Kulturkampf auf der Bühne

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In Großbritannien haben es Muslime zurzeit nicht leicht. Das diesjährige "Edinburgh Fringe Festival" setzt sich mit den verhärteten Fronten zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen auseinander.

Von Igal Avidan

Nach dem Londoner Bombenalarm werden junge Muslime an Flughäfen besonders gründlich durchsucht. Aber wahllose Verhaftungen sind nicht Thema auf dem Theater-Festival in der schottischen Hauptstadt. Weit mehr war den Theatermachern der andauernde Krieg im Irak und das Gefangenenlager in Guantanamo Anlass, das Verhältnis zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen unter die Lupe zu nehmen.

Der irische Standup-Komiker Abie Philbin Bowman bedankte sich zu Beginn seiner Show am Tag des Bombenalarms bei den britischen Sicherheitsbeamten für ihre gute Arbeit. Danach schlüpfte er in die Rolle des beunruhigten US-Beamten, der vor einem gepäcklosen palästinensischen Single namens Jesus steht. Dieser will nach 2000 Jahren sein Comeback ausgerechnet im größten christlichen Land feiern: den USA.

Jesus unter Terrorverdacht

Der Grenzbeamte, welcher Bethlehem für einen Ort in Mexiko hält, konfrontiert den jungen bärtigen Mann mit dem Vorwurf, ein militanter Palästinenser zu sein. Bestimmt versuche er, durch einen Tunnel Waffen nach Gaza zu schmuggeln: "Können Sie dieses Satellitenbild erklären? Hier sieht man Sie deutlich in einer Höhle in Palästina, zu der es keinen offensichtlichen Eingang gibt."

Nachdem Jesus erklärt, er sei auf göttlicher Mission, um für die Menschheit als Märtyrer zu sterben, landet er in Guantanamo.

"Guantanamo ist höchst unchristlich", sagt Darsteller Bowman. "George W. Bush beleidigt viele Christen, indem er, der sich als Christ bezeichnet, ein Folterlager errichtet." Und Jesus erfüllt für den Komiker ziemlich genau alle westlichen Stereotype eines nahöstlichen Terroristen.

Den Krieg gegen den Terror hält Bowman für heuchlerisch, kontraproduktiv und für nicht gewinnbar. Jeder Idiot könne sich in die Luft sprengen und dadurch provozieren.

Der Comedian erzählt vom G8-Gipfel in Edinburgh, wo auch er für eine Entschuldung der armen Länder demonstriert habe. Dann aber haben die Bombenanschläge in der Londoner U-Bahn stattgefunden und kein Medienvertreter habe sich mehr für den Kampf gegen den Hunger interessiert, klagt der Komiker.

Wen soll er boykottieren?

Es ist nicht leicht, ein Muslim zu sein. Es ist aber noch schwieriger, als Muslim auf der Bühne Witze über Islamisten zu erzählen.

Infolge des Karikaturenstreits über den Propheten Mohammed wurde es für Omar Marzouk, dem einzigen muslimischen Komiker in Dänemark, fast unerträglich. Seine ägyptischen Verwandten begannen das Land zu boykottieren.

In seiner Show erzählt Marzouk über seine Zerrissenheit: Er habe eine dänische Freundin, er sei ziemlich integriert in der dänischen Gesellschaft und habe viele westlichen Werte übernommen.

"Es war schwer, in diesem Jahr Däne und Muslim zu sein, weil ich etwas verwirrt war, wen ich boykottieren sollte und was verbrennen", erzählte der Komiker. Weil er in Geldnot war, habe er sich bei einer pakistanischen Gruppe gemeldet, welche Kopfgeld für einen dänischen Karikaturisten anbot.

"Aber die Prämie betrug nur 250 Pfund. Offensichtlich wissen meine pakistanischen Brüder nicht, dass wir in Europa einen Mindestlohn haben."

Seit dem Karikaturenstreit erlebt Marzouk öfters Ablehnung im Publikum. Andererseits kämen immer mehr Muslime zu seinen Shows - sogar verhüllte Frauen, die selbst über sexuelle Witze lachen würden.

Mit seinen ägyptischen Verwandten führt der 33-Jährige heftige Diskussionen. Aber auch er kritisiert US-Präsident Bush: "Bush sagt: 'Sie hassen uns, weil wir die Freiheit lieben'", beklagt Marzouk. "Dabei hassen sie Amerika nicht wegen Striptease-Clubs, sondern wegen des Kriegs in Irak, wegen Palästina und Afghanistan."

Solange die wirklichen Probleme nicht gelöst werden, werde sein Leben als gemäßigter Muslim immer schlimmer, beklagt sich Omar Marzouk.

Nur eine moderne Parabel

Wer in Edinburgh von Kulturkampf und Terror ein wenig Trost suchte, konnte ihn in "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" von Eric-Emmanuel Schmitt finden.

Das Stück in der Regie von Patricia Benecke erzählt von einer Freundschaft in einem Pariser Vorort zwischen dem älteren Muslim Ibrahim und dem jüdischen Teenager Moses. Moses findet in Ibrahim einen Ersatzvater, Ibrahim adoptiert ihn und schenkt ihm den Koran.

Der Kritiker der angesehenen Zeitung "The Scotsman" fand die Inszenierung so warmherzig und weise, dass sie den ganzen Hass im Nahen Osten auflösen könne. Sam Dastour, der Monsieur Ibrahim verkörpert, hält das Stück dagegen zwar für eine sehr entzückende Geschichte, die aber zerfällt, wenn man sie überinterpretiert und darin die Lösung der Probleme zwischen Muslimen und Juden sucht: "Es ist eigentlich eine moderne Parabel."

Igal Avidan

© DEUTSCHE WELLE 2006