Drei Kurze Jahre und ihre Folgen

Ende des 18. Jahrhunderts unternahm Napoleon den Versuch, Ägypten zu unterwerfen. Die Franzosen verfolgten strategische, aber auch wissenschaftliche Interessen. Eine Ausstellung im Institut du Monde Arabe in Paris widmet sich dieser kolonialen Episode. Susan Javad war vor Ort.

​​Heimlich, still und leise verlässt Napoleon Bonaparte im August 1799 Ägypten per Schiff in Richtung Frankreich. Zurück lässt er seine über 30.000 Mann starken Truppen, deren Kommando er General Kléber überträgt.

Mit seiner Abreise läutet Napoleon das Schlusskapitel der insgesamt vernichtenden französischen Ägypten-Expedition ein. So triumphal sie nur ein Jahr zuvor begonnen hatte, so kläglich sollte sie 1801 enden.

Nur drei Jahre hat die französische Präsenz in Ägypten also gedauert. Dass diese kurze Zeit aber sowohl in Frankreich als auch in Ägypten tiefe Spuren hinterlassen hat, möchte das IMA in seiner neusten Ausstellung deutlich machen.

Annähernd 400 Objekte sind hierfür zusammengetragen worden. Zwar liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der Ägypten-Expedition, doch setzt die Ausstellung bereits früher an. Symbolisch wurde das Jahr 1769, das Geburtsjahr Napoleons und gleichzeitig das wahrscheinliche Geburtsjahr Muhammad Alis, des Wegbereiters des modernen Ägyptens, als Einstieg in den Ausstellungsrundgang gewählt. Der Bogen wird dann, weit über die eigentliche Expedition hinaus, bis ins Jahr 1869, in dem der Suez-Kanal eingeweiht wurde, gespannt.

Im Auftrag der französischen Regierung sollte der junge General Bonaparte Ägypten erobern. Damit, so der Plan, würde man dem Erzfeind Großbritannien einen empfindlichen Schlag versetzen, lag Ägypten doch auf dem Seeweg nach Indien.

Neben diesen handfesten militärisch-strategischen Interessen wollte man die Expedition aber auch für wissenschaftliche Zwecke nutzen. Ganz im Zeichen der Aufklärung begleiten also auch über 160 französische Gelehrte verschiedenster Fachrichtungen die Truppen Napoleons.

Kurzfristiger Erfolg

​​Anfangs stehen alle Zeichen auf Erfolg. Die Truppen der Mamluken, Nachkommen türkischer Militärsklaven, die Ägypten unter der Oberherrschaft der Osmanen regieren, werden geschlagen und die Franzosen nehmen Kairo ein.

Napoleon will die Ägypter nun an den Errungenschaften der Aufklärung teilhaben lassen. Ein Diwan, ein Rat aus ägyptischen Notablen wird gebildet, der Ägypten von nun an regieren soll. Auch wird der Austausch zwischen den französischen Wissenschaftlern und der ägyptischen Bildungselite forciert.

Doch das Blatt wendet sich schnell. Die französische Flotte, die vor der ägyptischen Hafenstadt Abukir liegt, wird von den Engländern vernichtet und auch unter der ägyptischen Bevölkerung regt sich Widerstand. Schließlich erklärt der osmanische Sultan den heiligen Krieg gegen die Franzosen und es kommt zu Aufruhr in Kairo. Napoleon reagiert mit Gewalt gegen die Bevölkerung und schreckt auch nicht vor der Entweihung und Plünderung der al-Azhar-Moschee zurück.

Mit Entrüstung dokumentiert der ägyptische Chronist Al-Djabarti, den Franzosen bisher eher zugeneigt: "Sie betraten dann die al-Azhar-Moschee mit ihren Pferden, die sie an der Qibla (Gebetsnische) anbanden." Eine Szene, die der Maler Lévy 1875 in "Napoleon an der großen Moschee in Kairo" heroisch glorifizierend aufnimmt.

Nach einem Versuch der Franzosen, ihre Machtansprüche auch auf Syrien auszudehnen, schreiten die Engländer ein und machen der französischen Expedition ein Ende. Da ist Napoleon natürlich schon längst wieder auf heimischem Boden und hat die Gunst der Stunde genutzt und sich zum Alleinherrscher in Frankreich aufgeschwungen. Er versteht es dabei geschickt den Nimbus der Ägypten-Expedition zum eigenen Vorteil zu nutzen.

Militärischer Verlust, wissenschaftlicher Gewinn

Karte Ägyptens von Gilles Robert de Vaugondy (Quelle: Ausstellungskatalog)
Wissenschaftlicher Meilenstein: Unter Napoleons Ägyptenexpedition wurde das gesamte Land erstmals vollständig kartografiert. Diese Karte stammt von Gilles Robert de Vaugondy.

​​ Militärisch ruinös, war die Expedition doch wissenschaftlich ein Erfolg. Flora und Faune wurden minutiös dokumentiert, das pharaonische Erbe vermessen und aufgezeichnet und auch Kleidung, Sitten und Gebräuche der Ägypter festgehalten. Der wissenschaftliche Höhepunkt ist sicherlich der Fund des Steins von Rosette – heute im British Museum in London – der einige Jahre später die Entschlüsselung der Hieroglyphen ermöglichen sollte.

In Europa löst diese Informationsflut zum einen eine regelrechte Ägyptomanie aus – deren Manifestation in Form von pharaonisch anmutenden Kerzenhaltern, Geschirr und Ähnlichem im IMA sehr anschaulich präsentiert wird. Zum anderen entwickelt sich im Zuge der Ägypten-Expedition in Literatur und Kunst der Orientalismus, der im späteren 19. Jahrhundert mit den Werken von Delacroix seinen Höhepunkt erreicht und das Orientbild des Westens bis heute prägt, wie Edward Said in seinem einflussreichen Buch "Orientalismus" aufgezeigt hat.

Aber auch in Ägypten wirkt die französische Expedition noch lange nach. Mit Muhammad Ali, einem Offizier des osmanischen Heers, der gegen die französischen Truppen gekämpft hat, gelangt 1805 ein Mann an die Macht, der die technologische Überlegenheit der Franzosen mit eigenen Augen gesehen hat.

Für ihn ist klar, dass Ägypten sich dem technischen Fortschritt öffnen muss. Er initiiert ein breit angelegtes Reformprogramm und fördert insbesondere ein modernes Bildungswesen. Damit bereitet er den Weg für die Nahda, die "arabische Renaissance", die von Ägypten ausgehend ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die gesamte arabische Welt beeinflusst und zu einer wesentlichen Quelle des arabischen Nationalismus wird.

Alles in allem also drei kurze Jahre mit weit reichenden Folgen.

Susan Javad

© Qantara.de 2008

Info: Die Ausstellung am IMA ist noch bis zum 29. März 2009 geöffnet.

Qantara.de

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