Die Hoffnung einer ganzen Generation

Nach einem Jahrzehnt des Krieges herrscht Frieden im Südsudan. Nun haben sich erstmals Nachwuchsmannschaften des Landes für große Fußballturniere qualifiziert. Die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft sind groß. Von Lolade Adewuyi

Von Lolade Adewuyi

Als der Südsudan im November 2022 im Halbfinale der ostafrikanischen CECAFA U20-Regionalmeisterschaft in Omdurman Äthiopien besiegte, herrschte großer Jubel in Khartums Schwesterstadt. Der Sieg bedeutete die Qualifikation für den U20-Afrika-Cup, das erste kontinentale Turnier für eine Mannschaft aus dem Südsudan. Es war die vorläufige Krönung nach langer harter Arbeit in der Zeit nach dem Ende des Bürgerkrieges in dem nordafrikanischen Land. "Die ganze Mannschaft hat sich auf das Spielfeld fallen lassen und geweint", sagte Mannschaftskapitän Joseph Loro der Deutschen Welle (DW). "Wir waren so emotional, wir konnten unser Glück gar nicht in Worte fassen. Es war das Größte, was in unserem Leben passiert ist."

Der Fußball im Südsudan hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Weniger als einen Monat bevor sich die U20 qualifizieren konnte, hatte auch die U17-Mannschaft des Landes über die regionalen Qualifikationsturniere ihr Ticket für die Junioren-Kontinentalmeisterschaft gelöst und große Freude im Land entfacht. 

Man habe sich von der Leistung der U17 inspirieren lassen, erklärt Joseph Loro. Seine Mannschaft sei entschlossen gewesen, es ebenfalls zu schaffen. Man habe sehr hart für den Erfolg gekämpft, so der U20-Kapitän. Er freue sich, dass er und seine Mannschaft die Menschen im Südsudan überraschen konnten und sie das nordafrikanische Land "auf die Fußball-Landkarte gebracht haben".

Der 1,97 Meter große Kapitän und sein Team repräsentieren eine neue Generation des Fußballs im Südsudan. Sie hoffen, dass der Fußball ihnen helfen kann, die Geschichte des Landes zu verändern, das bisher überwiegend für seine Konflikte bekannt ist.

Südsudans U20-Spieler mit Joseph Loro in weiß zweiter von links; Foto: South Sudan Football Association/Facebook
"Everybody had somebody that was affected by the conflict":



Der Bürgerkrieg im Südsudan forderte in den ersten zehn Jahren nach der Unabhängigkeit vom Sudan im Juli 2011 mehr als 400.000 Menschenleben. Auch Joseph Loros Vater wurde zum Opfer dieses Konflikts. "Jeder hatte jemanden, der von dem Konflikt betroffen war", erinnert sich der 18-Jährige, der bei seiner Mutter aufwuchs. "Aber wir sind zusammengekommen, um unser Land zu vertreten und die Vergangenheit zu vergessen."

Mittlerweile kann der Mittelfeldspieler seinen Lebensunterhalt durch den Fußball finanzieren. Entdeckt wurde Loro von Bilal Felix, dem heutigen Trainer der U17-Nationalmannschaft. Bei Fußballspielen in einem Stadtteil der südsudanesischen Hauptstadt Juba konnte Loro die Aufmerksamkeit des Trainers gewinnen. Er schloss sich einer Fußballakademie an und wurde vom lokalen Verein Munuki FC unter Vertrag genommen. Loros neuer Klub übernahm die Schulgebühren und mit seinem Gehalt kann der Fußballer nun auch seine Familie finanziell unterstützen.

"Fußball bringt Menschen zusammen"

Als er in die Nationalmannschaft berufen wurde, hatte der Mittelfeldspieler bereits Führungsqualitäten entwickelt und wurde zum Kapitän ernannt. Seine Mitspieler kamen aus dem Südsudan, aber auch aus südsudanesischen Communities in Kenia, Uganda und Ägypten, wohin sie durch den Bürgerkrieg vertrieben worden waren.

