Mit dem Bett in Teheran


Kurz vor Beginn der Ausstellung fährt den Beteiligten ein kurzer Schreck durch die Glieder: Statt der redigierten, haben sie nur die unkorrigierten englischen Texte ausgedruckt. Kurzerhand greift die Berliner Konzeptkünstlerin zum Teppichmesser und ritzt die unerwünschten Worte heraus. Statt des Wortes "Orgie" klafft jetzt ein rechteckiges Loch im Text.
Es ist eine Art vorweg genommene Selbstzensur. Lieber vorher die Passagen rausnehmen, die bei den Autoritäten auf Missfallen stoßen könnte, als hinterher alles abhängen zu müssen, meint die Künstlerin. Denn vor der Eröffnung erfolgt im Teheraner Artist House eine "sittentechnische Abnahme“. Unkompliziert ist es nicht, in Teheran seine Arbeiten zu präsentieren.
Konzepte, sich im Leben einzurichten

In den letzten zwei Jahren hat Gloria Zein zehn Philosophen getroffen und mit ihnen über DAS Bett gesprochen – über Wachen und Schlafen, Bewusstsein und Bewusstseinsverlust, über Verführen und Lieben, Öffentlichkeit und Privatheit.
Sie wollte wissen, welche Ideen die Philosophen mit dem Bett verbinden; welche Konzepte es geben kann, sich selbst im Leben einzurichten. Jedem der Philosophen hat sie ein Bett gebaut; ungefähr dreißig Mal fünfzehn Zentimeter groß, begleitet von einer Zeichnung und einem kurzen Text.
Es sind höchst unterschiedliche Betten, die da ausgeleuchtet auf weißen Sockeln stehen. Der iranische Philosoph Simon Farid O’Liai hat ein Kabelbett bekommen. Die Matratze: ein schwarzes Drahtgeflecht, in das unzählige Elektrokabel geknüpft sind.
Auf der Suche nach Kontakt ragen sie über den Sockel hinweg. Mit dem Bett kann der Philosoph nachts die allgemeine Verbundenheit ausloten, schreibt Gloria Zein. Denn alles steht miteinander in Beziehung und nichts existiert für sich alleine, so der Heidegger-Spezialist.
In unmittelbarer Nähe: ein Betonbett, ein fest verankerter Pol, der in einer Welt der stetigen Veränderung Halt bietet. Gegenüber das "Mehrfachbett der Begegnung" – eine überdimensionierte Matratze, auf der so einige Personen Platz haben.
Universale Gültigkeit und kulturelle Unterschiede
Der Andrang ist groß bei der Vernissage. Hier im Artist House geht es lockerer zu als gemeinhin auf den Straßen der iranischen Kapitale. Die Frauen tragen buntere Kopftücher, die Männer sind legerer gekleidet. Viele, die hierher kommen, sind selber Künstler oder Grafiker.

Der Schlaf, meint eine Dozentin für Grafik-Design, habe etwas mit dem Menschsein zu tun. Das Thema sei universell gültig und deshalb entzögen sich die verschiedenen Konzepte einer Bewertung – ein erstaunlich postmoderner Ansatz. Und trotzdem. Auch wenn das Thema universal ist, so ist die Rezeption doch vom kulturellen Kontext geprägt.
Mit einem Bett, in dem man mehrere Menschen "empfangen“ kann, kann eine Besucherin nichts anfangen. "Das passt nicht zur iranischen Kultur“, meint sie. Eine Malerin sinniert über Romantik und Sexualität. Bei ihnen würde man nicht offen über Sexualität sprechen. Es sei ein Tabu, das in der iranischen Kultur begründet sei. Selbst wenn die Regierung keinen Druck ausübt, würden sie "diesen Schleier nicht lüften", sagt sie.
Der iranische Philosoph Simon Farid O’Liai steht vor "seinem“ Bett und ist begeistert. Und abgesehen von seinen philosophischen Gedanken? Ja, sicher – das Bett, welches das Beziehungsgeflecht thematisiert, reflektiere wohl auch eine Gesellschaft in der Krise; in der man nie genau wüsste, mit wem man es zu tun habe und in der öffentlich und privat streng getrennte Sphären darstellen.
Die Kunstszene und auch die Menschen im Iran sind vielschichtiger als ein bloßer Blick auf die Hülle des Tschadors. Diese Erfahrung hat auch Gloria Zein gemacht. Auch wenn der Blick hinter den Schleier verwirrend ist. "Die Aussagen und Reaktionen werden immer konträrer“ meint sie. Doch ob im Orient oder im Okzident: Ein Bett kommt immer gut an, resümiert die Künstlerin: Das, bei dem sich ein Paar sein ureigenes Universum ertanzt.
Cordula Echterhoff
© Qantara.de 2008