Anton Grübel und der Schatz der Kalifen
Nur zwölf Seiten müssen die Leser von Peter Strebels Abenteuerroman "Anton Grübel und der Schatz der Kalifen" warten, bis die "fantastischen Abenteuer" beginnen. Vier Jungs, in ihrer Mitte ihr Anführer Anton Maier, der wegen seiner Vorliebe zum Tüfteln den Spitznamen "Grübel" trägt, und die kluge Sarah landen bei einer nächtlichen Klettertour in einem verzweigten Labyrinth unter einer Ritterburg.
Unversehens befinden sie sich auf einer Odyssee durch das Mittelalter, begegnen zwielichtigen Tempelrittern, strengen Kalifen, guten und bösen Zauberwesen, mordlüsternen Piraten und lebendigen Mumien.
Die Orte der Handlung liegen weit verstreut, der Autor führt uns ins Kalifenreich Bagdad, nach Indien und Ägypten, hinab in finstere Kerker und unheimliche Grabkammern. Dennoch hat der zweiteilige Roman eine realistische Rahmenhandlung.
Vor schwierige Rätsel und Prüfungen gestellt
Die Kinder stammen – wie es heute fast selbstverständlich scheint – aus zerrütteten Familien bzw. "Patchwork"-Familien. Nur Sarah ist in geordneten Verhältnissen aufgewachsen. Ihr Geschichtslehrer Gutknecht, genannt Scharte, hat die anfangs eher mäßig begabten Schüler auf einen unter der heimischen Burg vermuteten Schatz aufmerksam gemacht.
Nach ersten Erkundungszügen im "Schattenreich" begegnen Anton und seine Freunde der "Rosenzauberin", die den Abenteurern drei Wünsche gewährt und sie tausend Jahre zurück ins Land der Kalifen schickt. Dort erfahren sie bald, wie gefährlich und anstrengend ihre Schatzsuche ist, sie müssen schwierige Rätsel lösen und harte Prüfungen bestehen.
Was sich anfangs wie ein bewährter, mit "Fantasy"-Elementen angereicherter Abenteuerroman liest, erweist sich beim Weiterlesen als erstaunlich faktenreiches, mit historischem Wissen gespicktes Buch. Dem jungendlichen Leser dürfte es nicht leicht fallen, sich in der ausufernden Handlung und dem schnellen Wechsel der Szenen zu orientieren.
Verstrickt in Intrigen am Hofe des Kalifen
Peter Strebel wollte offenbar nicht nur ein Abenteuerbuch mit orientalischen Zauberern, ägyptischen Totenvögeln und klugen Affen erzählen, sondern auch von der recht blutigen Geschichte Bagdads, Babylons und Altägyptens berichten.
So stürzen die Abenteurer von einer Gefahr in die nächste, werden in politische Machtkämpfe am Kalifenhof verstrickt, werden zu Zeugen von Folter und Mord und müssen schließlich einsehen, dass sie ihre Aufgabe nicht ohne Hilfe der Erwachsenen lösen können. So kehren sie am Ende des ersten Teils unverrichteter Dinge in die Gegenwart zurück.
In den vorderen Seiten des Buches sind die einzelnen Episoden noch schön ineinander verwoben. Der Drache Taramunga, der das Böse verkörpert, ist nur mit dem Schwert der Semiramis zu bezwingen. Das Schwert aber ist versteckt in einem Flammenkreis, in einer Kammer, deren Eingang unter dem Meer liegt.
Die Fahrt zur "Insel jenseits des Windes", auf der die Kinder den Kalifenschatz vermuten, machen sie auf dem Fährschiff des Riesen Mustafa, der wie der Zyklop bei Homer ein einziges Auge auf der Stirn hat. Von Mustafa lernen die Kinder etwas über Navigation mittels des Sternenhimmels, und die lehrreiche Story scheint sich langsam zu entwickeln.
Mythen und Weltwunder im Überfluss
Doch leider gleicht das Buch im zweiten Teil mehr und mehr einem Lexikon der Mythengeschichte und Weltwunder. Der Autor wirbelt Fakten, Mythen und Sagen wild durcheinander. Die Protagonisten können so kaum Kontur gewinnen. Einzig Anton wirkt als mutiger Anführer überzeugend, seine kleine Liebesgeschichte mit Sarah ist zart gezeichnet.
Erzählt ist das Buch in einer leicht verständlichen, schlichten Sprache, der manchmal etwas epische Anstrengung gut getan hätte. Der Erzählrhythmus wirkt stellenweise eintönig, manchmal hastig. Positiv gewendet könnte man sagen: Der Roman bedient sich filmischer Mittel, ist sehr dialogreich und beschränkt sich auf kurze, rasant dargestellte Szenen. Doch deren rascher Wechsel wirkt oft verwirrend und verkürzt.
Trotzdem gibt es einige sehr gelungene Einfälle: Auf ihrer zweiten Reise in die Vergangenheit nimmt Anton seinen Laptop mit. Dadurch kommt im neunten Jahrhundert das Internet zum Einsatz – bewaffnet mit GPS-Navigation und Suchmaschine nähern sich die Abenteurer dem Schatz unter der Pyramide von Gizeh.
Mit Hilfe des Computers lassen sich die letzten Rätsel lösen, bis sie plötzlich vor dem goldenen Grab Alexanders des Großen stehen. Leider ist auch hier der Autor über sein Ziel hinaus geschossen, indem er den Philosophen Aristoteles in die Schatzsuche verwickelt, was allenfalls sehr wissbegierige und geduldige Leseratten interessieren dürfte.
Eine schöne Pointe ist allerdings, dass die fünf Abenteurer sich nach ihrer Rückkehr in der Schule verbessern, ihre Reise hat sich insofern für sie gelohnt. Zum Dank gibt es dafür eine Taschengelderhöhung. Aber einen Kalifenschatz aus Gold und Silber gibt es nicht – eine Enttäuschung, die der Roman mit der Aussage, die Erlebnisse und Geschichten selbst seien der Schatz, nur mäßig mildert.
Volker Kaminski
© Qantara.de 2006
Peter Strebel: "Anton Grübel und der Schatz der Kalifen", Verlag Hans Schiler, 260 Seiten, Abenteuerroman für Leser ab 12 Jahren, 24 Euro
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