Ein bisschen Religion gefällig?

Eine neue Welle mediengewiefter Prediger scheint derzeit ihren etablierten Altvorderen den Teppich unter den Füßen wegzuziehen. Welche Folgen wird das auf lange Sicht haben?

Von Nashwa Abdel-Tawab

​​Vor 15 Jahren war es noch sehr ungewöhnlich, so viele junge Menschen in den Moscheen anzutreffen wie heute. Die sich bei der ägyptischen Jugend immer mehr ausbreitende Welle der Religiosität, was immer man von ihr halten mag, verdankt sich einer neuen Generation von Predigern, deren Botschaft viel zugänglicher ist als die ihrer Vorgänger.

"Während des Ramadan", erzählt eine 29-jährige Frau, "verbringe ich die meiste Zeit mit Beten und damit, den Koran zu zitieren. Den Fernseher schalte ich nur ein, um die religiösen Sendungen mit Predigern wie Amr Khaled, Khaled El-Guindi und Nawwarrah Hashem zu sehen."

Diese Haltung ist in hohem Maße repräsentativ für eine Generation, die Tag für Tag religiöser denkt und lebt. Dennoch ist dieser Trend weit von den fundamentalistischen oder gar militanten Tendenzen entfernt, die früher dazu führten, dass Menschen sich massenhaft dem Glauben zuwandten. Die erwähnten Namen populärer Prediger stehen für einen toleranten und freimütigen Diskurs.

Nicht länger ist der Absolvent der Azhar-Universität mit Turban das Markenzeichen des Islam, sondern der Glaube wird zugänglich, der Islam öffnet sich. Ausnahmen wie Großmufti Ali Gomaa und Scheich Youssef El-Qaradawi zum Trotz ersetzt der Prediger in der Öffentlichkeit mehr und mehr den Religionsgelehrten.

Hazem Ahmed, ein 40 Jahre alter Buchhalter, bringt indirekt zum Ausdruck, warum: "Ich möchte jemandem zuhören, der so ist wie ich, der meine Sprache spricht und meine Probleme versteht – nicht jemandem, der sich anders anzieht, in fragwürdiger Weise mit der Regierung zusammen arbeitet und auf alle Fragen nur die allerunverfänglichsten Antworten geben kann."

Charisma wie Popstars

Dieses Bedürfnis, das im Bereich des Sozialen entstanden ist, hat Figuren wie Amr Khaled, Safwat Hegazi, Khaled El-Guindi und Mahmoud El-Masri fast schon zu Popstars gemacht: Sie sind professionell auftretende Leitfiguren mit säkularem Bildungshintergrund, die aus einem privilegierten Umfeld kommen. Und sie bringen jede Menge Charisma mit.

Traten sie in den 90er Jahren vor allem im privaten Umfeld auf, so hat die leicht verdauliche Mischung von umgangssprachlichem und klassischem Arabisch, in der sie Geschichten aus dem Koran und den Hadithen (den Aussprüchen und Taten des Propheten Mohammed) nacherzählen, ihnen inzwischen eine phänomenale Anhängerschaft beschert.

Ihr Ansatz besteht oft darin, die traditionelle Lehre mit anderen geistlichen Werten zu verbinden, dem der Selbsthilfe etwa, wobei sie sich selbst als unabhängig sehen, vom offiziellen ebenso wie vom politischen Islam.

Sie nehmen der einheimischen Politik gegenüber eine kritische Haltung ein, weigern sich aber auch, Fatwas, religiöse Urteile, auszusprechen, und betonen häufig, dass die Gesellschaft moralisch verbessert werden muss, damit Reformen möglich werden.

Leben des Propheten ist Hauptthema

Beliebt – und gefährlich – sind diese Prediger vor allem, weil sie populäre Themen ansprechen und sich dabei auf das tägliche Leben der Menschen beziehen. Um das Ausgehen, das Flirten oder die Sommerferien geht es zum Beispiel in vielen der populärsten Predigten Khaleds, wobei das Leben des Propheten für all jene beliebten neuen Prediger weiterhin das Hauptthema ist.

Ihre Bedeutung in der arabischen Welt ist inzwischen so groß, dass jetzt schon soziologische Untersuchungen über sie angestellt werden. Der Religionsgelehrte Asef Bayat ist der Meinung, dass das Aufkommen von Laienpredigern, die sich eines westlichen Sprachstils bedienen und für eine eher individuelle Religiosität stehen, innerhalb des Islamismus eine Abkehr vom Politischen signalisiert.

