Cornelia Claßen, 08. Juni 2009
zu "Integrative Islam-Interpretationen sind alternativlos" von Loay Mudhoon
Zuallererst muss man erkennen können, dass der Auslöser dieser Debatten rund um "unsere Kultur" ein Problem mit der Identität ist. Wie die Kopfuchdebatten ein Ausdruck der "weiblichen Identität in der Krise" waren, so ist heute die Debatte rund um Scharia-Gesetze ein Ausdruck derjenigen Zuwanderer, die ein Problem mit der europäischen Rechtsauffassung haben.
Und natürlich Hand in Hand damit, ist es ein Problem zwischen zwei extrem unterschiedlich aufgebauten Gesellschaftsstrukturen. In einer Demokratie werden die Patriarchen der auf Großfamilien fundierenden Gesellschaftsordnung entmachtet. D. h. ihr "ererbtes Recht", ihre "angestammte Position" ist in einem Rechtsstaat völlig redundant.
Natürlich wehren sich die Patriarchen dagegen, plötzlich nur noch ein Teil eines Rechtsstaatsgefüges zu sein. Was die Scharia angeht, so sind es religiöse Texte. In sämtlichen muslimischen Ländern regeln religiöse Quellen die gesamte Gesellschaft. Nur die Türkei hat die Scharia-Gesetzgebung 1926 abgeschafft. Doch was würde passieren, wenn wir hier sagten, ab morgen ist das Fundament unserer Rechtsprechung die Bibel, bzw. Neues und Altes Testament? Dann hätten wir ab morgen hier eine christliche Scharia-Rechtsprechung, also das Äquivalent zu einer Scharia-Rechtsprechung der Muslime, die auf den religiösen Werken Koran und Hadithe fundiert.
Prost Neujahr! Da könnten unsere Richter ihr Staatsexamen in den Papierkorb werfen!