Studieren für den Dialog
Für die Studenten wird es wohl nicht das klischeebeladene Erasmus-Semester im Ausland werden, wenn sie in Zukunft am Nürnberger Flughafen ins Flugzeug steigen, um in das kleinste der Vereinigten Arabischen Emirate zu fliegen: nach Ajman.
Die Ajman University of Science and Technology (AUST), mit der die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen einen Kooperationsvertrag geschlossen hat, nahm 1988 ihren Lehrbetrieb auf. Der Vertrag sieht vor, Studierende und Wissenschaftler auszutauschen, wissenschaftliche Tagungen zusammen auszurichten und gemeinsame Forschungsprojekte zu initiieren.
Das Projekt soll dem wissenschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Austausch zwischen Europa und den arabischen Ländern zu Gute kommen.
Angefangen hatte alles ganz unbürokratisch. Der Direktor der Universität von Ajman, Saeed Abdallah Salman, hatte sich vor einiger Zeit am Erlanger Klinikum einem Gesundheitscheck unterzogen. Das Ergebnis kann nicht sehr negativ für ihn ausgefallen sein, denn von diesem Zeitpunkt an favorisierte er mit Begeisterung eine Zusammenarbeit mit der Universität Erlangen, die bereits seit langem enge Beziehungen zur arabischen Welt pflegt.
Anfang der fünfziger Jahre hatte hier der Orientalist Hans Wehr das bis heute für Studierende der arabischen Sprache unverzichtbare arabisch-deutsche Wörterbuch verfasst. Erlangener Geographen erforschten intensiv Städte im arabischen Raum, darunter Aleppo, Sanaa, Kairo oder Damaskus, und mehrere akademische Exkursionen hatten Nordafrika und die arabische Halbinsel zum Ziel.
Es wurde ein breites Netz an Beziehungen geknüpft, das sich in Universitätspartnerschaften mit Amman, Bagdad und Mossul manifestiert. Aktuell unterstützt die Universität Erlangen-Nürnberg aktiv die Wiederherstellung der Hochschulstrukturen im Irak und leistet Hilfe beim Aufbau des afghanischen Rechtssystems.
"Was uns bisher noch fehlte, war eine engere Verbindung zu den Golfstaaten – nicht nur wegen ihrer bedeutenden Stellung in der Weltwirtschaft, sondern auch wegen ihrer traditionsreichen Kultur und ihres aufstrebenden Bildungssystems", so Karl-Dieter Grüske, Direktor der Universität.
Boomregion Golf
Die einheimische Bevölkerung macht nur etwa 20% der Gesamtbevölkerung der Emirate aus; diese versucht ihren Nahwuchs auf die zukünftige Verwaltung des Landes vorzubereiten. So ist etwa die arabischsprachige "United Arab Emirates University", die 1977 gegründet wurde, den einheimischen Studenten vorbehalten.
Ende der achtziger Jahre kamen dann die "Higher Colleges of Technology" hinzu, die sich, nach amerikanischem Vorbild, der praxisorientierten Ausbildung in technischen Fächern widmen, mit Englisch als Unterrichtssprache.
Neben diesen staatlichen Hochschulen wurde 1988 die "Ajman University of Science and Technology" (AUST) als private Universität gegründet. Sie unterhält vier Standorte in Ajman, Abu Dhabi, al Ain und Fujairah.
Frauen von rechts, Männer von links
Was erwartet nun einen Studenten oder Dozenten, der ein Semester oder auch längere Zeit in Ajman verbringen möchte? Zunächst ein reiches Angebot: 23 Bachelor-Programme aus den Bereichen Informatik, Medizin, Ingenieurswissenschaften, Betriebswirtschaft und Sprachen. Momentan nutzen 16.000 Studenten dieses Angebot, und damit ist die AUST die größte private Universität der Emirate.
Laut DAAD sind die Klassenräume und Labors hervorragend ausgerüstet, modernste Technik, unter anderem mit Bildschirmen für Videokonferenzen, bestimmt die Arbeits- und Lernatmosphäre.
Allerdings werden Männer und Frauen getrennt unterrichtet", so Professor Hartmut Bobzin, Islamwissenschaftler an der Universität Erlangen und Initiator des Projekts. "Wenn in einem Labor gearbeitet wird, treten zunächst die Frauen durch die rechte Türe ein und machen ihre Untersuchungen. Wenn sie fertig sind und den Raum verlassen haben, kommen die Männer – von links."
Man müsse sich also mit der dortigen Kultur anfreunden, meint Bobzin, es herrsche jedoch im Umfeld der Universität keineswegs ein rückständiger Geist: "Man muss dort zum Beispiel als Frau kein Kopftuch tragen. Ein Mädchen aus dem Iran ist extra nach Ajman gekommen, da sie sich dort ohne Kopftuch frei bewegen kann."
Internationales Flair
Die Lehrenden kommen nur zu einem kleinen Teil aus den Emiraten. "Es gibt hier eine große Anzahl an Ausländern, vor allem aus Ägypten, Palästina und Libyen", erklärt Hartmut Bobzin, "der finanzielle Anreiz für sie ist hier größer."
Auch unter den Studierenden halten sich Einheimische und Ausländer, die sich in Ajman niedergelassen haben, die Waage. Der hohe Anteil an ausländischen Studenten, wie auch die starke Orientierung am US-amerikanischen Vorbild, führten dazu, dass Englisch als Unterrichtssprache im wissenschaftlichen Bereich festgelegt wurde, nur die pädagogische Ausbildung läuft auf Arabisch.
Die Zusammenarbeit wird in Zukunft auf unterschiedlichen Ebenen ablaufen, so Hartmut Bobzin: "Wir werden in Ajman Deutschkurse anbieten, das ist der erste Schritt. Des Weiteren können wir vor allem im medizinischen Bereich in Ajman noch Entwicklungshilfe leisten. Die "University of Science and Technology" will dagegen in Deutschland einen eigenen Standort eröffnen. Im Gespräch sind Erlangen und Berlin"
Das wäre dann - neben Valencia - der zweite Standort in Europa und eine wunderbare Anlaufstelle für den wissenschaftlichen Austausch und einen pragmatischen Dialog mit der arabischen Welt.
Florian Wagner
© Qantara.de 2005
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