Wenn die Liebe Gott verherrlicht

Der gegenwärtig größte Kinoerfolg in Indonesien heißt "Wenn die Liebe Gott verherrlicht" – der letzte in einer ganzen Reihe von Filmen mit islamischen Themen, die das Gesicht des indonesischen Kinos verändern. Von Ekky Imanjaya

Der gegenwärtig größte Kinoerfolg in Indonesien heißt "Wenn die Liebe Gott verherrlicht" – der letzte in einer ganzen Reihe von Filmen mit islamischen Themen, die das Gesicht des indonesischen Kinos verändern. Von Ekky Imanjaya

​​ Der Film Ketika Cinta Bertasbih ("Wenn die Liebe Gott verherrlicht") basiert auf dem Bestseller von Habiburrahman Syirazi, des Autors von Ayat-Ayat Cinta ("Heilige Verse der Liebe"), einem Roman, dessen Verfilmung ähnlich erfolgreich war.

Ketika Cinta Bertasbih (kurz KCB) erlebte seine Kinopremiere am 11. Juni 2009, doch schon während der Dreharbeiten im Laufe des Jahres 2008 wurde es zu einem landesweiten Kinophänomen.

Das Casting für den Film dauerte dreieinhalb Monate und fand in neun indonesischen Städten statt. Eine eigene Fernsehshow ermöglichte den Zuschauern, den Castingprozess zu verfolgen und das große Finale am 14. September 2008 wurde ebenfalls landesweit ausgestrahlt.

"Islamkonforme" Schauspieler

Die Kandidaten, die sich um die Rollen im Film bewarben, mussten nicht nur unter Beweis stellen, den Koran flüssig rezitieren zu können, sondern auch, dass sie in ihrem Alltag islamischen Werten folgen. Die Jury bestand aus prominenten Muslimen aus der Kultur- und Unterhaltungsszene, wie der Schauspielerin Neno Warisman oder dem Autor selbst, Habiburrahman Syirazi.

Der Hype, der noch vor der Filmpremiere von KCB stattfand, gründete sich darauf, dass es ein "Mega-Film" sein werde und zugleich der erste indonesische, der in Ägypten gedreht würde. Riesige Plakatwände auf den großen Straßen gehörten zur Werbung.

"Der Film, der acht Länder in den Bann ziehen wird!" Nachdem der Film in die Kinos kam, ging die Promotion weiter: Aus "Einer Million Zuschauer nach einem Monat Ausstrahlung!" wurden schließlich zwei Millionen. Ein anderes Plakat kündigte gar einen Wettbewerb an: "Gewinnen Sie eine Reise zu den Drehorten von KCB!"

Mit einem Budget von 40 Milliarden Rupiahs (etwa 2,8 Millionen Euro) ist KCB der teuerste Film, der jemals in Indonesien produziert wurde. In der ersten Woche lief er in 148 Kinos des Landes und brach damit den Rekord, den zuvor der Film Laskar Pelangi ("Die Regenbogen-Miliz") von Riri Riza hielt , der in der Eröffnungswoche in 115 Kinos gezeigt wurde. Die Fortsetzung KCB 2 kam am 17. September in die Kinos, ein paar Tage also vor dem Ramadanfest Idul Fitri.

Eine muslimische Love-Story

In Ketika Cinta Bertasbih geht es im Grunde um das Problem, eine verwandte Seele zu finden - und das in einer Weise, die dem Islam gerecht wird. Verabredungen oder auch nur das Händeschütteln sind in dem Film zwischen Unverheirateten nicht erlaubt.

Die Al-Azahr Universität in Kairo, Foto: Tierecke/Flickr.com
Im Mittelpunkt der Story steht Khairul Azzam, ein Student der Al-Azhar Universität in Kairo – der "Wiege der sunnitischen Gelehrsamkeit".

​​ Im Zentrum der Geschichte steht Khairul Azzam, ein Student der Al-Azhar Universität in Kairo. Azzam kommt aus einer Familie, die in bescheidenen Verhältnissen lebt und muss sich seinen Lebensunterhalt mit der Herstellung und dem Verkauf von Tempeh und Tofu verdienen, mit dessen Erlös er auch die Mutter und Schwester in Yogjakarta unterstützt.

Er ist ein gemäßigter islamischer Aktivist mit profunden Islamkenntnissen und lebt die Werte des Islam auch im Alltag. Eliana, die Tochter des indonesischen Botschafters und angehende Schauspielerin, verliebt sich in ihn, doch er weist sie milde ab.

