Seiteleiste: Islam und Erotik: Sehnsucht nach einem offenen Diskurs

Über Jahrhunderte waren muslimisch geprägte Gesellschaften freizügig im Umgang mit Sex und Erotik – bis Kolonialmächte intervenierten. Heute versuchen viele Muslime vor allem in sozialen Medien, an die frühere Offenheit anzuknüpfen, und brechen Tabus.

„Das Thema Sex und Erotik ist allgegenwärtig“, sagt der islamische Theologe Ali Ghandour, der an der Universität Münster zu Sex in vormodernen arabischen Schriften forscht. „Wir haben ungefähr ab dem 9. Jahrhundert, und zwar bis zum 19. Jahrhundert, kontinuierlich erotologische Werke.“ Sie hätten alles in medizinischen und pornografischen Kapiteln thematisiert. „Man hat Abhandlungen über Lustmaximierung, Aphrodisiaka, über Sexpositionen, über Geschichten, Ankekdoten, alle möglichen Krankheiten, die damals bekannt waren.“

Über Jahrhunderte gab es in weiten Teilen der muslimischen Welt einen offenen und toleranten Umgang mit dem Thema Sexualität. „Es gab einen Bruch mit der eigenen Tradition“, sagt Ghandour über das Ende des 19. Jahrhunderts.

Dafür gab es verschiedene Gründe: Zunächst kritisierten französische und britische Kolonialmächte muslimische Kulturen als sexuell zu zügellos und rückständig. Auch deshalb, weil nicht nur die heterosexuell männliche, sondern auch die weibliche und die homoerotische Lust Beachtung fanden. So führten die Briten Gesetze ein, die Homosexualität strafbar machten. Viele muslimische Gesellschaften reagierten auf die Vorwürfe und entwickelten ein sehr viel puritanischeres Verständnis von Sexualität. In dieser Zeit entstanden islamische Ideologien, die den Koran und andere religiöse Quellen strikter auslegten.

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Islam und Erotik: Sehnsucht nach einem offenen Diskurs

https://www.deutschlandfunkkultur.de/sexualitaet-islam-religion-100.html

 

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