"Fußball bringt Menschen wieder zusammen - und zwar über alle Ethnien hinweg. Die Menschen, die auf dem Platz spielen, fragen sich nicht: 'Woher kommst du?' Sie sind einfach Teamkollegen", sagt Augustino Maduot, Präsident des südsudanesischen Fußballverbands SSFA, gegenüber der DW. "Das bringt Hoffnung für den Frieden. Es ist ein Mittel und ein Werkzeug, um all die Konflikte zu überwinden, die unsere Gesellschaft spalten."

Die jahrelangen Kämpfe forderten ihren Tribut im Land und ließen den Fußball und andere kulturelle Aktivitäten unterentwickelt zurück. Doch seit der Unterzeichnung eines Friedensabkommens im Jahr 2020 hat sich der Fußball im Südsudan weiterentwickelt. "Es ist klar, dass die Entwicklung beeinträchtigt wird, wenn es Probleme gibt, und genau das ist passiert", erklärt Maduot, "weil der Sport in Zeiten des Bürgerkriegs einfach keine Priorität hatte." Jetzt, in Friedenszeiten, sei es ruhig geworden, sagt Maduot "und wir können alle unsere Organisationen und Gebiete erreichen, damit die Spieler wieder spielen können."

Maduots Arbeit konzentrierte sich überwiegend auf den Jugendfußball, die Entwicklung des Frauenfußballs und die Ausbildung von Trainern und anderen Funktionären. Doch das Land braucht auch mehr Infrastruktur, beispielsweise hochwertige Trainingsplätze zur Weiterentwicklungen des Fußballs.

Der Krieg ist nicht die einzige Ursache für die fehlende Infrastruktur im Südsudan. Der ehemalige SSFA-Präsident Chobur Goc wurde von der FIFA für zehn Jahre ausgeschlossen, nachdem er sich 2019 durch Korruption um knapp 500.000 Euro bereichert hatte, die er aus FIFA-Zuschüssen an den südsudanesischen Verband entnommen hatte.

 

 

"Jungen Menschen eine Chance geben"

Die Südsudanesen verfügen über eine Fülle von Fußballtalenten. Alleine vier junge Männer aus der südsudanesischen Diaspora spielten bei der FIFA-Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Garang Kuol, Awer Mabil und Thomas Deng gehörten zum Kader der australischen Nationalmannschaft. Die Familien der Spieler waren während des Krieges nach Australien geflohen. Der ehemalige Bundesligaspieler von Borussia Mönchengladbach, Denis Zakaria, dessen Vater Südsudanese ist, gehörte zum Schweizer WM-Team. "Die Südsudanesen sind bekannt für ihre Widerstandsfähigkeit und ihr Fußball-Talent", sagt Augustino Maduot. "Wir müssen diesen jungen Menschen eine Chance geben."

Er hofft, die Jugendmannschaften so weiter zu entwickeln, dass es in Zukunft auch eine A-Nationalmannschaft gibt, die beim Afrika Cup und bei Weltmeisterschaften antreten kann. "Wir haben einen Traum", sagt Maduot. Wann er sich erfüllen wird, sei eine Frage der Zeit. 

Joseph Loro hofft, dass er seine Mannschaft als Kapitän beim U20-Afrika-Cup in Ägypten im Februar anführen kann. Dort treffen die Südsudanesen auf Uganda, die Zentralafrikanische Republik und den Kongo. Das Turnier ist ein großes Schaufenster für junge Talente. Ein gutes Abschneiden des Südsudan würde die Chance für die Nachwuchsspieler erhöhen, von Scouts der großen Klubs entdeckt zu werden.

"Einige unserer Gegner wissen nicht einmal, wo unser Land auf der Landkarte liegt", sagt Loro. "Wir werden uns nicht ausruhen und nicht aufhören, uns weiter zu entwickeln. Unser Ziel ist es, uns für die U20-WM zu qualifizieren." So wolle man auch den Druck auf die U17 hochhalten, damit sie ebenfalls weiterhin alles gibt.

Lolade Adewuyi

© Deutsche Welle 2023

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.