Emanzipiert und religiös

Das Kopftuch wird weitgehend als religiöses oder politisches Symbol interpretiert, das für die Unterdrückung der Frau oder für muslimischen Fundamentalismus steht. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine Studie zu diesem Thema herausgegeben.

Das Kopftuch wird weitgehend als religiöses oder politisches Symbol interpretiert, das für die Unterdrückung der Frau oder für muslimischen Fundamentalismus steht. Über die Motive der Frauen herrscht jedoch zumeist Unkenntnis. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine Studie zu diesem Thema herausgegeben. Ein Bericht von Sabine Ripperger

Frau mit Kopftuch; Foto: Konrad-Adenauer-Stiftung
"Es gibt doch eine überraschende Nähe zwischen den Einstellungen der Kopftuch tragenden Musliminnen und der Mehrheitsgesellschaft", sagt Christoph Kannengießer von der Konrad-Adenauer-Stiftung

​​Für die Studie "Das Kopftuch - Entschleierung eines Symbols?" der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Instituts für Interkulturelles Management (imap) wurden 315 türkischstämmige Frauen in Hamburg, Berlin, dem Rheinland und Stuttgart befragt.

Mit der Studie wolle man einen Zugang zur Gedankenwelt dieser Frauen finden und Antworten auf die Frage erhalten, wofür das Kopftuch aus der Perspektive seiner Trägerinnen stehe, erklärt Christoph Kannengießer, Stellvertretender Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Das ausschließliche Ziel der Studie war es demnach, sowohl den Symbolgehalt des Kopftuches für seine Trägerinnen, als auch ihre Motive und Einstellungen zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen zu ermitteln.

Querschnitt der muslimischen Gemeinde in Deutschland

Durchgeführt wurde die Befragung von zweisprachigen Interviewerinnen (türkisch/deutsch). Anhand eines zweisprachigen Fragebogens befragten sie in Moscheegemeinden Kopftuch tragende, türkischstämmige Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren. Es wurden überwiegend Frauen in die Studie miteinbezogen, die sich freiwillig für das Tragen des Kopftuchs entschieden haben.

Die Moscheegemeinden wurden so ausgewählt, dass sie einen Querschnitt des islamischen Lebens in Deutschland widerspiegeln. Das Spektrum reichte von Gemeinden, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, bis hin zu eher liberalen Gemeinden.

Die Studie sei allerdings wegen der geringen Zahl der Befragten und aufgrund der Tatsache, dass fast die Hälfte der Frauen Abitur oder einen Hochschulabschluß haben, nicht repräsentativ, räumte Kannengießer ein.

Die Aussagen seien deshalb nicht ohne weiteres auf alle muslimischen Kopftuchträgerinnen zu übertragen. Dennoch dürfe den Ergebnissen Aussagekraft über den befragten Personenkreis hinaus beigemessen werden, zumal es in Deutschland die erste Studie zu diesem Thema sei.

Subjektive Beweggründe im Vordergrund

Eines der Ergebnisse der Studie ist, dass die befragten Frauen das Kopftuch vor allem aus religiösen Gründen tragen. 97 Prozent der Befragten halten dies für eine religiöse Pflicht. Die Entscheidung für das Kopftuch stellte sich in den meisten Fällen als eine persönliche Entscheidung dar, die eher von Vater oder Mutter als durch Menschen außerhalb der Familie beeinflußt wird.

54 Prozent der befragten Frauen antworteten auf die Frage ob sie sich durch das Tragen des Kopftuches in der Gesellschaft benachteiligt sehen mit Ja, 18 Prozent waren unentschieden und 28 Prozent antworteten mit Nein.

Während sich in Fragen über Themen wie Partnerschaft, Freiheit, finanzielle Absicherung und sogar Kinderwunsch die Einstellungen der türkischen Kopftuchträgerinnen denen deutscher Frauen sehr ähnlich sind, gibt es jedoch große Unterschiede, die vor allem im Glauben begründet sind. Wie viele gläubige Muslime, sind auch die befragten Frauen von der Überlegenheit des Islam gegenüber anderen Religionen überzeugt.

Ein großer Teil der türkischstämmigen Kopftuchträgerinnen fühlt sich in Deutschland wenig heimisch. Die Verbundenheit mit der Türkei ist mit 71 Prozent deutlich höher als die mit Deutschland. 80 Prozent der Teilnehmerinnen gaben an, dass Türken in Deutschland wie Bürger zweiter Klasse behandelt würden.

Viele Übereinstimmungen

Christoph Kannengießer spricht von einem ambivalenten Bild, das sich aus der Studie ergebe, und hob auch die positiven Seiten hervor:

"Es gibt eine überraschende Nähe zwischen den Einstellungen der Kopftuch tragenden Musliminnen und der Mehrheitsgesellschaft. Es gibt jedoch auch eine Reihe von Erkenntnissen, von denen man sagen muss, dass sie auch Anlass zum Nachdenken geben – die relativ große Distanz zum Aufnahmeland, in dem die Frauen teilweise geboren sind, in dem sie jedenfalls schon sehr lange leben. In einen intensiven Dialog einzutreten, ist allerdings unerlässlich, da es um Einstellungen geht, die für die Integration in die Mehrheitsgesellschaft nicht günstig sind."

Die Studie mache deutlich, so Kannengießer, wie wichtig es sei, den Integrationsprozess hierzulande zu verbessern: "Fest steht, dass wir nicht zulassen dürfen, dass diese Frauen oder auch andere Gruppen sich in Deutschland isolieren. Dies ist ein Auftrag an die deutsche Gesellschaft, aber auch eine Aufforderung an die hier untersuchte Gruppe, sich stärker auf Integration einzulassen. Muslime sind inzwischen ein Teil der deutschen Gesellschaft, und dazu gehören auch die Kopftuch tragenden Mädchen und Frauen."

Die Ergebnisse der Studie ließen keinen gesicherten Rückschluss darauf zu, dass das Tragen eines Kopftuchs mit einem fragwürdigen Staats- und Demokratieverständnis einhergehe, betonte Christoph Kannengießer. Die Mehrheit der befragten Frauen sei von der Gleichheit der Menschen überzeugt, und es gebe keine Hinweise auf fundamentalistische Einstellungen.

Sabine Ripperger

© DEUTSCHE WELLE 2006

Frank Jessen, Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, "Das Kopftuch – Entschleierung eines Symbols?", Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin/Berlin, September 2006

Qantara.de

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Die Studie "Das Kopftuch - Entschleierung eines Symbols?" zum herunterladen