Ist die Fortsetzung der Islamkonferenz sinnvoll?

An der Neuausrichtung, der Besetzung und den langfristigen Zielen der Deutschen Islamkonferenz scheiden sich die Geister. Ein Streitgespräch zwischen den beiden Islamkennern Loay Mudhoon und Peter Philipp.

الكاتبة ، الكاتب: Loay Mudhoon und Peter Philipp

Loay Mudhoon; Foto: DW
"Islamkonferenz ohne Alternative: Der Prozess des offenen Dialogs hat die gegenseitige Wahrnehmung und Zusammenarbeit bereits auf eine neue Grundlage gestellt", meint Loay Mudhoon.

​​ Die Umstände, unter denen Bundesinnenminister Thomas de Maizière den Startschuss für die zweite Runde der Deutschen Islamkonferenz am letzten Montag (17.5.2010) feierlich gegeben hat, waren denkbar schlecht. Durch die Ausladung des Islamrats und den Ausstieg des Zentralrats der Muslime (ZMD) aus diesem zentralen Dialogforum zwischen Muslimen und dem deutschen Staat hat die Islamkonferenz zweifelsohne großen Schaden genommen. Denn durch das Fehlen der zwei Verbände hat die Islamkonferenz eine ihrer Hauptziele vorerst verfehlt, nämlich mit allen Vertretern der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland über adäquate Mittel und Wege der "Einbürgerung des Islam" in das deutsche Gemeinwesen auf gleicher Augenhöhe zu diskutieren.

Die Islamkonferenz ist mehr als ein Debattierclub

Doch die Kritik des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayyub Axel Köhler, an der Neubesetzung und Neuausrichtung der Islamkonferenz, ist überzogen und im Kern nicht nachvollziehbar. ​​Die Deutsche Islamkonferenz ist auch in ihrer jetzigen Form wahrlich kein "unverbindlicher Debattierclub", sondern ein langer und schwieriger Prozess der Annäherung und Anerkennung zwischen Deutschland und seinen Muslimen – mit offenem Ende und sichtbaren Erfolgen.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere auf der Islamkonferenz; Foto: dpa
Bundesinnenminister Thomas de Maizière erklärte auf der Islamkonferenz, dass die Zugehörigkeit der Muslime als Bürger künftig gestärkt werden solle. Die Konferenz wolle dazu beitragen, dass aus Andersartigkeit kein Problem entstehe.

Denn dank der vom früheren Bundesinnenminister Schäuble initiierten ersten Runde der Islamkonferenz wurde erstmals ein Rahmen für einen institutionalisierten Dialog zwischen Vertretern des deutschen Staats und der islamischen Gemeinschaft geschaffen. Dieser Prozess des offenen Dialogs hat die gegenseitige Wahrnehmung und Zusammenarbeit bereits auf eine neue Grundlage gestellt.

Gefühlte Anerkennung der deutschen Muslime

Zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte bekennt sich ein deutscher Innenminister dazu, dass der Islam ein Teil von Deutschland ist. Zwar fehlen noch die Voraussetzungen für die formale Anerkennung der Muslime als Körperschaft des öffentlichen Rechts - die gefühlte Anerkennung der Muslime in der Öffentlichkeit hat aber spürbar zugenommen, was sich nicht zuletzt an den zunehmend kritischen Reaktionen auf die islamfeindlichen Tendenzen in einigen Massenmedien zeigte.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder auf der Islamkonferenz im Gespräch mit einer Muslima; Foto: dpa
Greifbare Ergebnisse: Die Neuauflage der Islamkonferenz hat bereits ein Konzept für islamischen Religionsunterricht beschlossen, das künftig weiterentwickelt werden soll.

Es liegt letztendlich an den deutschen Muslimen selbst, sich auf einen breiten Konsens über eine repräsentative Vertretung zu einigen, um die politisch angestrebte Integration des Islam erfolgreich zu institutionalisieren, statt sich auf Scheindebatten wie den Schwimmunterricht von Schülerinnen zu konzentrieren. Schließlich ist der Verfassungsstaat auf verbindliche Absprachen mit Vertretern relevanter gesellschaftlicher Gruppen angewiesen. ​​

Die erste Islamkonferenz war - bei allen Schwierigkeiten und teilweise berechtigter Kritik an Ihrer Zusammensetzung - ein bleibender, und sogar historischer Erfolg Wolfgang Schäubles, auch weil er die Einbettung des Islam in das deutsche Gemeinwesen wirklich als Herzensangelegenheit betrieben hat. Umso wichtiger ist es, in der zweiten Phase der Konferenz sich jetzt stärker praktischen Fragen und Problemlösungskonzepten zuzuwenden.

