Der französische Autor Michel Houellebecq: "Das Problem ist nicht der Islam"
Paris (dpa) - Michel Houellebecq hat nach eigenem Bekunden nichts
gegen verschleierte Frauen. «Ich fühle mich nicht angegriffen von
einer Frau, die verschleiert ist oder im Schwimmbad einen Burkini
trägt», sagte der französische Bestsellerautor («Unterwerfung») der
«Welt am Sonntag» in einem Interview. «Es ist ziemlich problematisch,
etwas zu verbieten, das ganz offensichtlich niemandem schadet.»
Dass Frauen etwa in Berlin im Schwimmbad «oben ohne» baden dürften,
finde er aber besser, fügte er hinzu. Doch er sehe keinen Grund,
warum man eine Frau davon abhalten sollte, einen Burkini zu tragen,
erklärte er. In dieser Hinsicht habe er sich bewegt, sagte der
67-Jährige, ebenso wie in seinem Verhältnis zum Islam, den er einst
die dümmste Religion nannte. «Ich bin immer mehr davon überzeugt,
dass nicht der Islam das Problem ist, sondern die Kriminalität.»
Zu der Erkenntnis kam der Autor («Elementarteilchen») nach eigenem
Bekunden nach der Lektüre des Korans und des Werks von Emmanuel
Carrère über den Strafprozess rund um die islamistischen Anschläge in
Paris vom 13. November 2015.
«Ich habe dank seines Buchs «V13» verstanden, dass die Leute, die im
Zeitraum eines einzigen Nachmittags von radikalen Islamisten
rekrutiert werden, nicht gerade die frommsten sind. Es amüsiert sie,
Menschen zu köpfen, mit den Köpfen Fußball zu spielen und Krieg mit
Bazookas zu führen», sagte Houellebecq. Für ihn dient diesen Männern
der Islam nur als Vorwand: «Jemand, der große Teile seines Tages
damit zubringt, die Hadithe zu studieren, der handelt nicht
gleichzeitig mit Drogen. Das sind nicht dieselben Lebensentwürfe.»
Noch vor wenigen Monaten sorgte Houellebecq mit einem langen
Interview im rechtspopulistischen Magazin «Front Populaire» für
Aufsehen, weil er darin unter anderem sagte, dass er nicht glaube,
dass die französische Bevölkerung sich wünsche, dass sich Muslime
assimilieren, sondern aufhörten, sie zu bestehlen und anzugreifen. In
seinem vor wenigen Tagen in Frankreich erschienenen Buch «Quelques
mois dans ma vie» (auf Deutsch übersetzt also: «Einige Monate in
meinem Leben») nennt er diese Äußerungen «idiotisch».
Wozu Houellebecq hingegen nach wie vor steht, ist seine Überzeugung
des großen «Bevölkerungsaustauschs». Der rechtsextremen Theorie
zufolge wird eine weiße, christliche Bevölkerung im Westen durch eine
größtenteils aus Afrika eingewanderte ersetzt. «Es ist unvernünftig,
eine so massive Immigration zuzulassen. Zumal wir erst am Beginn des
Problems stehen, denn die afrikanische Bevölkerung wird weiterhin
exzessiv wachsen. Das kann nicht gut gehen.» Das Problem sei nicht
vorrangig religiös: «Die Afrikaner sind nicht alle muslimisch. Unter
ihnen sind katholische Christen, Evangelisten, Animisten und was noch
immer.» Es sei «schlicht ein wirtschaftliches Problem».
Houellebecq hält nichts vom Konzept der sogenannten Political
Correctness, wie das Enfant terrible der französischen Literatur der
«Welt am Sonntag» sagte. «Ich habe viel Ärger gehabt wegen Dingen,
die ich gesagt habe. Aber das ist die Rolle des Schriftstellers.»
---
Paris (dpa) - Michel Houellebecq hat in den vergangenen Monaten mit
Aussagen über Muslime und mit einem Sexfilm für viel Wirbel gesorgt.
In seinen Augen für zu viel. Seine Feinde seien noch zahlreicher
geworden, seine Freunde hätten ihn teilweise verraten, vor allem aber
habe man ihn nicht zu Wort kommen lassen, schreibt er in seinem neuen
Buch «Quelques mois dans ma vie» (auf Deutsch übersetzt also: «Einige
Monate in meinem Leben»). Deshalb hat der französische
Bestsellerautor das Einzige getan, was ihm in seinen Augen übrig
blieb: Einen Text geschrieben, in dem er auf gut 100 Seiten seine
Sicht auf das Passierte erzählt.
