Staats- gegen Stammesmacht
Weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit wird seit fast drei Jahren im Norden des Jemen gekämpft, vermutlich tausende Menschen starben. Mit ihrer jüngsten Offensive will die Regierung den Konflikt mit schiitischen Aufständischen dauerhaft beenden. Doch mit Waffen scheint der Kampf der Staatsmacht im Stammesgebiet nicht zu gewinnen sein. Von Susanne Sporrer
Die Straßen in die umkämpfte Region Saada sind gesperrt, die Telefonleitungen gekappt, die Versorgung mit Lebensmitteln ist zusammengebrochen, selbst Hilfsorganisationen haben keinen Zugang. Gesicherte Informationen, was derzeit in den fast 3000 Meter hohen Bergen an der Grenze zu Saudi-Arabien vorgeht, gibt es keine.
Mehrere Journalisten, die über den Konflikt berichteten, wurden bereits zu Gefängnisstrafen verurteilt. Jetzt droht die Regierungszeitung "Al-Thaura" den Medien, jede Veröffentlichung von Stellungnahmen der gegnerischen Seite käme der Unterstützung von Terroristen gleich.
Ein religiöser Konflikt?
Die Kämpfe begannen im Sommer 2004, nachdem die Anhänger des schiitischen Geistlichen Hussain al-Huthi mit anti-amerikanischen Parolen gegen den pro-westlichen Kurs der Regierung protestiert hatten.
Drei Monate später war al-Huthi tot, unter der Führung seiner Verwandten aber ging der Aufstand weiter. Immer wieder gab es Verhandlungen, 2006 sogar eine Amnestie für inhaftierte Rebellen, doch befriedet wurde die Region nie.
Die Hintergründe und Motive in diesem Konflikt sind diffus. Auf den ersten Blick scheint es sich um einen religiösen Konflikt zu handeln: Truppen der Regierung des mehrheitlich sunnitischen Landes bekämpfen eine schiitische Gruppierung.
Protest am außenpolitischen Kurs
Saada ist die Hochburg der Zaiditen, eines Zweigs der Schiiten, der fast ausschließlich im Jemen lebt. Über tausend Jahre, bis zur Revolution 1962, hatten die Zaiditen im Nordjemen ihren Religionsstaat und stellten den in Sanaa herrschenden Imam.
Die Regierung wirft den zaiditischen Kämpfern vor, sie wollten den republikanischen Präsidenten stürzen und ein neues Imamat errichten.
Die Politikwissenschaftlerin Iris Glosemeyer bezweifelt dies: "Ich glaube nicht, dass sich in Saada jemand ernsthaft damit beschäftigt, den Präsidenten zu stürzen. Sonst würden sie nicht in Saada kämpfen, sondern in der Hauptstadt Sanaa."
Zu Beginn des Konflikts vor knapp drei Jahren habe es sich um einen Protest gegen den außenpolitischen Kurs des Präsidenten, der mit den USA kooperiert, gehandelt, sagt Glosemeyer. Die Zaiditen hätten sich als "noch anti-amerikanischer" gegen fundamentalistische Sunniten profilieren wollen. "Und die Regierung wollte zeigen, dass auch Saada von der Zentralmacht verwaltet wird."
Loyalität der Stämme
In vielen Regionen des Jemen gelten Stammesgesetze und die Worte der Scheichs weit mehr als die Vorgaben der Regierung im fernen Sanaa. Saada ist so eine Region. Und die tribale Gemengelage dieser gebirgigen Gegend sorgte auch dafür, dass der Konflikt schnell eskalierte:
Als die al-Huthis und ihre Anhänger angegriffen wurden, fühlten sich die umliegenden Stämme ihrer Tradition gemäß verpflichtet, sie zu unterstützen. Denn die al-Huthis sind eine Sayyid-Familie, die sich als Nachkommen des Propheten Mohammad betrachten und damit besonderen Schutz genießen.
Auch die Regierung gewann ihrerseits Stämme, auf Seiten des Staates gegen die Zaiditen zu kämpfen. Viele ursprünglich Unbeteiligte wurden über die Jahre in den Konflikt hineingezogen. "Man kann keine Trennlinie zwischen Aufständischen und Zivilbevölkerung mehr ziehen", sagt Glosemeyer.
Ausweitung des Konflikts
Die Regierung bringt nun weitere Akteure ins Spiel: Iran und Libyen unterstützten die Aufständischen, lautet ihr Vorwurf.
Glosemeyer hält wie auch immer geartete Beziehungen der Aufständischen zu den beiden Staaten für durchaus möglich: "Da der Jemen so schwer von der Zentralregierung unter Kontrolle zu halten ist, ist er immer wieder ein beliebter Spielplatz für alle möglichen anderen Leute."
Der US-Politologe Gregory D. Johnson sieht in diesen Anschuldigungen hingegen den Versuch der Regierung, interne Probleme mit regionalen Fragen zu verbinden und sich so finanzielle Hilfe aus dem Ausland zu sichern.
Verhandlungen als einzige Lösung
Auch die Darstellung der al-Huthi-Gefolgsleute als "Terroristen" passt in diese Logik. "Wenn die Regierung ihr Vorgehen als Kampf gegen den Terrorismus verkaufen kann, hat sie freiere Hand bei der Wahl der Waffen und kann leichter ausländische Unterstützung rekrutieren", analysiert Glosemeyer.
Doch auch mit noch stärkeren Waffen scheint es, dass dieser Kampf in dem unzugänglichen Gelände nicht gewonnen werden kann. "Die einzige Lösung sind Verhandlungen", sagt die Politologin. Doch danach sieht es im Moment nicht aus.
Die Aufständischen drohen, den Kampf auf andere Landesteile auszuweiten. Und die offiziellen Medien verbreiten ein islamisches Rechtsgutachten, das zum Kampf gegen die al-Huthi-Anhänger aufruft.
Susanne Sporrer
© Qantara.de 2007
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