Eines Tages hört Azzam von Anna Althafunnisa, einem sehr gebildeten Mädchen aus einer angesehenen und frommen Familie. Er beginnt sich zu wünschen, sie irgendwann zur Frau zu bekommen, nur auf Grundlage dessen, was er über sie erfährt. Doch Furqon, einer seiner Freunde und aus reicher Familie, hat ihr bereits einen Antrag gemacht.

Eines Tages hilft Azzam Anna bei einem Diebstahl, doch er kennt noch nicht ihren Namen. Anna lernt auch Azzams Familie in Yogjakarta kennen. In der Zwischenzeit wird Furqon Ziel einer Erpressung und steckt sich mit dem HI-Virus an. Sein Heiratsantrag wurde zwischenzeitlich angenommen.

Der Film steckt voller Ratschläge und Predigten über das gottgefällige Alltagsleben eines Muslim. So geht es etwa um die Frage der Vielehe. Als Furqon Anna seinen Heiratsantrag macht, nimmt sie ihn unter zwei Bedingungen an:

Zum einen will sie in der Pesantren (islamische Internatsschule) ihrer Familie bleiben und zum anderen soll sich Furqon keine andere Frau nehmen. "Ich möchte sein wie Chadidscha (die erste Frau des Propheten Mohammed) und Fatima (die Tochter des Propheten), die beide ihr Leben lang die einzigen Ehefrauen ihrer Männer waren", sagt Anna.

Als andere darauf antworten und sie beschuldigen, dass sie damit das vom Koran sanktionierte Konzept der Polygamie in Frage stelle, zeigt sie ihnen eine Seite aus dem Hadith, die ihre Sicht bekräftigen.

Der Islam auf der Leinwand

Als Kinophänomen wirft der Film Fragen zum Verhältnis zwischen islamischen Werten und der Filmindustrie auf. Wie auch andere beliebte Streifen mit islamischen Themen – wie Ayat-Ayat Cinta, Kun Fayakun ("Sei - und es ist"), Mengaku Rasul ("Der selbsternannte Prophet") and Syahadat Cinta ("Zeugnis der Liebe") – ist Ketika Cinta Bertasbih das Ergebnis eines Prozesses der Abwägung zwischen Idealismus und Kommerz.

In den Augen einiger Filmkritiker kann der Kampf zwischen diesen beiden Zielen nur zu einem mittelmäßigen Filmgenre führen. Andere Kritiker, wie der Filmhistoriker Salim Said, sehen darin nur ein weiteres Zeichen zwischen der bereits lang bekannten (und womöglich ewig währenden) Herausforderung, die Notwendigkeit, Profit zu erwirtschaften in Einklang zu bringen mit dem Wunsch, qualitativ hochwertige Filme zu schaffen, die der Gesellschaft etwas zu sagen haben.

​​ Es gibt islamische Gruppen und Einzelpersonen, die das ganze Unternehmen strikt ablehnen. Lukman Hakim, ein bekannter islamischer Blogger, der der sehr konservativen Salafi-Schule angehört, schrieb, dass der Kauf einer Kinokarte für einen Film wie Ayat-Ayat Cinta gleichbedeutend mit dem Kauf einer Eintrittskarte in die Hölle sei.

Islamische Puritaner im Kulturbetrieb

Für ihn ist der Besuch eines Kinos eine nutzlose und sinnlose Aktivität, die zudem in einer Umgebung des ikhtilat stattfindet, also in der Gemeinschaft von nicht miteinander blutsverwandten Männern und Frauen, die sich im selben Raum aufhalten. Er vergleicht das Kino mit figürlicher Malerei, und plädiert deshalb für ein Verbot desselben nach islamischem Recht.

Dennoch gibt es auch Gruppen, die versuchen, das Kino mit dem islamischen Recht in Übereinstimmung zu bringen. So etwa MAV-NET (Morality Audio Visual Network), ein Netzwerk mit Ablegern, die von Padang bis Bogor reichen.

MAV-NET hat ein Manifest veröffentlicht, in dem gefordert wird, dass muslimische Filmemacher Filme drehen sollten, die der muslimischen Moral entsprechen und das islamische Recht nicht verletzen.

Solche Gruppen bemühen sich, einen Weg zu finden, um die Probleme zu lösen, die sich ergeben, wenn jedes kleine Detail des islamischen Rechts in einem Film berücksichtigt werden soll. So kann es schon heikel sein, wenn in einer Szene ein Mann seine Ehefrau umarmt, die beiden Schauspieler aber nicht miteinander verheiratet sind; in der Realität schließlich wäre ein solch enger physischer Kontakt untersagt.

Ustadz Abu Ridho von der islamischen PKS (Gerechtigkeits- und Wohlfahrtspartei Indonesiens) hält dagegen, dass, solange klar ist, islamische Werte stünden im Fokus, ein solches Verhalten sehr wohl legitim sei.

