Neues Institut für islamischen Religionsunterricht
Nachdem der Islam mit rund 3,2 Millionen Angehörigen längst zur zweitgrößten Religionsgemeinschaft in Deutschland angewachsen ist, stehen Fragen der Integration dieser Bevölkerungsgruppe immer häufiger im Mittelpunkt öffentlicher Debatten. Debatten, die mit initiiert werden durch die Furcht vor islamistischem Terror, aber auch getragen werden von der Sorge um eine bessere Integration der muslimischen Einwanderer. Ein zentrales Thema ist hierbei die Frage des Islam-Unterrichts.
Die Religionsfreiheit gebietet es, dass Muslime ein Recht auf Islamunterricht haben, doch bisher war ein solcher Unterricht häufig auf Koranschulen mit teilweise zweifelhafter Ausrichtung konzentriert. Die Forderung nach Islamunterricht an deutschen Schulen scheiterte bisher meist daran, dass es kein geeignetes Lehrpersonal gibt.
Ausbildung von Islamlehrern
Dies soll sich nun ändern: An der Universität Münster beginnt das "Centrum für Religiöse Studien" jetzt, Islamlehrer auszubilden. Der Lehrstuhl für die Religion des Islam wurde mit Prof. Muhammad Sven Kalisch besetzt, ein Hamburger Islamwissenschaftler, der bereits im Alter von 15 Jahren zum Islam übergetreten ist. Er hat sich vorgenommen, mit der Ausbildung von Islamlehrern einen wichtigen Beitrag zur Integration seiner Glaubensgefährten zu leisten.
Für Kalisch fängt das schon bei der Unterrichtssprache an. "Für uns ist es in der Tat ganz wichtig, dass der Unterricht in Deutsch erteilt wird", so der Professor. "Ich habe überhaupt nichts gegen muttersprachlichen Unterricht. Ich selber schätze die türkische Sprache sehr und spreche sie auch, aber wenn wir möchten, dass der Islam ein Teil der bundesrepublikanischen Gesellschaft wird, dann müssen Muslime lernen, ihre Religion in deutscher Sprache zu lernen - auch die entsprechenden Termini auf Deutsch zu können - so dass sie sich selbst auch in dieser Umgebung darstellen und einpassen können. Es ist uns sehr wichtig, dass es deutschsprachiger islamischer Religionsunterricht werden muss.
Und der zweite Punkt ist natürlich: Wir möchten dadurch, dass wir hier wissenschaftlich muslimische Religionslehrer als Theologen ausbilden, auch bewirken, dass extremistischen Tendenzen entgegen gewirkt wird."
Großer Bedarf an Islamkunde
Prof. Kalisch vermag nicht zu sagen, wie viele künftige Islamlehrer in sein Centrum kommen werden. Unbestreitbar gibt es aber großen Bedarf an geeigneten Lehrern, denn man schätzt die Anzahl der muslimischen Schüler an deutschen Schulen auf rund 800 000. All diesen Schülern ausreichendes Lehrpersonal zur Verfügung zu stellen, dürfte einige Zeit dauern.
Und es werden sicher auch einige Vorurteile zu überwinden sein. Auf beiden Seiten: Auf der deutschen, wo man Islam und Terrorismus immer noch allzu oft leichtfertig miteinander in Verbindung bringt, aber auch auf der muslimischen Seite, wo man argwöhnisch gegenüber staatlichen Versuchen ist, sich mit dem Thema Islam zu beschäftigen.
Unterstützung von beiden Seiten
Das Centrum hat deswegen einen Beirat gegründet, in dem Vertreter der verschiedenen muslimischen Verbände in Deutschland sitzen und mit denen man eng zusammenarbeiten will. Dass er die Unterstützung der staatlichen Seite für das Projekt hat, war ohnehin Voraussetzung. Prof. Kalisch ist aber auch mit der muslimischen Seite zufrieden, sagt er:
"Ich habe auch die Unterstützung der zentralen muslimischen Verbände, die durchaus wissen, dass ich mit der einen oder anderen Position nicht ganz auf der orthodoxen Linie bin, die aber persönliches Vertrauen zu mir haben. Und die wissen, dass ich praktizierender Muslim bin und die auch durchaus Interesse daran haben, dass ein bisschen frischer Wind weht und bestimmte Dinge einmal neu betrachtet werden."
Frischer Wind – das wird nicht unbedingt allen schmecken. Besonders konservative und staatsverneinende Gruppen werden hiermit ihr Problem haben. Aber sie sind es auch nicht, auf die das Centrum abzielt. Eine Grundvoraussetzung für das Studium zum Islamlehrer sei natürlich die Treue zum Grundgesetz.
Kalisch betont dies wiederholt und erklärt dann, dies sei natürlich eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber angesichts der gegenseitigen Verdächtigungen heute müsse man dies einfach immer wieder offen sagen.
Beginn des islamischen Religionsunterrichts noch unklar
Zunächst einmal werden nun im Wintersemester die Kurse für Islamlehrer in Münster beginnen. Fachliche Voraussetzung ist die Qualifizierung als Lehrer oder ein Studiengang mit diesem Ziel. Natürlich auch, dass der oder die Studierende selbst Muslim ist.
Ungeklärt ist bisher, wie der Unterricht später an den Schulen organisiert werden wird. Dies sei aber auch nicht seine Aufgabe, meint Kalisch. Dies müsse zwischen dem Kultusministerium und den muslimischen Verbänden ausgehandelt werden:
"Wann wirklich islamischer Religionsunterricht kommen wird – also ein Religionsunterricht gemäß dem Grundgesetz und in Übereinstimmung mit den Religionsgesellschaften – das ist noch offen. Im Moment gibt es noch Rechtsstreitigkeiten. Aber in Nordrhein-Westfalen gibt es ja den 'islamkundlichen Unterricht', so dass die Lehrer, die wir hier ausbilden, zumindest schon mal dort tätig werden können".
Was würde er einer Studentin denn sagen, die an seinen Kursen mit Kopftuch erscheint? Er habe überhaupt nichts dagegen, meint Kalisch – nicht ins Mikrophon –, er betrachte das Kopftuch nicht als Ausdruck von Extremismus. Er könne aber einer solchen Studentin natürlich auch keine Zusage geben, dass sie tatsächlich als Lehrerin in den Staatsdienst aufgenommen werde.
Was er aber jetzt schon versprechen könne: Dass er sich als Experte in den entscheidenden politischen Gremien für mehr Liberalität im Umgang mit dem Kopftuch einsetzen werde.
Peter Philipp
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004
Nähere Informationen auf der Website des Centrums für Religiöse Studien