Neue Perspektiven für den Fußball in Nahost

Die Ankündigung von Saudi-Arabien und Iran im März, man werde wieder diplomatische Beziehungen aufnehmen, hat viele überrascht. Nun besteht die Hoffnung, dass auch der Fußball in der gesamten Region davon profitieren wird. Von John Duerden

Von John Duerden

"Der Fußball im Iran steckt im Schlamassel, und das schon seit langem", sagt Ehsan Rahman der Deutschen Welle (DW). Rahman lebt in Teheran und ist Fußball-Fan. Sein Herz hängt am Teheraner Klub Esteghlal. "Es gibt viele Probleme, aber es ist schwer, sie zu lösen, weil kein Geld da ist - sehen Sie sich nur an, was bei meinem Verein passiert."

Im März gab Esteghlal, traditionell einer der größten Vereine Asiens, seinen Fans eine Bankverbindung bekannt. Der Klub benötigte Geld, um seine Schulden beim früheren Trainer Andrea Stramaccioni zu begleichen. Der Italiener war im Dezember 2019 von seinem Posten zurückgetreten, weil Esteghlal die Gehälter des Trainers und seines Stabs nicht mehr bezahlen konnte. Hätte man die Schulden nun nicht nachträglich doch noch beglichen, wäre der Verein vom Fußball-Weltverband FIFA sanktioniert worden.

Isolation des Iran

Sanktionen bereiten den iranischen Vereinen die größten Probleme - allerdings nicht die der FIFA, sondern jene, die die internationale Gemeinschaft, allen voran die Vereinigten Staaten, gegen den Iran verhängt haben. Dem Land wird beispielsweise der Zugang zum internationalen Zahlungssystem SWIFT verwehrt. Damit ist es auch für iranische Fußballklubs schwierig, Geld aus anderen Ländern zu erhalten.

Zudem ist der Staat international weitgehend isoliert. "Für den Iran ist es schwierig, Freundschaftsspiele zu bestreiten, da viele Länder nicht gegen uns spielen wollen oder wissen, dass ihre Regierung unseren Spielern keine Visa erteilt", sagt Rahman. "Es ist anstrengend, ein Fußballfan im Iran zu sein."

Iranische Fußballmannschaft bei der WM in Katar 2022; Foto: AFP
Großes Potential, fehlende Mittel: Die internationalen Sanktionen gegen Iran machen es auch den Fußballclubs schwer, obwohl Irans Spieler viel Potential mitbringen. Zudem ist der Staat international weitgehend isoliert. "Für den Iran ist es schwierig, Freundschaftsspiele zu bestreiten, da viele Länder nicht gegen uns spielen wollen oder wissen, dass ihre Regierung unseren Spielern keine Visa erteilt", sagt Fußballfan Rahman aus Teheran. "Es ist anstrengend, ein Fußballfan im Iran zu sein. Der iranische Fußball ist auf jede Hilfe angewiesen, die er bekommen kann".



Es gibt jedoch auch positive Nachrichten. Am 10. März wurde in Peking verkündet, dass der Iran und Saudi-Arabien wieder die diplomatischen Beziehungen aufnehmen, die sie vor sieben Jahren abgebrochen hatten. Das macht nicht nur den Fußballfans in Teheran und Riad, sondern im gesamten Nahen Osten Hoffnung. "Der iranische Fußball ist auf jede Hilfe angewiesen, die er bekommen kann", meint Rahman.

Investitionen aus Saudi-Arabien

"Die verbesserten Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Iran bringen die beiden sportlichen Kraftzentren des Nahen Ostens zusammen", sagt Simon Chadwick, Professor für Sport und Geopolitische Ökonomie an der SKEMA Business School in Frankreich, im Gespräch mit der DW. "Angesichts des bedeutenden saudi-arabischen Investitionsprogramms für den Sport könnten wir sehen, dass auch Geld auf der anderen Seite des Meeres, im Iran ausgegeben wird."

Der saudische Finanzminister Mohammed Al-Jadaan sagte in einem Fernsehinterview am 15. März, "sehr schnell" werde es bedeutende Investitionen im Iran geben. Wissenschaftler Chadwick sieht ein riesiges Potenzial in einem Land, das sich für den Fußball begeistert: "Der iranische Fußball verdient mehr Beachtung, als er derzeit hat. In ganz Asien besteht die Chance, den Status und das Ansehen des iranischen Fußballs zu festigen."

Neue Verdienstmöglichkeiten für iranische Spieler

Saudi-Arabien verfügt derzeit über eine der sportlich besten Ligen Asiens - und die finanzstärkste. Im Dezember überraschte der Verein Al-Nassr aus Riad die Welt mit der Verpflichtung des portugiesischen Superstars Cristiano Ronaldo. Iranische Fußballer sind in der saudischen Liga nicht vertreten. Noch nicht. "Iranische Spieler genießen in der AFC (dem Asiatischen Fußballverband Asian Football Confederation - Anm. d. Red.) einen guten Ruf. Ihre Fähigkeiten und ihr Talent sind hoch angesehen", sagt Baljit Rihal, ein auf Asien spezialisierter Spielervermittler, der DW. "Die saudischen Vereine investieren derzeit stark in den Sport und sind immer auf der Suche nach talentierten Spielern."

