Votum gegen Korruption und Vetternwirtschaft
Der Erfolg der Hamas bei der palästinensischen Parlamentswahl wirft seine Schatten auf die bisherige Politik der Fatah und der Autonomiebehörde. Viele Palästinenser wählten die Hamas vor allem wegen ihres sozialen Engagements und Status der Unbestechlichkeit, meint Peter Philipp.
Dass die islamistische "Hamas" ein ernsthafter Konkurrent für die "Fatah" sein würde, stand bereits vor den Wahlen fest.
Dass sie aber die absolute Mehrheit gewinnen und diese Regierung selbst bilden könnte, das hatten wohl selbst die Anhänger der Bewegung und ihre Wähler nicht für möglich gehalten.
Protestwahl gegen Fatah-Führung
Für die Wähler war die bisherige Führungskraft "Fatah" an einem Scheidepunkt angelangt: Sie muss sich Korruption vorwerfen lassen, vor allem aber auch: Erfolglosigkeit beim Versuch, eine Friedensregelung mit Israel zu erlangen.
"Hamas" hingegen steht bei den Wählern für soziales Engagement und Unbestechlichkeit. Dass "Hamas" auch für die Ablehnung Israels und des Friedensprozesses steht, wie für eine lange Kette von Terroranschlägen – das dürfte für den Wähler nur von zweit- und drittrangiger Bedeutung gewesen sein.
"Fatah"-Chef Mahmoud Abbas machte noch gute Miene zum bösen Spiel: Der Palästinenserpräsident hatte anfangs wissen lassen, dass er sich durchaus eine Koalition mit "Hamas" vorstellen könne. Unter der Voraussetzung freilich, dass diese seinen politischen Kurs akzeptiere. Und der heiße unverändert: Verhandlungen und Frieden mit Israel.
Nahostfriedensprozess auf den Prüfstand
Da "Hamas" nun die Regierung bilden soll, sind solche Pläne obsolet. Es sei denn, "Hamas" versteht selbst, dass es keine Fortschritte im israelisch-palästinensischen Konflikt geben kann, wenn die palästinensische Seite auf die harte und kompromisslose Linie von vor den Oslo-Verträgen zurückkehrt, Israels Existenzrecht ablehnt und Gewalt und Terror durch Durchsetzung ihrer Ziele anwendet.
Im Wahlkampf hatte "Hamas" solche Thesen nicht verwendet, sie sind aber weiterhin fester Bestandteil ihres Programms. Und es muss deswegen ernsthaft bezweifelt werden, wie unter diesen Umständen ein Neubeginn der Friedensbemühungen gemacht werden kann. Zumal "Hamas" eine Partei ist, deren Programm auch vielen Palästinensern wegen seiner religiösen Ausrichtung nicht gefällt.
Dabei war gerade in Israel schon vor den Wahlen klar, dass ein Einzug von "Hamas" in eine palästinensische Regierung nicht nur den Israelis Kopfschmerzen bereiten würde, sondern auch den USA und der EU: Alle haben "Hamas" bisher als Terrororganisation eingestuft und verboten und es erscheint auf den ersten Blick schwer vorstellbar, wie man diese nun plötzlich als "salonfähig" betrachten sollte.
Washington hat immerhin angedeutet, wie das geschehen könnte: Man könne weiterhin mit der palästinensischen Regierung sprechen, dabei aber die "Hamas"-Mitglieder ausklammern. Eine Lösung, wie man sie bereits gegenüber dem Libanon praktiziert, wo man nicht mit der im Kabinett vertretenen "Hisb Allah" spricht, die im Westen – wie "Hamas" – als Terrororganisation eingestuft wird. Eine Lösung aber auch, die nicht anwendbar ist, wenn "Hamas" in der Regierung die führende Kraft ist.
Peter Philipp
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2006
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