Literarischer Paradigmenwechsel
Als der ägyptische Romancier Nagib Mahfouz im Jahr 1988 den ersten (und bislang auch letzten) Nobelpreis für einen arabischsprachigen Autoren bekam, bestand allgemein die Hoffnung, dass dies zu einem Durchbruch der arabischen Literatur im Westen, einschließlich Großbritanniens, führen würde. Lange Jahre aber blieb dies bloß eine Hoffnung.
Sicherlich, einige arabische Autoren gelangten in englischer Übersetzung zu einem gewissen Ruhm, und doch war dies alles nichts verglichen mit der Liebe der Briten etwa zum "magischen Realismus" Lateinamerikas oder den Literaturen Russlands und Osteuropas, oder auch zu den Romanen von Autoren vom indischen Subkontinent.
Arabische Literatur im Blickpunkt
Momentan aber ändert sich dieses Bild auf geradezu dramatische Weise. Dies wurde erst jüngst auf der dreitägigen Londoner Buchmesse (LBF) ersichtlich, die in diesem Jahr die Literatur der arabischen Welt in Blickpunkt rückte.
Um die 100 arabische Verlage und Kulturinstitutionen stellten dort aus. Die LBF organisierte zudem – gemeinsam mit dem British Council – ein Seminarprogramm, an dem mehr als 60 arabische Schriftsteller, Verleger und Wissenschaftler teilnahmen, die meisten von ihnen kamen aus dem Ausland.
Zu den weiteren Attraktionen gehörte ein "Frühstück mit Bahaa Taher" im englischen PEN-Literaturcafé, bei dem die Journalistin Maya Jaggi den Romancier und Nestor der ägyptischen Literatur interviewte. Taher gewann erst kürzlich den erstmals verliehenen International Prize for Arabic Fiction (IPAF) für sein Buch "Sunset Oasis".
Kulturelle Impulse aus der Golfregion
Der IPAF, mit 60.000 US-Dollar für den Gewinner dotiert, wird von der "Emirates Foundation" in Abu Dhabi gestiftet und wird in Zusammenarbeit mit der Booker Prize Foundation verliehen. Die LBF und das British Council holten alle sechs Autoren der IPAF-Shortlist zur Messe. Der Preis sorgt für viel frischen Wind für die Übersetzungen aus dem Arabischen, denn der IPAF garantiert dem Sieger eine Übersetzung ins Englische.
Nicht nur rücken auf diese Weise Übersetzungen aus dem Arabischen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, zugleich stellte die LBF auch zwei ehrgeizige Projekte aus den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, die sich der Übertragung englischsprachiger Werke ins Arabische annehmen.
Zum einen "Kalima", eine Initiative der "Abu Dhabi Authority for Culture and Heritage", bei der 100 Bücher pro Jahr übersetzt werden sollen – zum anderen "Tarjem", ein Programm der "Mohammed Bin Rashid Al-Maktoum Foundation" in Dubai, das über drei Jahre sogar 1.000 Werke ins Arabische übersetzen lassen will.
Auch die Anwesenheit des ägyptischen Romanautoren Alaa Al-Aswani sorgte für viel Gesprächsstoff. Al-Aswani erlebte mit seinem Buch "Der Jakubijan-Bau" in der arabischen Welt wie darüber hinaus einen geradezu phänomenalen Erfolg, wofür nicht zuletzt auch der nach dem Roman gedrehte Film sorgte.
Er war zweifellos der "Autor des Tages" am zweiten Messetag. Die englische Übersetzung des zweiten Romans Al-Aswanis, die für September dieses Jahres in Chicago angekündigt ist, wird mit Spannung erwartet.
Al-Aswani studierte Zahnmedizin an der University of Illinois in Chicago und zufälligerweise befindet sich an ebenjener Universität und gar an der gleichen Fakultät noch eine andere arabische Bestseller-Autorin: die aus Saudi-Arabien stammende Postdoktorandin Rajaa Alsanea, die ebenfalls viel Aufmerksamkeit auf der Buchmesse bekam.
Ihr erster Roman ("Die Girls von Riad") war schon auf Arabisch ein phänomenaler Erfolg und wurde bereits in 23 Sprachen übersetzt. Die vom Verlag Penguin herausgegebene englische Taschenbuchausgabe wird im Juni herauskommen. Wohl alle Verleger, egal ob arabische oder westliche, sind eifrig auf der Suche nach dem nächsten Al-Aswani oder der nächsten Alsanea.
Eine Vielzahl von Initiativen
Margaret Obank, Herausgeberin von Banipal, dem Magazin für arabische Literatur, bemerkt dazu: "Es gibt mittlerweile eine wachsende Zahl von britischen Verlagen, die arabische Autoren in Übersetzung veröffentlichen.
Hinzukommt ein neues Verlagshaus, Arabia Books, ein Joint Venture von Arcadia Books und Haus Publishing, das sich besonders den fiktionalen Texten aus dem arabischsprachigen Raum annimmt und sich vor allem der großen Zahl der Veröffentlichungen des Verlages der American University of Cairo (AUC) widmet.
Einer der Gründe für den Übersetzungs-Boom arabischer Literatur ist sicher in der Gründung der Zeitschrift Banipal vor nun zehn Jahren zu finden. Banipal selbst begann übersetzte Belletristik herauszugeben und etablierte den "Saif Ghobash-Banipal Prize for Arabic Literary Translation". Das jüngste Projekt ist die, gemeinsam mit dem Arab-British Centre konzipierte Errichtung einer Bibliothek für moderne arabische Literatur in London.
Ein deutliches Zeichen für die weltweit gestiegene Beachtung für die arabische Literatur ist auch darin zu sehen, dass auf der acht Schriftsteller umfassenden Shortlist des vielleicht renommiertesten internationalen Literaturpreises, dem "International IMPAC Dublin Literary Award", nicht weniger als drei arabischsprachige Autoren zu finden sind. Der Preis, dotiert mit 100.000 Euro, steht englischsprachigen oder ins Englische übersetzten Romanen offen.
So ist einer der Romane auf der Shortlist, das Buch "De Niro's Game" des in Kanada lebenden Libanesen Rawi Hage, auf Englisch geschrieben, während Yasmina Khadras "Die Attentäterin" aus dem Französischen übersetzt wurde. Und der Palästinenser Sayed Kashua, der mit seinem Buch "Da ward es morgen" auf der Shortlist steht, auf Hebräisch schreibt. All dies zeugt von der Vielfalt und dem Reichtum der gegenwärtigen arabischen Literatur.
Susannah Tarbush
© Qantara.de 2008
Übersetzung aus dem Deutschen von Daniel Kiecol
Qantara.de
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Interview mit Alaa Al-Aswani
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Dossier
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Die Literatur ist immer ein zentrales Medium des Kulturdialogs. Dabei sind es oft Aktivitäten, die im Kleinen, ja Verborgenen stattfinden: Übersetzer und Verleger, die sich am Rande des Existenzminimums um die geliebte fremde Kultur verdient machen. Wir präsentieren deutsche und arabische Initiativen.