Jeder saudische Verein darf acht ausländische Spieler verpflichten, von denen jedoch einer aus einem anderen asiatischen Land stammen muss. Für Rihal stellt das eine potenzielle Win-Win-Situation dar: "Ich gehe davon aus, dass die saudischen Vereine sehr daran interessiert sein werden, die besten iranischen Profis zu verpflichten."

Fußballspiel Iran gegen Libanon ohne weibliche zuschauer; Foto: Getty Images
Hoffnung für den Fußball im Libanon?: Seit langem gibt es im Land wirtschaftliche Probleme, die teilweise durch die Spannungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien verursacht werden. "Beide Länder haben hier politischen Einfluss. Und wenn sich ihre Beziehungen verbessern, sollte das der Situation im Libanon und dem libanesischen Fußball helfen", sagt Wael Chehayeb, Mitglied des Exekutivkomitees des libanesischen Fußballverbands, der DW. "Politische Stabilität wirkt sich auf alles aus, auch auf die Wirtschaft. Und viele Probleme des libanesischen Fußballs sind finanzieller Natur. Nur wenige Vereine sind wirtschaftlich stabil."



Auch die iranischen Spieler dürften ein Interesse an einem Engagement in Saudi-Arabien haben. Das Interesse dürfte auf beiden Seiten bestehen. "Aufgrund der wirtschaftlichen Probleme im Iran wäre es für die Spieler toll, Gehälter in Dollar zu erhalten, aber das ist nicht der einzige Grund, der sie zu saudischen Klubs lockt", sagt der iranische Fußball-Experte Behnam Jafarzadeh der DW. "Die enormen Investitionen in den saudischen Fußball haben die Welt aufhorchen lassen. Und mit Spitzenspielern - nicht nur Ronaldo - zusammenspielen zu können, macht es noch attraktiver, dorthin zu wechseln."

Auswirkungen auf die gesamte Region

Ein besseres Verhältnis zwischen dem Iran und Saudi-Arabien könnte auch andernorts zu positiven Veränderungen führen. So befindet sich der Fußball im Libanon in einem noch schlechteren Zustand als der iranische. Seit langem gibt es wirtschaftliche Probleme, die teilweise durch die Spannungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien verursacht werden, den führenden Mächten in der Region, die eine Macht schiitisch, die andere sunnitisch.

"Beide Länder haben hier politischen Einfluss. Und wenn sich ihre Beziehungen verbessern, sollte das der Situation im Libanon und dem libanesischen Fußball helfen", sagt Wael Chehayeb, Mitglied des Exekutivkomitees des libanesischen Fußballverbands, der DW. "Politische Stabilität wirkt sich auf alles aus, auch auf die Wirtschaft. Und viele Probleme des libanesischen Fußballs sind finanzieller Natur. Nur wenige Vereine sind wirtschaftlich stabil."

Besonders schlimm ist die Situation im Jemen. Dort tobt seit 2014 ein verheerender Bürgerkrieg, in dem die vom Iran unterstützen Huthi-Rebellen gegen die sunnitische Regierung kämpfen, die von Saudi-Arabien unterstützt wird. Der jemenitische Fußball ist fast vollständig zum Erliegen gekommen, da die Spieler entweder das Land verlassen oder andere Karrieren eingeschlagen haben und die Stadien für militärische Zwecke genutzt werden.

Eine ruhigere politische Situation im Nahen Osten könnte die FIFA auch davon überzeugen, dem Irak wieder die Austragung von Fußball-Wettbewerben zu gestatten. So könnte sich das Land leichter für große internationale Turniere qualifizieren. Ein iranischer Raketenangriff auf die nordirakische Stadt Erbil im März 2022 hatte dazu geführt, dass die FIFA das erste WM-Qualifikationsturnier seit über 20 Jahren, das in Bagdad ausgetragen werden sollte, nach Saudi-Arabien verlegte.

"Konflikte, die Zerstörung der Infrastruktur und die durch die Instabilität verursachte Unsicherheit haben unweigerlich ihren Tribut im Fußball im gesamten Nahen Osten gefordert", bestätigt auch Simon Chadwick. "Eine friedlichere Situation in der gesamten Region wird es den Ländern hoffentlich ermöglichen, sich auf die Wiederbelebung ihrer heimischen Fußballligen zu konzentrieren. Und auf lange Sicht könnte das dafür sorgen, dass selbst in Ländern wie Libanon, Jemen und Iran der Fußball aufblüht."

John Duerden

© Deutsche Welle 2023

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.