Musharraf missbraucht den "Kampf gegen den Terror"

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Pakistans Präsident Musharraf ist einer der wichtigsten Verbündeten der USA im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. In Wahrheit trägt er dazu bei, diesen Kampf zu diskreditieren.

Kommentar von Thomas Bärthlein

Die aktuelle Entwicklung in Pakistan demonstriert einige grundsätzliche Fehler, die beim so genannten "Kampf gegen den internationalen Terrorismus" gemacht werden.

In Pakistan glaubt kaum jemand, dass El Qaida Benazir Bhutto ermordet hat. Statt dessen blühen die wildesten Verschwörungstheorien, vor allem unter Musharrafs politischen Gegnern. Die Armee stecke hinter dem Mord, denn die Generäle hätten Bhutto als Rivalin aus dem Weg räumen wollen, heißt es da. Oder vielleicht auch hohe Politiker aus Musharrafs eigener Partei.

Manche behaupten, Benazir Bhutto sei ausgeschaltet worden, weil sie Beweise für Wahlmanipulationen vorlegen wollte. Wieder andere glauben zu wissen, dass sie durch hochmoderne Laserwaffen getötet wurde.

Transparenz – ein Fremdwort

Die Gründe für solche Spekulationen sind nicht schwer zu finden: Transparenz ist für die Behörden ein Fremdwort. Zum Beispiel präsentierten sie als Todesursache Benazir Bhuttos erst Schussverletzungen, dann Bombensplitter und schließlich soll ihr das Dach ihres Autos den Schädel gebrochen haben.

Auch im Ausland wird durchaus registriert, dass es traditionell einen Nexus zwischen den pakistanischen Sicherheitskräften und islamistischen Militanten im Land gibt. In der Regel wird das im Westen aber so interpretiert, als hätten Islamisten die pakistanische Armee und Geheimdienste "unterwandert". In Pakistan sehen viele das mit Blick auf die Geschichte der vergangenen dreißig Jahre ein bisschen anders.

Denn es waren umgekehrt die Armee und ihre Agenten, die militante Gruppen aufgebaut und politisch instrumentalisiert haben. Nun fällt es schwer zu glauben, dass diese Kontakte und Manipulationen aufgehört haben.

Derselbe Baitullah Mehsood, dem jetzt der Mord an Benazir Bhutto angelastet wird, hat im Anschluss an die Verhängung des Ausnahmezustands im November nach Verhandlungen mit Islamabad noch Hunderte von gefangenen Soldaten frei gelassen.

Anwälte als "Terroristen"

Und schließlich: Musharraf missbraucht den "Kampf gegen den Terrorismus" in Pakistan massiv für andere politische Zwecke: Politische Gegner ohne jede Verbindung zu El Qaida wie Separatisten in Belutschistan verschwinden spurlos; kritische Anwälte werden absurderweise als "Terroristen" verhaftet; die Armee profitiert kräftig von amerikanischer Militärhilfe.

Und vor allem muss immer wieder der Terrorismus als Vorwand herhalten, warum Musharraf an der Macht bleiben muss, ob wie im November der Ausnahmezustand verhängt wird oder ob nun die Wahlen wieder einmal verschoben werden.

All diese Faktoren haben zu einem derartigen Klima des Misstrauens gegenüber den Herrschenden geführt, dass El Qaida oder die Taliban in Pakistan unterschätzt werden, obwohl sie ohne Zweifel eine starke Rolle vor allem im Nordwesten des Landes spielen.

Pakistan macht in zugespitzter Form vor, wie kontraproduktiv es ist, wenn man den Geheimdiensten und dem Militär das Feld und die Wahl der Mittel bei der Terrorbekämpfung überlässt.

Wenn Terror und politische Gewalt dagegen nachhaltig überwunden werden sollen, dürfen die Menschenrechte, Demokratie und Transparenz nicht auf der Strecke bleiben. Eine rückhaltlose Aufklärung des Mordes an Benazir Bhutto mithilfe ausländischer Experten wäre ein erster Schritt, der verloren gegangenes Vertrauen vielleicht wieder aufbauen könnte.

Thomas Bärthlein

© Deutsche Welle 2008