Christen und Muslime gemeinsam gegen Stigmatisierung

Vier Wochen lang zog die "Karawane religiöser Führer gegen AIDS" durch mehrere westafrikanische Länder, um die Bevölkerung für die Situation der HIV-Infizierten zu sensibilisieren. Über die AIDS-Prävention in Mali berichtet Erhard Brunn.

Aidsplakat in Mali; Foto: irinnews.org
Mehr als 25 Millionen Menschen sind seit der Entdeckung des HI-Virus an AIDS gestorben

​​Losgezogen war sie am 4. November 2005 in Mauretaniens Hauptstadt Nouakchott - die "Karawane religiöser Führer gegen AIDS". Mali, Senegal, Burkina Faso und der Niger lagen gleichfalls auf der Route christlicher und muslimischer Repräsentanten, die mit ihrer Aktion auf die Situation von AIDS-Infizierten aufmerksam machen wollten.

Organisiert wurde die Karawane vom Netzwerk der religiösen Führer Westafrikas für den Kampf gegen AIDS.

In Bamako, der Hauptstadt Malis, veranstaltete die Karawane einen Workshop für 50 religiöse Repräsentanten aus den Reihen der Katholiken, der Protestanten und der Muslime.

Angesichts des Engagements vieler religiöser Führer Westafrikas im Kampf gegen AIDS schwärmte die malische Gesundheitsministerin, Maiga Zenaib Mint Youba, als die Karawane in Bamako eintraf: "Die Zusammensetzung der Karawane, mit Muslimen, Katholiken und Protestanten, mit Menschen, die mit der Krankheit leben sowie mit Journalisten, ist äußerst beeindruckend."

Malische Regierung aktiv gegen AIDS

Mit ihrer Kampagne unterstützten die religiösen Führer auch die Bemühungen der malischen Regierung, die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. "Kampf der Diskriminierung und Stigmatisierung der durch AIDS Betroffenen", heißt ihr Motto, denn Schweigen oder die Verbreitung falscher Informationen leisteten der Ausbreitung der Krankheit nur weiter Vorschub. Eine intensive Informationsarbeit zum Thema sei deshalb nötig.

In Mali wurde der erste Fall von HIV im Jahre 1984 entdeckt. Als Reaktion darauf richtete die Regierung 1987 das Nationale Programm zum Kampf gegen AIDS (PNLS) ein. 1996 wurde das Zentrum für Pflege, Animation und Rat (CESAC) gegründet, das vor allem den Interessen der bereits Infizierten dienen sollte.

Aktuell sind etwa zwischen 1,7 und 3,4 Prozent der erwachsenen Bevölkerung Malis infiziert. Die Zahl infizierter junger Frauen gilt allerdings als doppelt so hoch wie die junger Männer.

In Mali fiel der Aufenthalt der Karawane in eine rege Phase des Aufbaus gemeinsamer christlich-muslimischer Strukturen im Kampf gegen AIDS. So hatte sich schon im Sommer eine "Allianz religiöser Führer" unter dem Motto "Muslime und Christen gegen AIDS" zusammengefunden.

Gemeinsame Aufklärung

Unterzeichnet vom Präsidenten des Hohen Islamischen Rats von Mali, vom Erzbischof von Bamako und vom General-Delegierten der Kirchen und protestantischen Missionen von Mali, heißt es darin:

"Durch diese Organisation zeigen wir religiösen Führer, dass die Religionen in perfekter Harmonie in unserem Land koexistieren und zusammen alle Herausforderungen bewältigen können. So ist der Einsatz dieses Bündnisses unser bescheidener Beitrag zu den ansehnlichen Anstrengungen der Regierung von Mali und aller ihrer Partner im Kampf gegen AIDS."

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz anlässlich des Eintreffens der Karawane gegen AIDS erklärten die Vertreter der drei malischen Glaubensrichtungen (Pr. Thierno Hady Thiam als Repräsentant der muslimischen Führer, Pastor Daniel Tangara für die protestantische Gemeinde und Urbain Sangare für die Katholiken) im November in Bamako, dass die Ausbreitung der Krankheit auf drei Faktoren zurückzuführen sei:

Auf eine Veränderung des Verhaltens der Bevölkerung, weg von traditionellen Bindungen und Werten, auf die Armut und auf das Unwissen über die Verbreitungswege der Krankheit.

Als gemeinsame Positionen im Kampf gegen AIDS sprachen sie sich für Treue und Abstinenz aus sowie gegen die Nutzung von Kondomen, die nur in einem Fall erlaubt seien: in einer legitimen Beziehung, in der ein Partner infiziert sei.

Somit wählten die Vertreter der drei Glaubensrichtungen in dieser öffentlichen Erklärung einen Mittelweg zwischen der rigideren Vorgabe aus Rom und der größeren Flexibilität unter Muslimen.

"Die Position des Weltkirchenrats diesbezüglich ist allerdings eindeutig", so Helmut Hess, Kontinentalleiter Afrika bei "Brot für die Welt" und Mitglied der Ecomenical Africa Regional Group des Weltkirchenrats protestantischer Perspektive.

"Um Leben zu retten, ist der Einsatz aller verfügbaren Mittel geboten, auch der Kondome". Anderseits, so Hess, "sollte man die Bedeutung der Kondomfrage auch nicht überbewerten."

Gerade wenn es erst einmal um die Bildung eines solchen interreligiösen Bündnisses gehe, in dem ein Minimalkonsens formuliert werde.

GTZ-Studie über AIDS in Mali

Dass für gemeinsame Aktivitäten mit muslimischen Führern bei Informations- und Sensibilisierungsaktivitäten bezüglich AIDS in Mali gute Bedingungen vorherrschen, hatten im April 2004 bereits Ruth Bigalke und Heino Güllemann in einer Studie im Auftrag der GTZ festgestellt: "Die Bedeutung des Themas wird hier anerkannt."

Denn die Erhaltung der Gesundheit und die Führung der Gläubigen spiele eine große Rolle im Islam, speziell für die religiösen Führer. Als besonders aktiv in der AIDS-Sensibilisierungsarbeit im muslimischen Milieu identifizierten sie muslimische Frauengruppen.

Muslimische Repräsentanten Malis hatten bereits im April 2002 mit der "Resolution de Nioro du Sahel" eine Position formuliert, in der die Benutzung von Kondomen nur in der Ehe und nur mit einem sero-positiven Partner empfohlen wird.

Im direkten Gespräch hörten Bigalke und Gülleman diesbezüglich jedoch auch andere Meinungen. Ihr Resümee: "Die meisten religiösen Autoritäten haben nichts gegen das Kondom an sich. Sie widersetzen sich vielmehr der Weise, in der es dem Publikum in den Sensibilisierungskampagnen präsentiert wird."

"Für die muslimischen Führer", so Gülleman und Bigalke, "bietet die AIDS-Aufklärung auch eine Möglichkeit auf traditionelle und religiöse Werte zurückzuverweisen." Dies kann sicher auch für andere religiöse Autoritäten vermutet werden.

Erhard Brunn

© Qantara.de 2005

Erhard Brunn war in den Jahren 2003/2004 Berater für Informationsarbeit im Niger.

Qantara.de

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