Wer ermordete "Mr. Lebanon"?
Er wollte als "Mr. Lebanon" in die Geschichte eingehen und das ist ihm gelungen: Rafik Hariri, der charismatische libanesische Ex-Premier, war am 14. Februar 2005 einem Autobombenanschlag zum Opfer gefallen, als der damals 60jährige vom Parlament in Beirut zu seiner Villa im Stadtteil Qoreitem fuhr.
Das Attentat sandte Schockwellen um die Welt. Denn der Sohn einer einfachen Bauernfamilie im südlibanesischen Sidon, der es mit seinem Ehrgeiz und Geschäftssinn zum Multimilliardär gebracht hatte, hatte überall hochrangige Freunde. Er stand wie kein anderer für den Wiederaufbau des vom Bürgerkrieg geschüttelten Libanon.
Die Spur führt nach Damaskus
Wer Hariri getötet hat, ist bis heute ungeklärt. Nicholas Blanford, Autor des Buches "Killing Mr. Lebanon" erinnert sich, dass damals 99,9 Prozent der Libanesen glaubten, die Syrer steckten hinter dem Attentat. "Das hat sich nicht geändert. Doch vier Jahre nach der Tat warten wir immer noch, ob es dafür Beweise gibt."
Denn die internationale Sonderkommission zur Aufklärung des Mordes hält sich nach der Veröffentlichung eines Anfangsverdachts, der auf Damaskus fiel, auffallend zurück. Am 1. März soll die Kommission in einem Sondertribunal in Den Haag aufgehen, doch mit einer unmittelbaren Anklageerhebung wird nicht gerechnet.
Vom Unternehmens- zum Staatschef
Als ehrgeiziger junger Mann ging Hariri nach einem Betriebswirtschaftsstudium in Beirut nach Saudi-Arabien, wo er sehr bald ins Baugeschäft einstieg. Damit legte er den Grundstein für sein milliardenschweres Vermögen, das ihm ebenso wie seine engen Verbindungen zum saudischen Königshaus bei seiner späteren politischen Karriere helfen sollte.
Nach dem Ende des libanesischen Bürgerkrieges 1990 kehrte Hariri zurück in seine Heimat, um seinen persönlichen Traum zu verwirklichen: Den Wiederaufbau des zerstörten Landes, vor allem aber seiner Hauptstadt Beirut. Nicht nur Libanesen taten sich schwer, dem jovialen Mann zu widerstehen, meint Blanford. "Er hatte den Stil einer Dampfwalze, eine überlebensgroße Persönlichkeit. Er war ein Mann grenzenlosen Ehrgeizes, wirtschaftlich und politisch."
1992 wurde er zum ersten Mal unter der international anerkannten syrischen Schutzmacht Premierminister. Hariri führte das Land wie sein eigenes Unternehmen, er bildete mit zusätzlichen Institutionen eine Art Parallelregierung, die ihm das Durchsetzen seiner Projekte erleichterte.
Der Wirtschaftswissenschaftler und Ex-Minister Georges Corm wirft ihm diktatorischen Führungsstil vor.
Es sei ein Skandal, dass Hariri das Land mit einem enormen Schuldenberg überfrachtet habe – inzwischen sind diese Schulden auf mehr als 170 Prozent des Bruttosozialproduktes angewachsen: "Hariri hat Milliarden in den Wiederaufbau gepumpt, und 18 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges haben die Libanesen immer noch keine 24-stündige Stromversorgung." Trotzdem werde der Mythos von Hariris wunderbarem Wiederaufbau weiter getragen.
"Auf saudische Art korrupt"
Das Kalkül Hariris: Er setzte auf einen umfassenden Nahost-Frieden, in dessen Folge ein wirtschaftlicher Aufschwung Beirut in die Lage versetzen sollte, seine Schulden zurückzuzahlen. Doch dazu kam es nicht. Das Zentrum Beiruts ist zwar elegant wiederaufgebaut, aber normale Libanesen können dort die Mieten nicht bezahlen.
Immerhin habe Hariri in seinen zwei Amtszeiten von 1992 bis 1998 und von 2000 bis 2004 erreicht, dass das internationale Image des Libanon aufpoliert wurde, meint Buchautor Blanford. Außerdem habe er durch seine persönliche Reputation stattliche Finanzhilfen aus dem Ausland mobilisiert.
Die dunkle Seite des massiven Geldflusses jedoch war Korruption, die im Zedernstaat neue Höhepunkte erreichte. Dabei ging es weniger um Hariris Bereicherung, sagt Blanford. "Er war auf saudische Art korrupt, das heißt man benutzt Geld um Dinge zu erreichen. Du hast ein Problem und bewirfst es solange mit Geld bis es verschwindet."
Spannungen mit Syrien
Sein Stern begann zu sinken, als er 2004 versuchte, die Verlängerung der Amtszeit des pro-syrischen Präsidenten Emile Lahoud zu verhindern. Hariri, der sich selbst als Freund der Syrer bezeichnete und die syrischen Interessen im Libanon anerkannte, blitzte bei Präsident Bashar al Assad ab. Blanford: "Was Hariri ablehnte, war die Blockierung seiner eigenen politischen und wirtschaftlichen Projekte, vor allem durch pro-syrische Elemente im Libanon, die von Damaskus unterstützt wurden."
Zu ihnen gehörte Lahoud. Die Syrer hätten aber möglicherweise Einflüsterungen aus dem Libanon geglaubt, die vor Hariri als einer Gefahr für Damaskus warnten, sagt Blanford. "Nach all meinen Recherchen glaube ich, dass es eventuell ein tragisches Missverständnis war, das zu Hariris Tod geführt haben könnte."
Qantara.de
Syriens Rolle im Friedensprozess
Spielen mit den Schmuddelkindern
Syrien ist international isoliert. Doch Volker Perthes argumentiert, dass Damaskus auch eine konstruktive Rolle im Nahost-Friedensprozess spielen kann, wenn man zwischen seinen illegitimen und legitimen Asprüchen unterscheidet.
Religionszugehörigkeit im Libanon
Konfessionalismus als Auslaufmodell
Im Libanon gilt die starke Stellung der Religion in Politik und Alltag als ein wesentliches Hindernis für dauerhaften inneren Frieden. Eine Studie von Anne Francoise Weber untersucht den Alltag und die Einstellungen libanesischer Familien, in denen mehrere Konfessionen aufeinander treffen. Martina Sabra stellt die Erkenntnisse vor.
Interview mit Fawwaz Traboulsi
Ein kollektives Geschichtsbuch für den Libanon
Bekannt ist der Libanon als Schweiz des Nahen Ostens und als Schauplatz für Stellvertreterkriege. In seinem neuen Buch beleuchtet der Historiker und Politologe Dr. Fawwaz Traboulsi die wechselvolle Geschichte des Zedernstaates. Mona Sarkis sprach mit dem Autor.