​​ Andere, liberalere, muslimische Regisseure sehen die Dinge anders. Deddy Mizwar zum Beispiel sagt, dass es die Aufgabe eines Filmemachers sei, die Sprache des Films in neuer und kreativer Weise weiterzuentwickeln.

Wie auch einige prominente Regisseure aus dem Iran ist er der Meinung, dass syariah (islamisches Recht) und fiqh (islamische Rechtsprechung) durchaus kreative Freiräume für die Suche nach alternativen Filmidiomen und neuen Formen des Storytelling böten.

Für ihn ist das unverheiratete Paar bei einer Umarmung, mit der sie sich ihrer gegenseitigen Zuneigung versichern, nichts als ein abgedroschenes Filmklischee.

Er setzt auf eine poetische Alternative hierzu, wenn er den männlichen Protagisten in der von ihm gedrehten Fernsehserie Para Pencari Tuhan ("Die Gottsucher") seinen weiblichen Gegenpart mit den Worten anspricht: "Wenn die syariah es erlaubt, werde ich mich in deinen Tränen reinigen."

Was bei all diesen Überlegungen zum "islamischen Film" außen vor bleibt, ist die Frage, wie jene Filme einzuordnen sind, die zwar voller islamischer Themen stecken, jedoch nicht von Regisseuren gemacht wurden, die als Vertreter dieses Genres gelten, so wie es etwa der Fall bei Garin Nugroho oder Riri Riza ist.

Filme wie Rindu Kami padaMu ("Unser Verlangen nach dir") und Laskar Pelangi ("Die Regenbogen-Miliz") werden allgemein nicht als Beispiele des "islamischen Films" gesehen, sind jedoch voll von islamischen Werten und Darstellungen der muslimischen Gesellschaft.

Kritiker gestehen diesen Filmen einen höheren künstlerischen Anspruch zu und meinen auch, dass sie ein authentischeres Bild des Islams innerhalb der indonesischen Gesellschaft böten als die Arbeiten derer, die sich als Vertreter des "islamischen Films" bezeichnen.

Eine künstlerische Leistung?

Filmkritiker und Internetblogger scheinen hingegen einig darin zu sein, dass KCB zu wortreich ist und ideologisch zu aufgeladen, um als anspruchsvolles Kunstwerk durchzugehen.

Regisseur Chairul Umam Foto: SinemArt Pictures
Ergebnis eines Prozesses der Abwägung zwischen Idealismus und Kommerz: Chairul Umam, Regisseur des Films "Wenn die Liebe Gott verherrlicht"</wbr>

​​ Im Unterschied zu Filmen aus anderen Ländern der islamischen Welt, vor allem aus dem Iran, ignoriert der Film KCB die Möglichkeiten der cineastischen Sprache weitgehend und verlässt sich einzig auf verbale Erklärungen, um den religiösen Gehalt zu vermitteln.

Für einige Zuschauer ist dies nur ein andere Form des "Sinetron" (des Sinema Elektronik), der indonesischen Variante der Telenovela.

Und doch bestehen die Verfechter des Films auf seinen "Qualitätsanspruch". Die Werbung etwa benutzt Statements prominenter islamischer Muslime, wie Hidayat Nur Wahid, einem Gründer der PKS und Vorsitzender der People's Consultative Assembly (MPR), also der Legislative im politischen System Indonesiens.

Er meint, dass der kommerzielle Erfolg von KCB beweise, dass das indonesische Publikum fähig sei, die Qualität und den Wert eines Films zu erkennen. Dieselbe Werbung, die Hidayats positiven Kommentar zum Film wiedergibt, fordert die Zuschauer auf, ihre Unterstützung für den qualitativ hochwertigen Film dadurch zu zeigen, dass sie sich KCB anschauen:

"Wenn Sie KCB sehen, tragen Sie zur Geburt einer nationalen Filmkultur bei, die sich durch Qualität auszeichnet, durch Würde und durch den Respekt vor den Frauen", wird den Kinogängern gesagt.

Einige Beobachter sehen diese Art der Werbung als Ausdruck der Angst der Filmemacher davor, dass ihr Film als nichts mehr als ein Kassenhit gesehen wird und nicht als der "authentisch islamische" Film, als den sie ihn anerkannt und in Erinnerung behalten wissen wollen.

Ekky Imanjaya

© Inside Indonesia 2009

Übersetzung aus dem Englischen von Daniel Kiecol

Ekky Imanjaya ist Mitbegründer und Redakteur von Rumahfilm.org , eines indonesischen Online-Filmmagazins.

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