Finanzspritzen für Abschottung
Nach dem Strom von afrikanischen Flüchtlingen aus Mauretanien auf die Kanarischen Inseln steht das Thema illegale Einwanderung wieder einmal ganz oben auf der Agenda der EU. Doch eine Lösung für das tägliche Drama vor den Toren Europas war auch nach dem jüngsten Frühjahrsgipfel der EU-Staats- und Regierungschefs nicht zu erwarten.
"Die EU hat keine Antwort, wie das Sterben an den Außengrenzen eingedämmt werden kann. Stattdessen hat die strenge Überwachung der Grenzen dazu geführt, dass die Menschen immer längere und gefährlichere Routen wählen und somit auch mehr Todesopfer zu beklagen sind", sagt Karl Kopp von Pro-Asyl.
Route wandert gen Süden
Über viele Jahre versuchten die Einwanderer in kleinen Booten über die Meerenge von Gibraltar nach Spanien zu kommen. Diesen Weg nutzen nun nur noch wenige, nachdem die spanische Grenzpolizei mit EU-Geldern das High-Tech-Überwachungssystem SIVE installierte: An strategisch wichtigen Stellen der Südküste stehen nun Nachtsichtkameras und Radargeräte, die bis zu 20 Kilometer ins Meer sogar einen schwimmenden Fußball orten können. In dieses System wollen Spanien und die EU in den nächsten vier Jahren weitere 130 Millionen Euro investieren.
Statt über die Meerenge versuchte dann der große Teil der Flüchtlinge sein Glück über die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla. Mehrere Afrikaner starben bei dem Versuch, den Stacheldraht-Zaun zu überqueren, die Bilder sind noch in Erinnerung.
Die Grenzanlagen sind inzwischen weiter verstärkt worden, der Zaun ist jetzt an allen Stellen sechs Meter hoch, bis ins Meer hinein soll eine Barriere gebaut werden. Jetzt ist in den Exklaven die Lage ruhig.
Die Hauptroute geht seit Anfang des Jahres von Mauretanien über das offene Meer auf die Kanarischen Inseln. Insgesamt 3500 Afrikaner sind dort mit ihren Booten gelandet. Viele schafften es aber nicht. Nach Angaben der spanischen Polizei ertranken allein im November und Dezember zwischen 1200 und 1700 Afrikaner, die Dunkelziffer liegt weit darüber.
EU-Parlamentarier: Weniger Geld in die Repression
Die Reaktion der EU auf dieses Drama laufe ab wie ein Ritual, sagt Kopp. "Alle sind geschockt über die an den Touristenstränden angeschwemmten Leichen.
Delegationen werden dann nach Mauretanien geschickt. Es wird davon gesprochen, den Grenzschutz zu stärken. Aufnahmekapazitäten sollen geschaffen werden." Die spanische Regierung schickte Patrouillenboote, stellte 7,5 Millionen Euro für Notversorgung, spanische Ingenieure sollen nun ein Aufnahmelager errichten.
EU-Parlamentarier wie Wolfgang Kreissl-Dörfler von der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament (PSE) kritisieren, dass die EU noch zu viel Geld für Polizeimaßnahmen und Grenzsicherung ausgibt. "Im Moment ist man zu stark auf die repressiven Maßnahmen fixiert", sagt Kreissl-Dörfler. Die EU müsse sich endlich zu einer gemeinsamen Flüchtlings- und Migrationspolitik durchringen.
"Solange die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern der Einwanderer nicht verbessert werden, wird der Flüchtlingsstrom nicht abebben", sagt der Parlamentarier.
Und Ewa Klamt von der christdemokratischen Fraktion (EVP-ED) meint: "Wir investieren noch zu wenig in die Hilfe vor Ort. Wir sollten bedenken: Jeder Flüchtling, der bei uns ankommt, kostet weit mehr Geld, als das, was wir dort in die Herkunftsländer investieren würden. "
Wohin fließt das Geld?
Allerdings stimmen beide Parlamentarier darin überein, Transitländer wie Marokko oder Libyen finanziell weiter zu unterstützen. Es müsse jedoch die Verwendung des Geldes nachvollziehbar sein. Das Geld dürfe nicht versickern.
"Einwanderung ist inzwischen ein Riesengeschäft. Und es ist ja ein offenes Geheimnis, dass auch hohe Militärs in das Schlepperwesen verwickelt sind", sagt Kreissl-Dörfler, der wie Klamt Ceuta und Melilla im Dezember besuchte. Kreissl-Dörfler muss aber einräumen, dass eine Kontrolle über die Verwendung der Gelder schwierig ist. "Hier ist es auch Aufgabe der Kommission genauer hinzusehen".
Vor allem müsse die EU darauf drängen, dass mit den Einwanderern menschenwürdig umgegangen wird, so der Parlamentarier. Das ist derzeit aber noch weitgehend eine Wunschvorstellung. Das zeigt das Beispiel Marokko: Jose Palazón von der Organisation Prodein kümmert sich seit Jahren um Einwanderer in Melilla.
Er berichtet, dass marokkanische Sicherheitsbehörden nach wie vor gewaltsam gegen Afrikaner vorgehen, die sich in den Wäldern um Melilla aufhalten. "Sie haben der einheimischen Bevölkerung verboten, den Einwanderern zu essen und zu trinken zu geben", sagt Palazón. "Für die Betreuung der Einwanderer verwendet Marokko doch nicht einen Cent."
Nach dem Anstrum auf die Exklaven in Ceuta und Melilla hatte die EU Marokko 40 Millionen in Aussicht gestellt, vor allem für Polizeimaßnahmen und Grenzsicherung. Laut Klamt ist dieses Geld kurioserweise noch nicht abgerufen worden. Offenbar waren die Bedingungen noch nicht geklärt, unter denen das Geld ausbezahlt werden soll.
"Es ist wichtig, mit Marokko vernünftig zu verhandeln. Wenn wir mit Marokko einen guten Weg finden, wie wir Hilfe leisten können, dann besteht die Hoffnung, dass auch weitere Länder wie Algerien diesem Beispiel folgen würden", sagt Klamt.
Steffen Leidel
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2006
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