Fällen 'Ja'."

Und genau darin besteht das Problem: Arabische Kritiker islamistischer Bewegungen gelten in der arabischen Öffentlichkeit schnell als Kollaborateure der USA, des Westens oder ganz allgemein des Imperialismus.

Darauf macht Mashari al-Dhaydi, ein Kolumnist der Londoner Tageszeitung al-Sharq al-Awsat, in einem seiner jüngsten Beiträge aufmerksam. Schlimmer noch: Die gemeinsame Kritik am Islamismus begründet nicht nur den Vorwurf des Verrats, sondern diskreditiert die Forderungen nach politischen und sozialen Reformen selbst.

Anlass für al-Dhaydis Warnung vor einer drohenden "Hinrichtung des moderaten Denkens" ist die Veröffentlichung einer Studie der RAND Corporation, einem gerade auch in sicherheitspolitischen Fragen einflussreichen amerikanischen Think Tank.

Unter dem Titel "Building Moderate Muslim Networks" brachte RAND jüngst eine Analyse heraus, die nicht nur in der arabischen Öffentlichkeit auf heftige Reaktionen stieß.

Eine "Road Map" für die islamische Welt

Es geht den Autoren um nichts weniger als um die "Lehren aus den Erfahrungen des Kalten Krieges, um die Anwendbarkeit dieser Erfahrungen [im Kampf gegen den Kommunismus] auf die Bedingungen in der islamischen Welt heute und um die Entwicklung einer 'road map' für den Aufbau von moderaten und liberalen islamischen Netzwerken."

Ausgangspunkt der 180-seitigen Handlungsanleitung ist die Annahme, dass sich der Herausforderung des Islamismus nicht allein auf militärischem Wege begegnen lässt:

"Der gegenwärtig in weiten Teilen der islamischen Welt stattfindende Kampf ist im Wesentlichen ein Krieg der Ideen. Der Ausgang dieses Krieges wird die Richtung, in welche die islamische Welt zukünftig gehen wird, bestimmen und darüber entscheiden, ob die Gefahr des dschihadistischen Terrorismus anhalten wird und ob einige islamische Gesellschaften noch weiter in Muster der Intoleranz und der Gewalt zurückfallen werden. Der Ausgang des Krieges wird die Sicherheit des Westens maßgeblich beeinflussen."

Vor diesem Hintergrund fordern die RAND-Strategen ein deutliches Umdenken im globalen "Kampf gegen den Terror".

Ähnlich wie im Konflikt mit dem Kommunismus während des Kalten Krieges befinde sich das eigentliche Schlachtfeld dabei nicht in jenen Ländern, in denen der ideologische Gegner am stärksten verankert sei.

Lehren aus dem Kalten Krieg

Statt die islamistischen Bewegungen im Nahen Osten zu bekämpfen, um deren zunehmendem Einfluss auch in anderen Regionen entgegenzuwirken, sehen die Autoren gerade in einer "Umkehr des Ideenflusses" eine Möglichkeit, den Erfolg islamistischer Ideologien einzudämmen.

Nicht Ägypten, Jordanien und Palästina, sondern die Türkei, Südostasien und vor allem die muslimischen Communitys in Europa wären demnach der Ansatzpunkt für die Stärkung moderater muslimischer Strömungen als Gegengewicht zum gewaltbereiten Islamismus.

Aus Sicht der Autoren bieten die Erfahrungen mit der "politischen Kriegsführung" während des Kalten Krieges hierfür wichtige Lehren.

Die umfangreichen Aktivitäten der CIA, die sich in den 50er und 60er Jahren in der materiellen und ideellen Förderung von nicht-kommunistischen Gewerkschaften und Studentenorganisationen, aber auch von Zeitschriften wie dem bekannten deutschsprachigen Kulturmagazin "Der Monat" ausdrückte, dienen hier als Beispiele für erfolgreiche Interventionen.

Potenzielle Partner

Säkulare muslimische Intellektuelle, Organisationen von Frauen und religiösen Minderheiten, Journalisten und junge Geistliche zählen heuten zur Zielgruppe, auf die sich die diskreten Bemühungen um eine Bildung von muslimischen Netzwerken stützen sollten.

Nach Vorstellung der Autoren ist dabei eine Unterstützung all jener muslimischer Individuen und Organisationen denkbar, die sich für eine pluralistische Gesellschaftsform und für nicht-islamische Rechtsquellen offen zeigen.

Potenzielle Partner gäbe es insofern genug – ob diese bereit sind, die Unterstützung anzunehmen, ist allerdings auch aus Sicht der Mitarbeiter der RAND-Corporation fraglich. Als "kiss of death" könnte schließlich für Kritiker des Islamismus jede aktive Förderung wirken, die auf staatliche Einrichtungen in den USA zurückzuführen wäre.

In dieser Analyse sticht das Fehlen eines jeglichen Hinweises auf eine Facette des Kalten Krieges ins Auge, deren Bedeutung für die heutigen Konflikte kaum zu unterschätzen ist:

Leerstellen der Studie

Schließlich profitierten nicht nur antikommunistische Organisationen in Westeuropa vom amerikanischen Geldregen, sondern auch islamistische Gruppierungen in Afghanistan, die sich heute in Gestalt der verschiedenen dschihadistischen Strömungen gegen ihre ehemaligen Förderer stellen.

Nicht weniger markant ist eine weitere Leerstelle in den strategischen Überlegungen der Autoren: Die vielfältigen Erfahrungen mit europäischer und amerikanischer Machtpolitik im 20. Jahrhundert, welche die Wahrnehmungen äußerer Einmischungen in der islamischen Welt bis heute prägen, bleiben hier konsequent ausgeblendet.

Die Geschichte der kolonialpolitischen Ambitionen, die mit emanzipatorischem Pathos verbrämt wurden, steht dem Bemühen um von außen initiierte Veränderungen verständlicherweise entgegen.

Offene Karten

Die Unbefangenheit, mit der die Autoren der Studie eigene Interessen zum Anlass für Interventionen in islamischen Gesellschaften nehmen, ist in dieser Hinsicht fast schon wieder sympathisch.

Statt die Interventionen mit menschenrechtlichen und gesellschaftspolitischen Visionen zu verschleiern – wie dies allzu oft auch im Falle von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Initiativen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten der Fall ist –, liegen die Karten hier offen auf dem Tisch.

Für muslimische Kritiker des Islamismus wie al-Dhaydi sind diese Überlegungen, die die USA oder die EU zu ihrer Politik gegenüber der islamischen Welt motivieren, von vorneherein zweitrangig.

RAND und dessen Kritiker mögen schreiben was sie wollen, meint al-Dhaydi. Am Ende stehe die islamische Welt vor "einer eindeutigen Wahl, um die man nicht herumkommen wird: Mäßigung und Aufklärung oder Untergang und Zerstörung, dies ist die eindeutige Realität."

Götz Nordbruch

© Qantara.de 2007

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RAND Corporation (engl.)