Wie Trumps Iran-Embargo den Irakern schadet
"Nicht viele Iraner können es sich seit Trumps Entscheidung noch leisten, nach Najaf zu kommen. Deswegen verlieren wir viel Geld", sagt Badr al-Jilawi, Besitzer des Qasr al-Assad Hotels, das in der Nähe einer der heiligsten schiitischen Stätten, dem Schrein von Imam Ali, liegt. Abgesehen von einer Gruppe schwarz-gekleideter Frauen in der Lobby, ist das normalerweise gut besuchte Hotel leer - eine direkte Folge des Embargos der USA auf den Iran.
Immerhin ist das Qasr al-Assad noch geöffnet. In den vergangenen 12 Monaten haben etwa 500, der insgesamt 700 Hotels in Najaf ihre Türen für immer schließen müssen. Ebenso erging es vielen Restaurants. Die wirtschaftlichen Folgen der US-Sanktionen gegen den Iran sind gravierend.
Die meisten Iraner mussten ihre jährliche Pilgerreise zu Iraks heiligen Stätten abblasen. Hotelbesitzer Al-Jilawi hat dadurch 90 Prozent seiner Einnahmen eingebüßt. "Ich musste extra-Betten in die Zimmer stellen und vermiete diese nun für drei Dollar, umgerechnet 2 Euro 60 pro Bett. Ich hätte nie gedacht, dass es mich so hart treffen würde. In guten Zeiten habe ich für ein Zimmer 100 Dollar verlangt."
Vom Städtchen zur Pilger-Massen-Metropole
Najaf ist fast komplett abhängig vom religiösen Tourismus aus dem Iran, doch das Reisen ist für die Iraner durch das US-Embargo zu teuer geworden. Begonnen hatte die Reisewelle erst 2003, mit dem Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein. Er hatte die Iraner als Feinde betrachtet. Nicht zuletzt wegen des acht Jahre andauernden Kriegs in den 1980er Jahren. Mit der Machtübernahme der Schiiten in Bagdad wurden die Restriktionen fallen gelassen und die schiitischen Nachbarn kamen zu Tausenden in den Irak.
Für die Stadt Najaf bedeutete das eine gewaltige Veränderung. Einst ein armes Städtchen mit gerade mal 50 Hotels für ein paar religiöse Pilger, wandelte sich Najaf zu einer Stadt mit hohen Gebäuden, Geschäften, Hotels und Restaurants, die tausende Touristen verpflegen konnten. Sogar die Suppenküchen mussten zeitweise dabei helfen, alle Pilger zu versorgen. Heute kommen hier vor allem die vielen Iraker hin, die Opfer des US-Embargos auf den Iran geworden sind.
Doch das Schlimmste kommt vielleicht noch. Auch 16 Jahre nach dem Sturz Saddams, produziert der Irak noch immer nicht genug Energie für sich selbst und ist so von Gas- und Stromimporten aus dem Iran abhängig. Und während Washington diese zumindest bislang erlaubte, soll dieses Zugeständnis Ende des Monats beendet sein.
Aus Bagdad heißt es bereits, man bräuchte diesen Sommer mehr iranischen Strom. Ein Bedürfnis, das auch von den Erfahrungen gewalttätiger Ausschreitungen in Basra herrührt. Während der heißen und feuchten Sommer hatte es dort oft nicht genug Elektrizität gegeben.
Es ist wohl auch eine gewisse Abhängigkeit, die die irakische Regierung dazu veranlasst hat, sich in dem Konflikt zwischen den USA und dem Nachbarn Iran neutral zu verhalten. Beide Parteien haben in Bagdad erheblichen Einfluss.
Die Amerikaner haben dem Irak dabei geholfen, eine neue Regierung und ein neues Militär aufzubauen und unterstützen das Land im Kampf gegen "Islamischen Staat" und bei dessen Zerschlagung. Der Iran hingegen unterstützt politische Parteien und Milizen finanziell. Und liefert neben Gas- und Strom auch Grundnahrungsmittel sowie Obst und Gemüse in den Irak.
"Die Amerikaner schaden nicht nur dem Iran"
Diese Abhängigkeit ist besonders in Najaf sichtbar, wo jeder den Namen "Donald Trump" als Grund für die vielen Probleme nennt. "Die Amerikaner schaden nicht nur dem Iran, sie schaden auch dem Irak, denn wir verlieren Kunden und damit Geld", sagt Said Ali Mossawi, Teilhaber eines Restaurants, das normalerweise Touristengruppen versorgt. Wie schon in den vergangenen Monaten bleiben die vielen Stühle auch an diesem Mittag leer.
Die Hälfte seiner Kundschaft habe er verloren, sagt Mossawi. Außerdem musste er 40 Prozent seiner Angestellten entlassen. "Und ich bin noch nicht mal komplett von den Iranern abhängig. Stellen Sie sich vor, wie das für jene ist, die nicht mit Irakern oder Pilgern aus anderen Ländern zusammenarbeiten." Nur die Iraner kamen das ganze Jahr über in großer Zahl. In den fast leeren Straßen rund um Najafs heiligen Schrein suchen einige Libanesinnen Schutz vor der Sonne. Schiiten aus Ländern wie Pakistan, Indien, Bangladesch und den Golfstaaten, kommen vor allem rund um die religiösen Feiertage.
Nicht alle in Najaf konnten sich mit den Massen an Menschen, die sich einst durch die Stadt schoben, anfreunden. Nun beschwert sich niemand mehr darüber. Der Wechselkurs für den iranischen Toman - die Währung hatte das Land einst reich gemacht - fiel als Folge der US-Politik, in den Keller. In den Straßen von Najaf werden kaum noch Toman ausgegeben. Halbfertige Häuser finden sich überall im Zentrum der Stadt, wo Busse noch immer einige Iranerinnen, eingehüllt in ihre schwarzen Tschadors, absetzen.
"Sie bringen sogar ihr eigenes Essen mit und bereiten es dann hier zu", sagt Hamid Abbas, Besitzer eines Kebab-Ladens. Er hatte schon lange keine Gäste aus dem Iran mehr. "Seit Trumps Entscheidung gehen die Iraner nicht mehr essen." Seine Einnahmen haben sich um 40 Prozent verringert, doch er bleibt optimistisch. "Wenn die Probleme für den Iran vorüber sind, dann sind auch unsere Probleme gelöst."
Geschenkte Visa und doch keine Besserung
Ahmed Ali, der auf einem der vielen Basare von Najaf wertvolle Steine, Ringe und anderen Schmuck verkauft, hat 85 Prozent seines Geldes eingebüßt. Die Iraner kaufen bei ihm sonst einen speziellen weißen Stein, der fast durchsichtig ist und den es nur in der heiligen Stadt Najaf gibt. Doch solch einen Stein hat der 17-Jährige seit Monaten nicht mehr verkauft. "Ich muss mich anpassen", sagt er und deutet auf den neuen Schmuck, den er nun feilbietet. Er soll auch Pilger aus anderen Ländern ansprechen.
Um die Abwärtsspirale aufzuhalten, hat der Irak den Iranern ihre Visa geschenkt. Aber auch diese Maßnahme habe keine erkennbaren Verbesserungen gebracht, sagen jene, die von der Krise in Najaf betroffen sind. "Im Iran kostet ein Huhn ungefähr 15 Toman. Bei uns kostet das mehr als 100 Toman", erklärt Kebab-Laden-Besitzer Abbas. Schmuck-Verkäufer Ali, wie viele andere Bewohner Najafs auch, haben die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben. "Sobald Trump es ihnen erlaubt, werden die Iraner wiederkommen."
Judit Neurink
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