Feiern zum 100-jährigen Bestehen des Kalifats
Erlöser aller Christen, Hindus, Buddhisten und Muslime: Der 1835 in Nordindien geborene Mirza Ghulam Ahmad verstand sich als dieser "Auserwählte Gottes".
Er erklärte sich nach religiösen Erweckungserlebnissen als die Erfüllung von Verheißungen verschiedener Religionen. In ihm seien Jesus, Buddha, Krischna und der von den Schiiten erwartete Imam Mahdi wiedergekehrt.
Rege Missionstätigkeit
1889 gründet Ahmad die "Ahmadiyya Muslim Jamaat", die muslimische Gemeinde der Ahmadiyyas. Seinen Anhängern verheißt er, "innerhalb von 300 Jahren nach ihrer Entstehung wird die Gemeinde nahezu die ganze Welt umfassen, so dass die Erde in die Bruderschaft des Islams eintritt." Weltweit begann eine rege Missionstätigkeit, auch in Deutschland.
In Berlin-Pankow-Heinersdorf wird am Dienstag (27.5.2008) Mirza Nasroor Ahmad erwartet, der inzwischen fünfte Kalif der Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ). Anlass ist die Feier zum 100-jährigen Bestehen des Kalifats. "Ein Kalif ist immer ein Nachfolger, der sich auf einen Propheten beruft", sagt Abdullah Wagishauser.
Der deutsche Konvertit ist seit 1984 Vorsitzender der Gemeinde in Deutschland. Kalif ist für die Anhänger der Ahmadiyya der Nachfolger ihres Religionstifters. Er wird von einem Rat der Ahmadiyyas demokratisch auf Lebzeiten zum spirituellen Führer gewählt.
"Kalif des Messias"
Der so genannte "Kalif des Messias" hat damit weder mit der Regierungsform des Kalifats zu tun, die im Mittelalter die weltliche und geistliche Führerschaft in der Person des Kalifen vereinte, noch mit den modernen Islamisten um den so genannten Kalifen von Köln, die tatsächlich von einer islamischen Herrschaft in Europa träumten.
"So etwas mit den Ahmadiyyas zu vergleichen, wäre reine Sensationsmacherei", findet der Islamwissenschaftler Stephan Rosiny. Er sieht darin ein Wahrnehmungsproblem. "Wir im Westen glauben ja inzwischen, dass die militante Deutung des Islams die normale ist."
Rosiny warnt eindringlich davor, islamische Begriffe aus dem Kontext zu reißen. Kalifat bedeute eben Nachfolge und Dschihad für die Ahmadiyyas - wie für die meisten Muslime - nicht zwangsläufig heiliger Krieg, sondern schlicht eine Anstrengung auf dem Weg zu Gott.
Gegen die Rushdie-Fatwa
Die "Ahmadiyya Muslim Jamaat" vertritt zudem eine friedfertige Richtung. Sie verdammt islamistische Gewalt und sprach sich auch gegen die Fatwa gegenüber dem Autor Salman Rushdie nach Veröffentlichung seiner "Satanischen Verse" aus. "Liebe für alle, Hass für keinen" lautet das Motto, das auf ihren Propheten zurückgeht. Trotzdem schlägt ihnen oft Feindseligkeit entgegen.
Für die meisten Muslime ist Mohammed der letzte Gesandte Gottes, das "Siegel der Propheten". Nach den Ahmadiyyas gibt es aber weitere Propheten, die ebenfalls den Willen Gottes propagieren. Dafür werden sie mancherorts verfolgt.
Das pakistanische Parlament verabschiedete im Jahr 1974 eine Resolution, in der alle Ahmadiyyas zu Nicht-Muslimen erklärt wurden. Gewalt gegen Ahmadiyyas wurde damit legitimiert, weshalb der Kalif inzwischen nach London umgezogen ist.
In Deutschland missioniert die Gemeinde schon seit der Weimarer Republik.
Im bürgerlichen Berlin-Wilmersdorf errichtete die Abspaltungsbewegung "Lahore Ahmadiyya Movement" in den 1920er Jahren sogar eine prächtige Moschee - ein architektonisches Kleinod, das heute als älteste erhaltene Moschee Deutschlands in jedem Reiseführer steht. Die Missionserfolge erwiesen sich jedoch als weniger spektakulär.
Erst nach Beginn der systematischen Verfolgung in Pakistan kamen viele pakistanische Ahmadiyyas als Asylbewerber nach Deutschland. Die Zahl der Gläubigen ist umstritten.
Wagishauser meint, von 30.000 in Deutschland zu wissen. Weltweit sollen es nach Angaben des Kalifen 80 Millionen Ahmadiyyas sein, andere Quellen kennen nur 10 Millionen.
Ich verstehe Ängste
In Pankow-Heinersdorf, ganz im Nordosten von Berlin, gibt es noch gar keine Ahmadyyas. Feiern zum hundertjährigen Kalifat finden hier statt, weil gerade die erste Moschee Ostdeutschlands entsteht.
Der Rohbau wurde gerade fertig, trotz des langen und vehementen Widerstands von Teilen der Bevölkerung. Es gab Demonstrationen und eine Bürgerinitiative gegen den Bau. Später brannte ein Lastwagen auf der Baustelle, die Polizei vermutete Brandstiftung.
"Ich kann die Ängste der Menschen durchaus verstehen", sagt Wagishauser. "Es gibt eben ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Islam."
Aus seinen Erfahrungen mit anderen Moscheebauten wisse er aber, dass mit Dialog und Information Widerstände zu überwinden seien. "Nach ein oder zwei Jahren haben wir überall ein völlig normales nachbarschaftliches Verhältnis."
Inzwischen haben sich die Wogen etwas geglättet. Wagishauser berichtet von viel positivem Zuspruch. Im August soll die Moschee eingeweiht werden. Und auch der erste Moslem wird bis dahin in Pankow-Heinersdorf wohnen – kein Missionierter, sondern der Imam der Moschee.
Oliver Samson
© DEUTSCHE WELLE 2008
Qantara.de
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Zum Deutschlandtreffen der "Ahmadiyya Muslim Gemeinde" in Mannheim kamen rund 30.000 Ahmadi-Muslime, um ihren Kalifen zu sehen. Hazrat Mirza Masroor Ahmad ist für seine Anhänger der Stellvertreter des verheißenen Messias im Islam. Von London aus lenkt der 56-Jährige als Kalif die Geschicke seiner Gemeinde. Von Andreas Gorzewski