Der Traum von der schnellen Karriere

Junge afrikanische Fußballprofis verlassen ihre Heimat oft, um in einem europäischen Spitzenklub Karriere zu machen. Doch deren Erwartungen erfüllen sich dort nicht immer.

Von Birgit Morgenrath

Fünf Mannschaften aus Afrika treten bei dieser WM an, und zwar drei Außenseiter - Angola, Togo und Ghana - sowie zwei Mannschaften, die etwas bekannter sind: Elfenbeinküste und Tunesien.

Seit der WM 1990, als die "unzähmbaren Löwen" aus Kamerun die Argentinier im Eröffnungsspiel besiegten und die Stürmerlegende Roger Milla die Afrikaner bis ins Viertelfinale tanzte, ist afrikanischer Fußball im Bewusstsein der Europäer angekommen und etliche Spieler aus dem Süden sind inzwischen aus der Bundesliga nicht mehr wegzudenken.

Zweli und Thabiso vom FC Kagiso, einem von Tausenden kleinen Klubs in Südafrika, kennen alle internationalen Stars. Sie selbst kicken auf staubigen Plätzen, mit großer Leidenschaft, meist ohne richtige Fußbälle, ohne Tore und Trikots. Beim Finale eines Jugendturniers ist Thabiso zuversichtlich: "Wir wollen gewinnen! Ja ich sage: fünf zu null. Und ich werde drei der Tore schießen! Man kennt mich - mein Spitzname ist: Ronaldinho!"

Reich und berühmt werden

Überall in Afrika träumen Millionen Jungen vom Sprung nach Europa, von der glänzenden Karriere und dem großen Geld - auch, um ihre Familien zu unterstützen. Wie der 17-jährige Busiso Ndlandse von der Fußballschule des Johannesburger Spitzenklubs Orlando Pirates.

"Wenn ich Geld verdiene, kann ich meiner Familie helfen", erklärt Busiso. "Meine Schwestern gehen zur Schule, und was immer meine Mutter braucht, helfe ich ihr mit dem Geld. Sie erwarten viel von mir, weil sie denken, dass ich eines Tages berühmt sein werde. Ich unterstütze meine Familie gerne. Genauso wie meine Mutter mich unterstützt hat."

Der afrikanische Fußball befindet sich in einem desolaten Zustand. Topsportler verlassen das Land, das Niveau der Spiele verkümmert, weniger Besucher und sinkende Einnahmen sind die Folge - ein Teufelskreis. In Kamerun zum Beispiel zahlt nur ein einziger Verein seinen Spielern regelmäßig ein ausreichendes Gehalt.

"95 Prozent der Klubs haben nicht einmal eine Adresse. Man weiß nicht, wohin man ein Dokument faxen soll oder wo man sie erreichen kann", sagt Martin Etonge vom kamerunischen Fußballverband. "So ein Verein wird von zwei Leuten gemacht und sie tragen alles in der Tasche, die Stempel die Siegel, alles."

Scouts locken junge Spieler nach Europa

Kamerun ist keine Ausnahme in Afrika. Die Spitzenvereine etwa in Ghana oder Nigeria erreichen selten die Etats eines deutschen Vereins in der Regionalliga. Der afrikanische Dachverband zahlt jedem Klub jährlich 200 000 Euro. Die UEFA hat in der letzten Saison allein aus den Einnahmen der Champions League seinen Mannschaften je 17 Millionen Euro ausschütten können. Daher versuchen junge afrikanische Spieler mit allen Mitteln, ihre Länder zu verlassen.

"Sie wollen unbedingt in die Nationalmannschaft. Und sie versuchen, ihr Alter zu senken, um in der Juniormannschaft spielen zu können", erklärt Martin Etonge. "Letztens mussten von 25 Spielern aus der Vorauswahl für das Team der unter 20-Jährigen sieben gehen, weil sie ihr Alter falsch angegeben hatten."

Vom Nationalteam ist der Sprung in die internationalen Fußball-Arenen schon kürzer. Das läuft über die regulären Transfers zwischen den Vereinen. Aber parallel dazu blüht der Schwarzmarkt. Scouts locken afrikanische Talente nach Europa und hoffen, dass ihr Marktwert in kurzer Zeit um ein Vielfaches steigt. Das europäische Zentrum dieses internationalen "Spieler-Handels" liegt in Belgien. Martin Etonge vom kamerunischen Fußballverband kennt das Geschäft.

"Boatpeople des Fußballs"

Er sagt, dass im Jahr 2003 sein Fußballverband bekannt gegeben habe, dass mindestens 400 Kameruner in Europa spielen. Allerdings spielen nur 50 davon regelmäßig in einem Klub. Der Rest irre verloren umher und mühe sich ab, irgendwo Fußball zu spielen:

"Wie sie das Land verlassen haben, weiß keiner", meint Etonge. "Wir hören dann erst von ihnen, wenn sie anrufen: ‚Ich habe einen Klub, die brauchen aber jetzt einen Beleg von mir. Bitte könnt ihr dem Klub faxen, dass ich in Kamerun gespielt habe?' Aber wie sollen wir das machen? Manchmal weiß man gar nicht, wo sie angeblich gespielt haben. Sie gehen nach Europa und geben irgendwelche Namen an, von Klubs, die nie existiert haben."

Schätzungen zufolge halten sich 2500 illegale afrikanische Spieler in Italien auf, 500 in Belgien und bis zu 300 in der Türkei - die "Boatpeople des Fußballs". Trotz allem stirbt die Hoffnung zuletzt. Der Weg nach Europa führt über das Fußballfeld, auch für den stolzen Nachwuchs aus Südafrika, wo die WM 2010 stattfinden wird.

"Ich möchte ein professioneller Spieler werden, wie die Beckhams, Zidanes oder Ronaldinos heute, das ist mein Traum", schwärmt Sameegh Doutie von Ajax Capetown. Sein Ziel sei kein südafrikanischer Klub. Er möchte noch viel höher hinaus. Er fügt noch hinzu: "Ich will das hauptsächlich wegen des Geldes, ja es ist wohl das Geld."

Birgit Morgenrath

© DEUTSCHE WELLE 2006

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