Politische Differenzen zur Sprache bringen
Im Jahr 2002 führte die Bundesregierung das neue Amt des "Beauftragten für den Dialog mit der islamischen Welt". ein. Erster Amtsinhaber wurde Gunter Mulack, von dessen Arbeit man in Deutschland bisher jedoch wenig erfahren hat.
Als er vor drei Jahren sein Amt übernahm, wusste Gunter Mulack genau, worauf er sich einlässt. Denn zu der Zeit hatte der promovierte Jurist und Islamwissenschaftler im Laufe seiner Diplomatenkarriere bereits viele Jahre in der arabischen Welt gelebt:
Als Botschafter und Generalkonsul im Libanon, in Kuwait, in Jordanien, Marokko, Bahrain und in Syrien. Dass seine Aufgabe als Beauftragter für den Dialog mit der islamischen Welt keine einfache würde, wusste er also.
Aber die Bedingungen sind seitdem noch schwieriger geworden: "Ich muss ganz ehrlich sein: der Dialog gestaltet sich angesichts der nicht abreißenden Gewalt, für die ja dann oft der Islam verantwortlich gemacht wird, schwieriger, als es unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war."
Gegenseitiger Vertrauensverlust
Den Grund dafür sieht Mulack in den Entwicklungen nach den Anschlägen: "Damals gab es diese Welle des Mitgefühls für die Opfer, für die Vereinigten Staaten", berichtet Mulack und fügt hinzu:
"Es gab auch eine Welle des Entsetzens in der islamischen Welt, in der arabischen Welt, über diese Taten. Aber in der Folgezeit ist es ja leider zu weiteren Anschlägen gekommen. Es ist zu einer weiteren Eskalation der - auch gegenseitigen - Gewalt gekommen. Und das hat dazu geführt, dass das gegenseitige Vertrauen - und das Vertrauen ist die Basis und Grundlage für jeden Dialog - geschrumpft ist."
Mulack ist Christ und begegnet seinen muslimischen Gesprächspartnern in Glaubensfragen mit großem Feingefühl und Verständnis. Denn er weiß, dass Muslime äußerst allergisch reagieren, wenn er ihre Religion oder Teile davon in Frage stellt. Gleichwohl: Mulack ist niemand, der um den heißen Brei herumredet.
Weder oberlehrerhaft noch indifferent
Zwar müsse man im Dialog mit der islamischen Welt unbedingt vermeiden, "oberlehrerhaft" zu wirken oder gar so, als ob man neokoloniale Ambitionen habe, betont der Diplomat. Trotzdem bringt er auch politische Differenzen zur Sprache:
"Wir müssen auch mit den Regierungen sprechen und ihnen sagen: Eure Zukunft liegt darin, dass Ihr die gesamte Gesellschaft an der künftigen Entwicklung des Landes partizipieren lasst, auch die Frauen und die Jugend. Vor allem, dass die sich auch verantwortlich fühlen für Euren Staat, für Eure Zukunft. Und nicht, dass das so abgetrennt ist!"
Als Beauftragter für den Dialog mit der islamischen Welt zieht Mulack an vielen Strippen: er hat 29 Referenten, die weltweit für ihn tätig sind, arbeitet mit Institutionen wie dem Deutschen Akademischen Austauschdienst oder dem Goethe-Institut zusammen, organisiert und besucht Konferenzen und reist permanent um die Welt.
Selbstkritik als wichtiger Schritt
Dabei ist es ihm wichtig, die zur Verfügung stehenden Mittel von über fünf Millionen Euro nur in Projekte zu stecken, von denen er sich konkrete Auswirkungen verspricht. Dazu gehören Partnerschaften zwischen Universitäten, Jugendaustausch, Tanz-Workshops oder die Internetseite Qantara.de - Dialog mit der islamischen Welt.
Vor allem die jungen Menschen in der islamischen Welt will Mulack erreichen: die Entscheidungsträger oder auch die potentiellen Terroristen von morgen.
Auch gegenseitige Kritik gehört für Mulack zum Dialog mit den Muslimen. Er verlangt von ihnen beispielsweise mehr Selbstkritik und dass sie die Ärmel hochkrempeln, anstatt anderen die Schuld an ihrer Lage zu geben.
Mit solchen Ansichten hält er auch bei prominenten Gesprächspartnern nicht hinterm Berg:
"Wenn ich mit dem Großscheich der Al-Azhar Tantawi spreche, dann ist das ein vernünftiger Mann, ein toleranter Mann, der sagt: ich verurteile diese Ermordungen, die man gesehen hat jetzt im Irak, diese Geiselermordung, das ist völlig gegen den Islam. Dann sag' ich ihm immer: 'Das müssen sie aber auch mal laut und öffentlich sagen!' Ja, das tu ich - aber es kommt dann eben nicht so raus."
Daniela Siebert
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Qantara.de
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