In dem Buch, das zunächst nur in Frankreich erscheint (am Mittwoch,
24.5.), geht der 65-Jährige auf Ereignisse zwischen Oktober 2022 und
März 2023 ein: Kontroversen um Äußerungen im rechtspopulistischen
Magazin «Front Populaire», die ihm den Vorwurf der Islamophobie
einbrachten, sowie Schlagzeilen um Sexszenen in einem Film des
niederländischen Regisseurs Stefan Ruitenbeek.
Wie er diese Monate erlebt hat, beschreibt er auf der Rückseite des
Buches: «Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl wie das
Objekt in einer Tierdokumentation behandelt zu werden. Es fällt mir
schwer, das zu vergessen». Das Cover: schwarz wie eine Traueranzeige.
Auf das im Herbst veröffentlichte «Front Populaire»-Interview geht er
nur kurz ein. In dem Buch nennt er seine Aussagen über Muslime
«idiotisch». Sie seien ein Missverständnis, etwa jene, dass er nicht
glaube, dass die französische Bevölkerung sich wünsche, dass sich
Muslime assimilieren, sondern aufhörten, sie zu bestehlen und
anzugreifen. Im Buch schreibt er: Das Problem sei nicht der Islam,
sondern die Kriminalität. Er sei nicht islamfeindlich und bedauere,
dass er das Interview - immerhin 45 Seiten - nicht gegengelesen habe.
Schon 2001 sorgte Houellebecq für viel Aufsehen: Damals hatte er
gesagt, dass der Islam die dümmste Religion sei.
Die meisten Seiten im Buch nimmt Ruitenbeeks Film ein - und das Thema
Sex. Sexualität sei für ihn die größte und nachhaltigste Freude im
Leben, schreibt er. Eine Vorliebe, die man aus seinen Werken kennt.
Houellebecq nennt den Regisseur verachtend «cafard» (Kakerlake).
Dass es sich bei dem vor mehreren Wochen angekündigten Kurzfilm um
einen Porno handle, streitet er nicht ab. «Ich wollte mit meiner Frau
private Pornovideos drehen. Erfahrungen haben mir gezeigt, dass das
nicht einfach ist», gibt er als Grund für den Dreh mit sich in der
Hauptrolle an. Lange Ausführungen folgen, in denen er sein
Interesse an Amateur-Pornos erklärt, die er dank einer jungen
Deutschen entdeckt habe.
Die Filmaufnahmen fanden Ende Dezember vor allem in Amsterdam im
eleganten Hotel «Ambassade» statt. Houellebecqs Beschreibung nach
ging gleich von Anfang an alles schief: schlechte Stimmung und
Frauen, die nicht seinen Erwartungen entsprachen. Ihnen gibt er in
seinem Buch unter anderem die Namen Truie (Sau) und Dinde (Pute).
Houellebecq wollte den Film nach dem Wirbel verbieten lassen. In
erster Instanz lehnten Gerichte in Frankreich und den Niederlanden
seine Klage und die Begründung ab, er sei depressiv und betrunken
gewesen, als er den Vertrag unterzeichnet habe. Einen Teilerfolg hat
er nun vor einem holländischen Berufungsgericht erzielt: Ruitenbeek
muss ihm den fertigen Film vor Veröffentlichung vorlegen.
Houellebecq hat mit dem Schreiben des Textes in der Nacht zum 31.
März begonnen. Einige Freunde rieten ihm ab und meinten, der Wirbel
um ihn werde sich legen. Der Autor von «Unterwerfung» und
«Elementarteilchen» hätte gut daran getan, diesen Rat zu befolgen.
Aus «Quelques mois dans ma vie» hat er eine persönliche Abrechnung
gemacht. Er stilisiert sich zum Opfer eines Teils der Medien, die er
als Schweine und Rüpel bezeichnet. Er sieht sich als Opfer der
Justiz, nennt dabei Richter «kleine Erbsen».
Bei alledem verlässt ihn das Taktgefühl und er überschreitet
geschmacklos Grenzen, wenn er etwa schreibt: «Bei dem Gedanken, dass
der Film gegen meinen Willen verbreitet werden kann, habe ich
erstmals das Gefühl gehabt, das Frauen beschreiben, die vergewaltigt
worden sind.»