Interesse an Dialog und Kooperation mit Pakistan
Was tut Europa, um die Situation in Pakistan in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht zu stabilisieren?
Gunter Mulack: Europa und Deutschland haben ein erhebliches Interesse an Pakistan und an Südasien insgesamt. Allein in Pakistan hat die Europäische Union in den letzten sechs Jahren 25 Millionen Euro in die Gründung von Hilfsprojekten investiert sowie zusätzlich rund 100 Millionen Euro in Projekte zur Erdbebenprävention. Für die nächsten Jahre ist eine beträchtliche Steigerung der Hilfe geplant. Die Europäische Kommission verfügt für die Jahre 2007 bis 2013 über ein Budget von fast 400 Millionen Euro. Etwa zwei Milliarden Euro sollen in dieser Zeit an Pakistan gehen.
Die deutsche Entwicklungshilfe konzentriert sich auf Umweltaspekte und Bildung sowie auf die Stärkung der Frauenrechte. Als Mitgliedsstaat der EU garantiert Deutschland innerhalb des "Allgemeinen Präferenzsystems" (APS) der EU Handelszollvorteile für die Entwicklungshilfe in Ländern wie Pakistan. Der deutsch-pakistanische Handel ist seit dem Jahr 2000 jährlich im Durchschnitt um sechs Prozent gewachsen. Deutschland ist weiterhin sehr interessiert am Ausbau des Handels, der Zusammenarbeit und des Dialogs mit Pakistan.
Welche Initiativen gibt es auf dem Gebiet der kulturellen Zusammenarbeit?
Mulack: Im kulturellen und sozialen Bereich sowie im Bildungssektor werden verschiedene Initiativen verfolgt. Die wichtigste ist vermutlich die Gründung einer "Deutschen Technischen Hochschule" in Lahore. Ich bin zuversichtlich, dass der Betrieb dort 2008 beginnen kann. Bereits jetzt gibt es einen regen wissenschaftlichen Austausch zwischen Pakistan und Deutschland im Rahmen der Partnerschaft der pakistanischen "Higher Education Commission" (HEC) und dem "Deutschen Akademischen Austauschdienst" (DAAD).
Auch andere deutsche Kulturinstitute wie das Goethe-Institut in Karatschi oder das Annemarie-Schimmel-Haus in Lahore arbeiten seit einiger Zeit sehr effektiv. All dies macht deutlich, welch großen Wert Deutschland und seine europäischen Partner auf die Beziehung zu Pakistan legen. Und wir sind fest entschlossen, diese zu festigen und auszuweiten.
Wie bewerten Sie die Arbeit der Heinrich-Böll-Stiftung sowie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die dafür eintreten, dass pakistanische Frauen stärker an der Basis eingebunden und an politischen Entscheidungen beteiligt werden sollen, zumal fast alle pakistanischen Frauen, die eine politische Position auf Bundesebene einnehmen, aus der Oberschicht stammen?
Mulack: Die Heinrich-Böll-Stiftung und die Friedrich-Ebert-Stiftung leisten meiner Meinung nach exzellente Arbeit auf diesem Gebiet. Sie agieren auch an der Basis selbst, stärken Frauen innerhalb ihrer Kommunen und bieten Möglichkeiten für den Ausbau von Netzwerken und politischem Training.
Es stimmt, dass derzeit noch wenige Frauen aus der ländlichen Bevölkerung oder aus der Arbeiterklasse auf Bundesebene politisch agieren. Doch ich glaube, dass dieser Umstand auch für die Männer gilt. Diese Statistiken sollten uns also nicht davon abbringen, in unserer Arbeit für die pakistanischen Frauen fortzufahren.
Bedenkt man, dass mit der Hanns-Seidel-Stiftung und der Friedrich- Naumann-Stiftung zwei weitere deutsche politische Stiftungen sehr erfolgreich in Pakistan tätig sind und dabei mit anderen Schwerpunkten als die bereits erwähnten Stiftungen arbeiten, ist es offensichtlich, dass die Arbeit dieser Stiftungen einen wichtigen Grundpfeiler für unser politisches Engagement in Pakistan bildet.
Wie stehen Sie zum Thema "Unabhängigkeit der Rechtsprechung" in Ländern wie Pakistan?
Mulack: Die Unabhängigkeit der Judikative ist ein unabdingbares Element in einer Demokratie, die die Gewaltenteilung anerkennt. Aus diesem Grund hat die EU auch Mitte März ihre Bedenken klar zum Ausdruck gebracht. Doch die Art und Weise, wie sich Anwälte und Zivilisten hier in jüngster Zeit friedlich für eine unabhängige Judikative ausgesprochen haben, stimmt mich positiv.
Solcherlei Aktivitäten sollten von den deutschen Medien nicht unbeachtet bleiben, um in Deutschland ein positives Bild von Pakistan zu vermitteln und zu zeigen, dass es hier eine lebendige Zivilgesellschaft gibt, die ihre Meinung zu wichtigen politischen Themen laut zum Ausdruck bringt.
Wie beurteilt Deutschland die Arbeit von Präsident Musharraf, seit er 1999 an die Macht gekommen ist?
Mulack: Deutschland bewertet nicht die Arbeit einzelner politischer Führungspersonen.
Haben die deutsch-afghanischen Beziehungen eine negative Auswirkung auf die deutsch-pakistanischen Beziehungen, angesichts der gegenseitigen Vorwürfe hinsichtlich der grenzüberschreitenden Militäreinsätze zwischen Kabul und Islamabad?
Mulack: In keiner Weise. Warum sollte das der Fall sein? Doch wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass diese beiden Länder direkte Nachbarn sind und daher mit dem gleichen Problem, nämlich der illegalen Grenzüberschreitung durch Extremisten zu kämpfen haben. Daher halte ich den Austausch von Anschuldigungen nicht für besonders hilfreich.
Wir alle sind voneinander abhängig, wenn es darum geht, Stabilität und Entwicklung in dieser Region voranzutreiben. Außenminister Steinmeier hat daher seinen afghanischen und pakistanischen Kollegen für ein gemeinsames Treffen mit den G8-Außenministern am 30. Mai nach Potsdam eingeladen, um dort gemeinsam über Strategien zur Stärkung der Zusammenarbeit und des Dialoges der beiden Nachbarländer zu diskutieren – unter Mithilfe der G8. Wir glauben, dass das absolut unabdingbar ist.
Kann der Kaschmir-Konflikt unter Berücksichtigung der bereits bestehenden UN-Resolutionen gelöst werden? Oder glauben Sie, dass die Vereinten Nationen ihre Einflussmöglichkeiten in der Konfliktregion zunehmend verlieren?
Mulack: Eine friedliche Lösung des Kaschmir-Konflikts ist von fundamentaler Bedeutung für die Entwicklungen in der gesamten Region. Die UN-Resolutionen stehen nach wie vor, doch es sind auch wechselseitige Verhandlungen im Gange, ein gemeinsamer Dialog. Wir begrüßen die Bewegung, die seit letztem Sommer in diese Sache gekommen ist. Präsident Musharraf hat hierzu interessante Vorschläge beigesteuert. Wir bestärken beide Seiten, mit dem lösungsorientierten Dialog fortzufahren.
Interview: Atilla Iftikar
Übersetzung aus dem Englischen von Rasha Khayat
© Qantara.de 2007
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