Vergeltung auf der Leinwand

Der Film "Tal der Wölfe" zieht zurzeit Hunderttausende Menschen in die Kinos. Die Grundgeschichte ist authentisch, der Action-Teil nicht. Der Film sei extrem einseitig und hetzerisch, urteilen die Kritiker.

Von Helle Jeppesen

​​"Kurtlar Vadisi Irak" steht auch auf den deutschen Kino-Plakaten, meist ist der deutsche Titel "Tal der Wölfe" kaum zu finden. Kurz erzählt geht es in dem Film um einen Vorfall im Nordirak, der sich im Juli 2003 ereignete. Eine US-Einheit nahm elf türkische Soldaten fest, stülpte ihnen wie bei Terror-Verdächtigen Säcke über die Köpfe und führte sie ab.

Zwar wurden die elf Soldaten kurz darauf wieder freigelassen. Auch später wurden keine Folter-Vorwürfe erhoben. Doch die Fernsehbilder von damals haben tiefe Narben hinterlassen. So sieht es zumindest der türkische Schriftsteller Feridun Zaimoglu:

"Die Türken wollen sich diesen Film angucken, um gewissermaßen auch für die Schmach, die sie fühlen, die alle - ob sie jetzt wirklich glauben oder nicht, sich als Muslime fühlen - für die Schmach im Irak ein bisschen Vergeltung auf der Leinwand zu sehen."

Verhalten der USA als Affront

Das Verhältnis zwischen den USA und der Türkei ist traditionell gut, anti-amerikanische Ressentiments finden sich in der Türkei seltener als in anderen Staaten der islamischen Welt. Doch das Verhalten des NATO-Partners USA den türkischen Soldaten gegenüber war für viele Türken ein Affront: Die Soldaten wurden in ihren Augen gleichgesetzt mit Terroristen.

Im Film ist der Hintergrund für die Tat der alleinige Machtanspruch der Amerikaner in der Region. Leutnant Süleyman Aslan verkraftet die Beleidigung der Ehre seiner Truppe nicht und begeht Selbstmord.

Davor hat er jedoch dem Geheimagenten Polat Alemdar von dem Vorfall berichtet. Dieser fährt daraufhin mit einem Team in den Nordirak, um den schuldigen amerikanischen Kommandanten auszumachen und Licht in die Sache zu bringen.

Das reicht als Handlung natürlich nicht ganz. Deswegen wird auf der einen Seite gezeigt, wie amerikanische Soldaten mordend durch den Irak ziehen, Unschuldige misshandeln und das Minarett einer Moschee in die Luft sprengen. Außerdem sind die USA im Film in einen Handel mit Organen irakischer Häftlinge aus dem berüchtigten Gefängnis Abu Ghraib verwickelt, der von einem jüdischen Arzt kontrolliert wird.

Verspielte Glaubwürdigkeit der US-Amerikaner

Doch der Film spricht sich auch ausdrücklich und in schockierend drastischen Bildern gegen Selbstmordattentate und Geiselnahmen aus. Bei den meisten Türken, so der türkische Schriftsteller Feridun Zaimoglu, gehe es nicht so sehr um den Film als Action-Streifen, als vielmehr um die Verarbeitung des Ereignisses im Nordirak, das als zutiefst verletzend angesehen wird.

"Das Amerika, an das die Türken lange Zeit geglaubt haben, dass sie geliebt und gekannt haben, hat für die überwiegende Mehrheit der Türken seine Glaubwürdigkeit im Irak verspielt", meint Zaimoglu.

In der Türkei hatte der Film in über 500 Kinos landesweit Premiere – allein mehr als 370.000 Menschen kamen am ersten Tag. Türkische Politiker bezeichneten den Film gar als "historisches Ereignis". Ankaras Parlamentspräsident, Bülent Arinc, nannte den Film "prächtig" und auch die Ehefrau des türkischen Ministerpräsidenten, Emine Erdogan, beglückwünschte öffentlich die Macher des Films.

Helle Jeppesen

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2006

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