Der Papst und die Muslime
Mitglieder der islamischen Delegation, die vom Papst während des Weltjugendtags empfangen wurde, waren unter anderen Nadeem Elyas, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime (ZMD), Ridvan Cakir, Vorsitzender der Türkisch- Islamischen Union (DITIB) sowie Murat Aslanoglu, muslimischer Vorsitzender des Koordinierungsrats der Vereinigungen des christlich-islamischen Dialoges in Deutschland (KCID).
Durch dieses Treffen wollte Papst Benedikt XVI die Initiative seines Vorgängers zum interreligiösen Dialog fortsetzen und ein nachahmenswertes Beispiel geben für die Anerkennung des Anderen als Grundlage für den Frieden und das gegenseitige Verständnis zwischen den Religionen. Er rief dazu auf, die "traurigen Ereignisse" der Vergangenheit zu überwinden, die Lehre daraus zu ziehen und "das Hassgefühl aus den Herzen auszurotten".
Darüber hinaus betonte der Papst die Bedeutung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des religiös begründeten Terrorismus. Vor allem den Gelehrten komme eine entscheidende Bedeutung zu, denn sie bedienten sich des Wortes, und "das Wort ist der Hauptweg der Erziehung des Geistes".
Schon gleich nach seiner feierlichen Amtseinführung im April 2005 hatte der Papst sich an die Muslime gewandt: "Ich bin besonders dankbar für die Anwesenheit von Mitgliedern der muslimischen Gemeinschaft in unserer Mitte, und ich bringe meine Wertschätzung für den zunehmenden Dialog zwischen Muslimen und Christen zum Ausdruck."
Nadeem Elyas lobte seinerseits die Rede des Papstes und bezeichnete sie als "sehr weise, sachlich, neutral und frei von jeglichen Vorurteilen gegen Muslime". Er brachte seinen Wunsch auf einen langfristigen Dialog zwischen Christen und Muslimen zum Ausdruck: Zu den Anliegen des Zentralrats der Muslime gehöre auch ein ständiger Austausch zwischen Vatikan und den in den islamischen Ländern anerkannten Institutionen, wie der Al-Azhar, der Organisation der Islamischen Konferenz, der ISESCO und der Muslim-World-League.
Auch Murat Aslanoglu vom KCID erwartet nach dem Treffen mit dem Papst eine Stärkung des interreligiösen Dialogs: "Ich hoffe, dass diese unerwartete Geste des Papstes an die Muslime auch in der islamischen Welt positiv aufgenommen wird und mehr Mut für stärkere Zusammenarbeit zwischen den Juden, Christen und Muslimen schaffen wird. Ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis der unterschiedlichen Religionen ist grade in unseren Zeiten wichtig und sinnstiftend, (…) ich denke zum Beispiel an religiös begründete Gewalt"
Der Weltjugendtag interreligiös
Schon bei den Vorbereitungen zum Weltjugendtag hatte es von muslimischer Seite Gesten für ein friedliches Zusammenleben zwischen Muslimen und Christen in Deutschland gegeben. So etwa hatte die Gemeinschaft der türkischen Moschee in Niederkassel-Löllsdorf sich sofort bereit erklärt, 59 christliche Gäste in ihrer Moschee aufzunehmen, als sie vom Bedarf an Quartieren erfuhr.
Auch zur Abschlussmesse auf dem Marienfeld wurden Juden, Muslime und Anhänger anderer Religionen eingeladen: Obwohl dieses Ereignis vor allem für die katholischen Jugendlichen gedacht war, nahmen daran zahlreiche Anhänger anderer Religionen und Weltanschauungen teil.
Der Dialog mit dem Islam zwischen Vergangenheit und Gegenwart
"An die ersten Muslime, die in Deutschland gelebt haben und hier gestorben sind, erinnern die Grabsteine aus dem späten 17. Jahrhundert in Barke bei Lemgo und in Hannover. (...) Die erste bis heute erhalten gebliebene, größere Moschee mit zwei Minaretten wurde 1925 in Berlin-Wilmersdorf eröffnet", heißt es in einem Buch, das das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz als Arbeitshilfe für den Dialog zwischen Christen und Muslimen herausgab.
