Der Irak als letzter Dominostein des Drucks?
Auffällig ist, dass die USA die ganze Zeit weggeschaut haben, obwohl sie sich von Anfang an gegen jegliche Beziehungen der beiden Nachbarländer hätten stellen und den Irak zur Einschränkung der Beziehungen zum Iran unter Druck setzen können. Dies erkennt natürlich auch der Iran.
Auf der anderen Seite möchte Teheran die Handelsbeziehungen trotz aller Probleme aufrechterhalten, gar ausbauen. Und dies beobachten wiederum die USA. Das lässt vermuten, dass alle Seiten auf unterschiedliche Art und Weise an einer Lösung der Probleme interessiert sind und ihnen die Notwendigkeit der bilateralen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen klar ist.
Die israelischen Angriffe auf Stellungen der vom Iran unterstützten Miliz Al-Haschd al-Schaabi im Irak mit Unterstützung der USA halten an und die Sanktionen gegen den Iran haben nicht nur nicht abgenommen, sondern könnten sogar noch erweitert werden. Trotzdem laufen die Iran-Irak-Geschäfte weiter – ein Indiz dafür, dass sie weiterlaufen sollen.
Ökonomische Abhängigkeiten erzeugen
Dies beweist, dass die Islamische Republik versucht, die irakische Wirtschaft soweit es geht vom Iran abhängig zu machen und zeitgleich die iranische Wirtschaft zu retten. Regelmäßige Konferenzen und Sitzungen sowie die Aktivitäten der iranisch-irakischen Handelskammer zeugen von den langfristigen Plänen des Irans – genau wie Danaiefar erklärt hat: Den Exporten werden umfangreiche Investitionen folgen.
Kürzlich wurde eine Konferenz zum Wiederaufbau des Irak in Teheran veranstaltet. In der vom Privatsektor initiierten Konferenz wurde betont, dass für den Wiederaufbau des Irak 88 Milliarden Dollar benötigt würden.
Über Verhandlungen rund um die Konferenz wurden keine Details bekannt. Daher sind eventuelle Pläne beider Seiten zum Bereitstellen der Milliardensumme unklar. Die Konferenz belegt jedoch das iranische Interesse am Erhalt des letzten wirtschaftlichen Auswegs.
Amerikas Vorteile
Nun stellt sich die Frage nach den Vorteilen der dritten Seite. Wieso sind die USA daran interessiert, dass dieser schmale Weg dem Iran offen bleibt?
Um diese Frage zu beantworten, muss man sich die politische Lage im Iran und die problematischen Beziehungen des nordirakischen Kurdengebiets zur Zentralregierung in Bagdad vor die Augen führen. Der politische Einfluss des Iran im Irak beschert der Islamischen Republik wirtschaftliche Vorteile – genauso wie die irakische Abhängigkeit vom Iran für Teheran vorteilhaft ist. Aus diesem Grund kann der Irak nicht einfach mit Druck aus Washington zur Distanzierung vom Iran gezwungen werden.
Die US-Regierung ist sich bewusst, dass der Irak die Gas- und Stromlieferungen aus dem Iran nicht sofort ersetzen kann. Außerdem würde ein abrupter Abbruch der Treibstoffversorgung aus dem Iran gesellschaftliche Unruhen im Irak auslösen.
Um die Stabilität der Zentralregierung in Bagdad zu gewährleisten, können die USA die Energieversorgung aus dem Iran nicht unterbrechen. Überdies haben sie kein Interesse daran, den wirtschaftlichen Einfluss aus China oder der Türkei im Irak zu fördern und den irakischen Markt den Chinesen zu überlassen.
Auf der anderen Seite ist das Provozieren unterschiedlicher Gruppierungen im Irak stets ein Druckhebel der inländischen und ausländischen Akteure, um die Machtverhältnisse auszubalancieren.
Wenn der ehemalige Botschafter des Irans im Irak, der momentan für den Ausbau der Beziehungen der Islamischen Republik zum Irak und zu Syrien zuständig ist, von seiner Aufgabe spricht, weiß er wohl, dass die gelegentlichen Proteste gegen den Iran die bilateralen Beziehungen belasten können. Er weiß aber auch, dass sich solche Proteste gegen die US-Interessen richten könnten. Solche Vorfälle hat es bereits gegeben.
Wo steht die irakische Regierung?
Um die Position der irakischen Regierung zu den Spannungen zwischen dem Iran und den USA zu erklären, hilft es, daran zu erinnern, dass Bagdad zu den israelischen Angriffen auf iranische Interessen im Irak geschwiegen hat. Mit einer Stellungnahme würde sich die irakische Regierung in den Iran-USA-Konflikt einmischen und Konsequenzen riskieren. Eine mögliche Konsequenz könnten US-Sanktionen gegen irakische Funktionäre sein; eine Maßnahme, die bereits gegen einige dem Iran nahestehende irakische Politiker ergriffen worden ist.
Sollten die USA den Irak nicht mehr von den Sanktionen gegen den Iran ausnehmen, würde dies außerdem nicht nur zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen für Bagdad führen, sondern politische Unruhen verursachen.
Sollte der Irak weiterhin schweigen und die dem Iran nahe stehende Miliz Al-Haschd al-Schaabi ihre jetzige Funktion verlieren beziehungsweise sich in das irakische Militär integrieren, würde der US-Plan aufgehen. Dies wäre die Frucht der US-Politik des Wegschauens bei den anhaltenden Beziehungen zwischen dem Iran und dem Irak.
Dies zeigt, wie eng die iranischen und US-amerikanischen Interessen mit der irakischen Politik und Wirtschaft verflochten sind, so dass Bagdad nicht ohne Weiteres die Seite wechseln kann. Mit der Zeit wird sich jedoch herausstellen, ob der Irak der letzte Dominostein der Sanktionen gegen die Islamische Republik sein wird, oder ob die Islamische Republik das Blatt wenden und das Kippen der Dominosteine stoppen kann.
Farzaneh Sabaie
*Farzaneh Sabaie (Pseudonym) ist Nahost-Expertin, lebt im Iran und schreibt für verschiedene Medien im In- und Ausland.