Eine Abkehr also von säkularen und extremistischen Gefahren (so betrachtet es der islamistische Kolumnist Fahmi Howeidi), aber auch eine bedauernswerte Rückkehr zum Konservatismus in Gestalt einer Illusion von Modernität (so sieht es Hala Mustafa vom Al-Ahram-Institut für strategische Studien).

Von der ägyptischen Al-Azhar-Universität war bemerkenswerterweise bisher nichts über die neuen Prediger zu vernehmen, obwohl einzelne Vertreter bedeutender Einrichtungen sie durchaus schon als unseriöse Betrüger bezeichneten.

Zweifel an Qualifikation

Hussein Mahmoud Khedr vom Ministerium für religiöse Angelegenheiten (awqaf-Ministerium) hat die neuen Stars des Glaubens in der Wochenzeitung Al-Arabi unlängst als oberflächlich bezeichnet. Abdullah Barakat, Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaften und islamisches Recht an der Al-Azhar-Universität, drückte sich noch deutlicher aus:

"Ein Prediger ist eine Schlüsselfigur des Lebens, der die Menschen von der Sünde zur Tugend führen soll. Das ist keine leichte Aufgabe – seine Worte müssen klar, tief und umfassend sein. Nicht jeder Fernsehprediger wird diesen Anforderungen gerecht. Die meisten sind Ratgeber, einige wenige sind Prediger, und eine noch kleinere Minderheit kann man zu den Gelehrten zählen."

Barakat kommentiert hier insbesondere die Ansicht, die New-Wave-Prediger trügen zu einer Wiederbelebung der Tradition des religiösen Gesprächs bei. Laienprediger Safwat Hegazi ist da anderer Meinung: "Ein Prediger muss die Sprache seiner Zeit sprechen", meint er.

Dass in den Predigten relevante Themen zur Sprache kommen, ist für ihn ebenso wichtig wie dass der Prediger einer Arbeit nachgeht, damit das Predigen nicht zu einer bloßen Form des Gelderwerbs wird. Hegazi ist selbst erfolgreich als Ingenieur tätig.

"Islam light"

Gebildete Muslime wie etwa die 30-jährige Lehrerin Lamia Adel sprechen sich dafür aus, das Alte mit dem Neuen zu verbinden: "Die neuen Prediger sind oft dort eine gute Ergänzung, wo die säkulare Ausbildung auf bestimmte Fragen keine Antwort gegeben hat, aber in zehn Jahren wird man vermutlich wieder Gelehrte haben wollen, die auch komplexere Themen erörtern können.

"Die neuen Prediger haben etwas Erfrischendes, man wird süchtig nach ihnen, aber die in der Tradition verwurzelten Gelehrten werden doch weiterhin als Führer anerkannt, die wir brauchen wie die Luft zum Atmen."

Die Lehre der neuen Prediger ist abschätzig als "diet daawa" und "Islam light" bezeichnet worden. Aber wie Mohamed Ibrahim El-Geushi, ein früherer Dekan der Al-Azhar-Universität, erklärt, ist und bleibt "diet daawa", die Verbreitung des Glaubens, im ursprünglichen Sinn des Wortes die Aufgabe eines jeden Moslems:

"Das Konzept hat verschiedene theologische, politische und auch historische Implikationen, aber seine Hauptbedeutung im Koran bezieht sich auf den Willen Gottes, dass die Muslime Seine Botschaft verbreiten sollen."

Ob es nun gefällt oder nicht – diese neue Form der Predigt ist ein nicht mehr zu übersehender Aspekt der religionspraktischen Realität in der muslimischen Welt. Solange die Prediger, um die es hier geht, keine Rechtsgutachten aussprechen und nicht zum Extremismus aufrufen – also sich nicht der Regierung entgegenstellen – braucht man auch keine Angst vor ihnen zu haben.

Ob sie allerdings auf lange Sicht nicht nur als Gegenpol zu Fundamentalismus und Regierungsislam taugen, sondern auch weiterhin die klarste und beliebteste Stimme des Islam sein werden, muss sich erst noch zeigen.

Nashwa Abdel-Tawab

© Al-Ahram Weekly

Aus dem Englischen von Ilja Braun

Qantara.de

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