Heute ist die muslimische die größte nichtchristliche Religionsgemeinschaft in Deutschland. Trotz dieser wahrnehmbaren Existenz der Muslime und obwohl viele Muslime sich nicht in die deutsche Gesellschaft integriert haben, sind die Integrationsbemühungen von Seiten des Staates bis heute unzureichend. Erst mit den Attentaten im Namen der islamischen Religion in den USA und in Europa wuchs das Interesse an der Integration der muslimischen Mitbürger. Und erst da wurde eifrig nach Gründen für die Gewalt und nach schnellen Lösungen dieses Problems gesucht.
Die katholische Kirche allerdings war eine der Institutionen, die den Dialog zwischen Muslimen und Christen schon früh unterstützte und pflegte. Vor mehr als 30 Jahren wurde auf Initiative von Kardinal Josef Höffner das so genannte Referat für interreligiösen Dialog und Weltanschauungsfragen gegründet. Ziel war die Integration der türkischen Gastarbeiter sowie den Islam in Deutschland zu beheimaten und das Bewusstsein in der deutschen Gesellschaft für seine Existenz zu schaffen.
"Der Islam ist für uns keine Gastreligion, die vorübergehend hier lebt und irgendwann wieder geht. Vielmehr gehört der Islam zur Religionslandschaft in Deutschland", erklärt Werner Höbsch, Leiter dieses Referats zur Integration von Muslimen in Deutschland. Wöchentlich werden zwischen dreißig und vierzig Muslime empfangen, denen Hilfe bei verschiedenen Problemen angeboten wird.
Stecken hinter diesen Hilfsangeboten Missionierungsabsichten der katholischen Kirche? "Wir tun das um der sozialen Gerechtigkeit willen und nicht um zu missionieren, wie manche denken. Wir respektieren den Glauben des Anderen. Dieser Glaube ist für uns unantastbar", antwortet Werner Höbsch auf diese Frage. "Der Dialog kann nur da stattfinden, wo Vertrauen gewachsen ist, und wir hoffen auf mehr Vertrauen und Kooperation von Seiten der Muslime."
Kontakt zwischen der katholischen Kirche und den Jugendlichen
Der Weltjugendtag war ein großer Erfolg der katholischen Kirche vor allem im Bereich des religiösen Dialogs mit Jugendlichen, die zu Hunderttausenden aus der ganzen Welt zusammen gekommen waren.
Im Rahmen dieses großen Ereignisses wurden Veranstaltungen zum Dialog mir Jugendlichen organisiert, in denen nicht nur über religiöse Fragen diskutiert wurde, sondern auch über politische und soziale Fragen, über Terrorismus oder religiös begründete Gewalt.
Der Weltjugendtag, auf dem der Papst fast wie ein Popstar gefeiert wurde, stellt auf für andere Kulturen ein nachahmenswertes Beispiel für einen Dialog zwischen Jugendlichen und Religionsgelehrten dar. In den arabischen Ländern beispielsweise fehlt dieser direkte Dialog und die aktive Beteiligung von Jugendlichen an der Entwicklung ihrer Gesellschaften.
Wie Scheich Tayeb as-Salih, Religionsgelehrter in Toronto, in seinem Kommentar zum Weltjugendtag 2002 in Toronto erklärte, muss der islamische religiöse Dialog mit den Jugendlichen in Bezug auf seine Form und Mechanismen vieles nachholen, wenn man ihn mit dem religiösen Dialog der Katholischen Kirche vergleicht.
Auch von Seiten des Zentralrats der Muslime in Deutschland wird dies so gesehen: "Ein wenig neidisch schauen wir Muslime in Deutschland auf die Katholiken", heißt es in einer Pressemitteilung.
Walid Abd El Gawad
© Qantara.de 2005
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Dossier: Dialog der Religionen
Das interreligiöse Gespräch ist immer noch mit allerlei Problemen behaftet, aber es gibt, gerade im Kleinen, doch eine Reihe bemerkenswerter Initiativen - auch im 'Trialog' der drei abrahamischen Religionen Judentum, Christentum, Islam (der Islam bezeichnet sie als Religionen des 'Buches').