Vorentscheidung für die Parlamentswahl?

Bei den Nachwahlen im Libanon hat ein Kandidat der christlichen Opposition einen Parlamentssitz gewonnen. Die Nachwahl könnte schon eine Vorentscheidung für die Parlamentswahl im Libanon am 25. September sein, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

Bei den Nachwahlen im Libanon hat ein Kandidat der christlichen Opposition einen Parlamentssitz gewonnen, was nach Ansicht von Beobachtern die politische Krise in dem Land noch verkompliziert. Die Nachwahl könnte schon eine Vorentscheidung für die Parlamentswahl im Libanon am 25. September sein, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

Anhänger von Michel Aoun feiern den Sieg ihres Kandidaten; Foto: AP
Die Nachwahlen vom Sonntag haben gezeigt, dass der Stern Aouns seine Strahlkraft nicht verloren hat, meint Peter Philipp - Anhänger Aouns feiern den Sieg ihres Kandidaten

​​Bei den libanesischen Nachwahlen vom Sonntag ging es vordergründig nur um die Wiederbesetzung zweier Parlamentssitze, die durch die Ermordung ihrer gewählten Inhaber vakant waren. Zumindest beim Kampf um eines der beiden Mandate aber wurde deutlich, in welch schwieriger Umbruch-Situation der Libanon sich gegenwärtig befindet:

Im überwiegend von Christen bewohnten Matn östlich von Beirut trat der ehemalige Präsident Amin Gemayel, Vater eines der beiden ermordeten Abgeordneten, gegen einen Kandidaten der "Freien Patriotischen Bewegung" des Ex-Generals Michel Aoun an.

Gemayel unterlag seinem Herausforderer knapp. Es war dies aber mehr als nur ein verfehlter Einzug ins Parlament, sondern möglicherweise auch bereits eine Vorentscheidung für die Präsidentschaftswahlen am 25. September.

Aoun hat bereits erklärt, dass er kandidieren will, und Amin Gemayel wollte die Rückkehr ins Amt versuchen, aus dem er 1988 ausgeschieden war. Der Kampf zwischen Gemayel und Aoun ist gleichsam ein Kampf zwischen dem alten traditionellen Clansystem des Landes und einem neuen System, das freilich bisher nicht so klar definierbar ist.

Die Gemayels haben seit den dreißiger Jahren mit ihrer "Falange-Partei" die politische Szene – vor allem unter den maronitischen Christen des Libanon mitbestimmt und mitgestaltet, Aoun hingegen ist erst in den letzten Jahren zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft aufgestiegen.

Im Jahr 2005 kehrte er nach 15-jährigem Exil aus Paris zurück und überraschte die Libanesen, die in ihm den "starken Mann" sahen, der dem Chaos der letzten Jahrzehnte vielleicht ein Ende setzen könnte:

Obwohl Aoun von den Syrern ins Exil getrieben worden war, verbündete er sich nach den Parlamentswahlen mit der syrienfreundlichen "Hisbollah" und ging mit dieser in Opposition zur Regierung von Fuad Siniora.

Aoun besteht zwar darauf, weiterhin jede fremde – auch syrische - Einmischung im Libanon abzulehnen, aber er spaltet mit seiner Politik das Lager der Christen, das eigentlich Syrien ablehnend gegenüber steht.

Und er schwächt die Position der Christen im Libanon weiter, nachdem diese langsam zu erkennen beginnen, dass sie längst nicht mehr die Mehrheit im Lande darstellen, die ihnen seit der französischen Mandatsherrschaft eine Reihe Privilegien einbrachte.

Die Nachwahlen vom Sonntag haben gezeigt, dass der Stern Aouns seine Strahlkraft nicht verloren hat, und die Aussichten, dass der Ex-General Präsident wird, dürften gestiegen sein. Einen totalen Bruch mit Geschichte und Tradition wird aber auch Aoun nicht zuwege bringen:

Er stützt sich natürlich auf traditionelle Kräfte und Clans, und das Bündnis mit Hisbollah dürfte für den in Frankreich und den USA ausgebildeten Militärstrategen in erste Linie strategischen Wert haben. Ein Christ – auch Michel Aoun – dürfte neben einer weiter erstarkten "Hisbollah" auf Dauer keinen sicheren Stand haben.

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE 2007