Die desillusionierte "Generation Mubarak"

Der Sieger der ägyptischen Parlamentswahl am kommenden Sonntag steht mit Präsident Mubaraks Partei NDP schon so gut wie fest. Viele Ägypter in Deutschland haben deshalb kaum Hoffnung, dass sich an den sozialen und wirtschaftlichen Problemen in ihrem Heimatland etwas ändern wird. Einzelheiten von Theresa Tropper

Ägyptens Präsident Husni Mubarak; Foto: AP
"Die ganzen Wahlen sind eine Farce" - so denken viele Ägypter auch in Deutschland.

​​ Mehr als fünf Jahre ist es her, dass Hebatallah Ismail-Hafez von der ägyptischen Metropole Kairo nach Deutschland gezogen ist. Wenn an diesem Sonntag (28.11.2010) in ihrem Heimatland gewählt wird, ist ihr das trotzdem nicht gleichgültig. "Die ganzen Wahlen sind eine Farce", empört sie sich, "denn man weiß schon ganz genau, wie das Ergebnis lauten wird". Die Nationalpartei (NDP) werde auf jeden Fall gewinnen, aber die ganzen Umstände seien falsch. "Von daher ist es mir nicht egal, wie die Wahl ausgeht", sagt Hebatallah.

Auch Walid Abd El Gawad, der seit sieben Jahren in Ostdeutschland lebt und arbeitet, beobachtet die Politik in seinem Heimatland genau. Mit Freunden und Bekannten unterhält er sich deshalb auch über die Parlamentswahlen – obwohl das Thema meist nicht gerade für gute Laune sorgt: "Es ist eine relativ resignierte Stimmung da. Die Leute sprechen zwar über die Wahlen, aber niemand hat das Gefühl, dass man was ändern oder was bewirken kann. "

Warten auf den Wandel

Die Ursache dafür liegt vor allem in der Tatsache begründet, dass viele Ägypter noch keine Wahl erlebt haben, die etwas an den politischen Verhältnissen in ihrem Heimatland geändert hätte. "Seitdem ich auf dieser Welt bin, kenne ich nur einen Präsidenten", betont Hebatallah. "Dass er 30 Jahre und vielleicht noch weitere sechs Jahre regiert, das finde ich lächerlich. Das ist keine Demokratie." Die Bevölkerung werde immer ärmer und die regimenahen Kreise immer reicher. Das könne auf Dauer nicht funktionieren. "Ich wünsche mir deshalb, dass die Demokratie endlich auch in die Tat umgesetzt wird."

Dass das politische System Ägyptens keine echte Demokratie ist, wissen Hebatallah und Walid spätestens, seit sie zum ersten Mal Wahlen in Deutschland erlebt haben. "Hier ist mit Wahlen immer Hoffnung auf Veränderung verbunden", erklärt Walid. "Dieses Gefühl habe ich bei den ägyptischen Wahlen überhaupt nicht".

Briefwahl ist nicht möglich

Trotz allem würde er bei der Parlamentswahl gerne seine Stimme abgeben. Doch von Deutschland aus ist das nicht möglich, denn die Möglichkeit zur Briefwahl gibt es nicht. Um wählen zu können, müsste Walid nach Ägypten reisen – eine Mühe, die er diesmal nicht auf sich nehmen will, zumal nicht garantiert ist, dass er auch tatsächlich abstimmen darf. "Bei der Wahl vor fünf Jahren bin ich extra hingeflogen, um daran teilzunehmen", erinnert sich Walid. Anfangs hätten ihm die Behörden versprochen, er brauche dazu nur seinen Ausweis. Aber als er dann dort war, hätten sie gesagt, er brauche einen Wahlausweis. "Da habe ich gefragt, wie lange das denn dauert", erinnert sich Walid. "Und dann haben sie gesagt: ’Das dauert zwei bis drei Monate.’“

Wahlplakat mit Mubaraks Konterfei; Foto: AP
Will 2011 zum sechsten Mal kandidieren: Mubaraks Kampagne für die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr läuft bereits.

​​ Auch Hebatallah wird für die Parlamentswahl nicht extra nach Ägypten fliegen. "Ich wollte es machen", erklärt sie, "aber meine Mutter meinte: ’Heba, mach das lieber nicht. Sie könnten dich an der Grenze oder am Flughafen festhalten, weil du dann aktiv geworden bist’". Für das Regime seien die Ägypter im Ausland eine Gefahr, glaubt sie. "Aber bei den Präsidentschaftswahlen bin ich auf jeden Fall dabei", sagt Hebatallah. Die finden zwar erst im kommenden Jahr statt, aber eine Kampagne für Mubaraks Wiederwahl läuft bereits. Und das, obwohl er nach einer erneuten Amtszeit schon beinahe 90 Jahre alt wäre.

Kronprinz Gamal?

Ein Teil seiner Nationaldemokratischen Partei befürwortet deshalb die Kandidatur seines Sohnes Gamal. Für Heba ist der aber kein geeigneter Kandidat. Erstens habe er kein Charisma, das spiele eine Rolle. Aber das sei nicht der Hauptgrund: "In Ägypten sagen die Leute, er denkt nur dran, Geld zu haben. Das Land und die Leute selbst, die interessieren ihn weniger." Inakzeptabel wäre ein solcher "Machtwechsel" auch für Walid. Und das nicht nur, weil er keinerlei Hoffnung in Gamal Mubarak als Präsident setzt. "Selbst wenn er etwas Positives bewirken könnte, was ich selber nicht glaube: Ich als Ägypter bin absolut dagegen, dass mein Land, meine Heimat einfach vererbt wird an jemanden. Das ist nicht zu ertragen."

Gamal Mubarak; Foto: dpa
"Ich als Ägypter bin absolut dagegen, dass mein Land, meine Heimat einfach vererbt wird an jemanden. Das ist nicht zu ertragen", sagt Walid Abd El Gawad.

​​ Doch Alternativen zu Husni oder Gamal Mubarak sind kaum in Sicht. Die Opposition ist zerstritten und die bislang zweitstärkste Partei – die der Muslimbrüder – ist offiziell von den Wahlen ausgeschlossen. Ihre Kandidaten treten deshalb als Unabhängige an. Bei der vergangenen Wahl gewannen sie ein Fünftel aller Sitze im Parlament. Diesmal haben sie jedoch nur in einem Drittel der Wahlbezirke überhaupt Kandidaten aufgestellt. Hoffnung setzen viele in den früheren Leiter der internationalen Atomenergiebehörde und Friedensnobelpreisträger Mohamed el Baradei, der Anfang des Jahres in seine Heimat Ägypten zurückgekehrt war. Er darf aufgrund eines neuen Wahlgesetzes aber vermutlich gar nicht antreten. Walid bleibt also skeptisch, dass sich an der politischen Situation Ägyptens in naher Zukunft etwas ändern kann: "Ich habe die Hoffnung nicht verloren, aber ich bin auch realistisch."

Theresa Tropper

© Deutsche Welle 2010

Redaktion: Lewis Gropp/Qantara.de

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