Diesem Umstand haben die Organisatoren der Islamkonferenz teilweise schon Rechnung getragen, indem Sie dafür sorgten, dass auf staatlicher Seite Länder und Kommunen im Vergleich zur ersten Phase stärker vertreten sind. Die wesentlichen Integrationsleistungen werden letztendlich in den Ländern, Städten und Gemeinden geleistet und dafür benötigt man Ansprechpartner wie Träger sozialer und religiöser Einrichtungen, vor allem Moscheegemeinden.

Aus diesem Grund wäre es ratsam, mehr muslimische Mündigkeit zu wagen und möglichst alle Verbände im Rahmen einer neuen Konsensformel wieder einzubinden. Auch deshalb bleibt die Islamkonferenz ohne wirkliche Alternative.

Loay Mudhoon

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Peter Philipp; Foto: DW

Grundsätzlich ist die Idee einer Deutschen Islamkonferenz zu begrüßen, denn generell gilt doch: Probleme müssen im offenen Dialog erörtert und gelöst werden. Kritik deswegen nicht am Ansatz der Konferenz, aber doch an ihren offenen oder auch verdeckten Zielen:

Unter denkbar schlechtem Stern

Als die Konferenz im Jahr 2006 zum ersten Mal zusammentrat, da sprach man zwar von einem langfristigen Projekt, vier Jahre später aber scheint dies für manche der Gewissheit gewichen zu sein, dass hier im Kreis diskutiert wird. Die zweite Runde der Konferenz steht deswegen unter denkbar schlechtem Stern: Ein Teil der Teilnehmer wurde vom gastgebenden Innenminister de Maiziere ausgetauscht, ein anderer ausgeschlossen und ein dritter – der Zentralrat der Muslime - hat sich nun selbst zurückgezogen.

Der Zentralrat bemängelt vor allem, dass die Konferenz keine Fortschritte gemacht habe in Richtung auf eine Anerkennung der Muslime als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft neben Christen und Juden. Ein nicht ganz fairer Vorwurf, denn die Muslime treten in Deutschland ebenso wenig vereint und organisiert auf wie anderswo. Was von der Politik zwar gelegentlich bedauert wird, ihr aber auch als Vorwand dient, die Muslime in gewisser Weise zu bevormunden.

Nur in gegenseitigem Einverständnis

Islamkonferenz; Foto: AP
An der vierstündigen Konferenz nahmen sechs islamische Verbände, muslimische Einzelpersonen sowie Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen teil. Der Islamrat sowie der Zentralrat der Muslime nahmen an dem Treffen jedoch nicht teil.

​​So spricht man ihnen nur allzu oft jede Integrationsbereitschaft ab und tut so, als könne Integration auf dem Verordnungsweg erreicht werden. Etwa: Die Akzeptanz der deutschen oder europäischen Werte müsse Voraussetzung für eine Einbindung der Muslime sein. So als sei dies nicht bei der großen Mehrheit der Muslime in Deutschland längst der Fall. Oder: Man schließt eine Organisation wie den "Islamrat" von der Konferenz aus, weil gegen einige ihrer Funktionäre polizeiliche Untersuchungen eingeleitet seien. Keine Unschuldsvermutung und auch keine Unterscheidung zwischen den Verdächtigten und ihrer Organisation.

Und schließlich: Schon in der ersten und jetzt wieder in der in der zweiten Runde sind einzelne Teilnehmer eingeladen, die zwar Muslime sind, aber niemanden vertreten außer sich selbst. Ziel der immer wieder beschworenen Integration von Muslimen in Deutschland muss sein, dass diese ihren festen Platz in der deutschen Gesellschaft bekommen und auch einnehmen. Das aber geht nur in gegenseitigem Einverständnis und die Politik begeht einen massiven Denkfehler, wenn sie meint, sie könne sich mit ihr genehmen Gesprächspartnern einen "deutschen Islam" basteln.

Peter Philipp

© Qantara.de 2010

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de