Khorchide muss bleiben
Wie wird man einen unbequemen Theologen los? Man spricht ihm die Qualifikation ab und zieht seinen Glauben in Zweifel. Diese Methode wurde in der Geschichte der Religionen schon öfter erprobt und diesen Weg haben die islamischen Verbände nun in Deutschland gewählt, um einen Querdenker aus dem Weg zu räumen.
Es geht um Mouhanad Khorchide, Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Münster. In einem Gutachten werfen ihm die Islamverbände vor, seine Lehren seien nicht bekenntnisgebunden und fordern seinen Rücktritt. Über einen Beirat sind die Verbände in die Islamische Theologie eingebunden und haben – ähnlich wie die Kirchen – ein Wort mitzureden, wenn es um Inhalte und Lehrpersonal geht.
Kämpf um die Deutungshoheit über den Islam
Im Jahr 2010, als Khorchide in Münster begann, hatten die Verbände noch kein Problem mit ihm. Warum heute? Er hat zwei populärwissenschaftliche Bücher geschrieben, zweifelte seinerseits die theologische Kompetenz der Verbandsfunktionäre an, wurde Liebling der Medien. Die Verbände waren dabei, die Deutungshoheit über den Islam in Deutschland zu verlieren.
Khorchide will den Islam von innen heraus erneuern, Vernunft und Mündigkeit sind ihm dabei wichtig. Muslime müssen seine Thesen nicht teilen. Sie können darüber streiten, in der Sache. Schließlich ist Khorchide nicht der einzige, der in Deutschland an Universitäten islamische Theologie betreibt. Auch in Frankfurt, Osnabrück, Tübingen und Nürnberg gibt es entsprechende Lehrstühle. Zwischen diesen Theologen hätte sich eine fruchtbare Debatte entwickeln können. Kein Glaubenskampf, wie ihn jetzt die Verbände entfacht haben.
Khorchide verbreitet keine Irrlehren
Natürlich muss man bei der Theologenausbildung die Verbände mit ins Boot holen. Nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen. Sie bilden auch das Scharnier in die Praxis: Eine Gemeinde wird keinen Imam einstellen, der komplett an den Vorstellungen der Verbände vorbei ausgebildet wurde. Eltern werden ihre Kinder nicht in einen Religionsunterricht schicken, von dem sie glauben, die Lehrer seien studierte Ketzer. Aber das ist Khorchide nicht; er verbreitet in Münster keine Irrlehren.
Er ist weit von seinem Vorgänger Kalisch entfernt. Der hatte, kaum zum Professor ernannt, Zweifel an der Existenz des Propheten Muhammad geäußert. Die Verbände forderten seinen Rücktritt. Damals mit Recht und mit Erfolg: Kalisch hatte den Rahmen des für gläubige Muslime Erträglichen verlassen. Khorchide tut das nicht. Zwingen sie ihn zum Rücktritt, werden sie der gerade entstehenden Islamischen Theologie in Deutschland irreparablen Schaden zufügen.
Arnfrid Schenk
© Die Zeit 2013
Redaktion: Loay Mudhoon/Qantara.de