"Große Aufregung" um Online-Magazin
Man hat sich längst daran gewöhnt: Internet-Firmen gehen inzwischen ohne großes Aufsehen pleite. Nicht so bei Tehelka.com in Indien.
Bereits ein Jahr nach seiner Gründung im Jahr 2000 zählte das indische Online-Magazin Tehelka.com zu den großen Namen im unabhängigen indischen Journalismus. In atemberaubender Geschwindigkeit konnte es den Websites der etablierten Tageszeitungen den Rang ablaufen, weil es die Nachrichten mit Kommentaren, aktuellen Interviews und Hintergrundmaterial anreicherte. Angesehene Schriftsteller wie Arundhati Roy und Amitav Ghosh schrieben schließlich für
Tehelka.com - was übersetzt soviel heißt wie "große Aufregung".
Korruptionsskandal in der indischen Regierung
Die große Aufregung entfachte Tehelka.com immer dann, wenn es politische Enthüllungen veröffentlichte. Zu den wichtigsten Skandalen, die Journalisten von Tehelka.com aufdeckten, gehört eine 2002 veröffentliche Geschichte über Korruption im indischen Verteidigungsministerium. Der Minister musste abdanken, die Regierung war beschädigt und musste einer parlamentarischen Untersuchungskommission zustimmen.
Gezielte Kampagne
Trotz dieses "Scoops" sind bei Tehelka.com vor einigen Monaten die Lichter fast völlig ausgegangen. Die Seite existiert zwar noch, wird aber nicht mehr aktualisiert. Die Führung des Unternehmens ist davon überzeugt, dass neben finanziellen Problemen vor allem der indische Staat für das Aus der Webseite verantwortlich ist. Seit Gründung des Unternehmens seien Redakteure bedroht und zum Teil inhaftiert worden. Gerade nach dem Korruptionsskandal habe es gezielten Druck von Seiten der indischen Regierung gegeben. Mehrmals seien die Redaktionsräume und Privatwohnungen von Mitarbeitern durch die Geheimdienste durchsucht worden. Nach Angaben des Chefredakteurs hat das Büro des indischen Premierministers wiederholt versucht, das Unternehmen öffentlich in Misskredit zu bringen.
Eingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit
Für die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" ist dies keine Überraschung. Sie hat festgestellt, dass auch in Indien nach dem 11. September der Druck auf die unabhängige Presse erhöht wurde. Mit neuen Gesetzen versucht die Regierung zugleich, mehr Kontrolle über das Internet in Indien zu erlangen. Vor allem der Geheimdienst soll mit amerikanischer Unterstützung technisch so aufgerüstet werden, dass er den E-Mail-Verkehr überwachen kann.
Britische Tradition
Doch trotz zunehmender Überwachung durch den Staat und Behinderung unabhängiger journalistischer Arbeit zählt der Subkontinent noch zu den Ländern mit der größten Presse- und Meinungsfreiheit in Asien. 40 Millionen Haushalte verfügen über Kabel- oder Satellitenanschluss. Sechszehn Millionen Inder tummeln sich bereits heute im Internet - Tendenz stark steigend. Vermutlich wird es daher auch bald einen Nachfolger für Tehelka.com geben.
Andreas Noll
© 2003, DW-online