Kein Völkermord im Sudan

Der Völkermord-Vorwurf gegen die Regierung Sudans ist von den Vereinten Nationen nicht bestätigt worden. Sie werfen der sudanesischen Führung aber Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung vor.

Die sudanesische Regierung und von ihr unterstützte Milizen haben nach einem UN-Bericht in der Region Darfur schwerwiegende Verstöße gegen internationales Recht und vermutlich Kriegsverbrechen begangen. Dabei handele es sich zwar allem Anschein nicht um Völkermord, aber um Verbrechen wie Folter, Vergewaltigung, die Tötung von Zivilpersonen und Plünderungen, hieß es in dem am Montag (31.1.2005) in New York veröffentlichten Bericht der Kommission zur Untersuchung der Vorgänge in Darfur.

Die Kommission empfahl dem Weltsicherheitsrat dringend, die Angelegenheit an den Internationalen Strafgerichtshof zu überweisen. Die schweren Verstöße gegen internationales Menschenrecht von allen Seiten dauerten an, hieß es.

Vermutlich Kriegsverbrechen

Die Schlussfolgerung, dass die sudanesische Regierung oder die unter ihrer Kontrolle stehenden Milizen in Darfur keinen Völkermord begangen hätten, dürfe nicht von der Schwere der Verbrechen ablenken, schrieben die Autoren des Berichts. Einige der Übergriffe stellten vermutlich Kriegsverbrechen dar, und wegen des systematischen Vorgehens der Täter handele es sich vermutlich auch um Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Zwar habe die sudanesische Regierung Völkermord nicht zum Ziel ihres Vorgehens gemacht, dennoch seien Elemente von Genozid festzustellen: die Schaffung von Bedingungen, die zum Tod einer Bevölkerungsgruppe führen, und die Tatsache, dass eine geschützte Gruppe ins Visier genommen worden sei.

Die Kommission stellte eine Liste "möglicher Verdächtiger" auf. Unter ihnen sind Regierungsbeamte, Milizionäre, Rebellen und "sogar ausländische Offiziere, die aus eigenen Antrieb handelten". Die Namen wurden an Generalsekretär Kofi Annan weitergeleitet, jedoch nicht veröffentlicht.

Streit mit den USA?

Der Konflikt begann mit dem Aufstand zweier Rebellengruppen gegen die Regierung in Khartum. Der sudanesischen Regierung wird vorgeworfen, im Kampf gegen die Rebellen arabische Reitermilizen zu unterstützen, die mit Mord, Vergewaltigung und Brandstiftung die Zivilbevölkerung terrorisieren.

Eine seit April 2004 ausgerufene Waffenruhe ist gescheitert, die seit Wochen unterbrochenen Friedensgespräche sollen nach jüngsten Angaben noch im Februar wieder aufgenommen werden.

Krankheiten und Hunger sind in Darfur allein seit März 2004 70.000 Menschen zum Opfer gefallen, wie Hilfsorganisationen schätzen. Rund zwei Millionen Menschen sind seit Beginn der Kämpfe vor zwei Jahren geflohen. Die USA haben die Vorgänge in Darfur als Völkermord bezeichnet.

Die Empfehlung der Kommission, die Angelegenheit dem Internationalen Strafgerichtshof zu übertragen, dürfte zu Konflikten innerhalb des Sicherheitsrats führen. Die USA lehnen den Gerichtshof ab und könnten gegen einen solchen Schritt ihr Veto einlegen. Washington setzt sich stattdessen für die Schaffung eines neuen Tribunals in Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union ein. (mas)

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005