Fouad Allam: Der Islam in einer globalen Welt

Allam untersucht den islamischen Fundamentalismus und seine Lebensbedingungen in seinem jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Kontext. Dabei kommt er zu überraschenden Einsichten.

Von Christoph Fleischmann

Irgendwie bleibt er verdächtig der Islam; denn die El Kaida-Terroristen töten doch im Namen der Religion. Und selbst wenn man den Beteuerungen von Muslimen in aller Welt glaubt, dass Attentate nichts mit Religionsausübung zu tun haben, so bleibt der Verdacht: der Islam sei eben auf einer Entwicklungsstufe unter unserer westlichen Kultur; er müsse mindestens die Aufklärung des Westens nachholen, dann würde er vielleicht zivil werden.

Gegen solche Verdächtigungen hat der in Algerien geborene und in Italien lehrende Soziologe Fouad Allam einen Essay geschrieben: der Islam in einer globalen Welt.

Der fundamentalistische Islam ist keine antithetische Reaktion auf die westlich dominierte Globalisierung, sondern ein Produkt derselben und eine Antwort darauf. Nicht Dschihad gegen McWorld, sondern: Dschihad als geschickte Anpassung des Islam an die Globalisierung. So könnte man das Ergebnis von Fouad Allams neuem Buch überspitzt formulieren.

Im Fokus: muslimische Migranten

Dabei hat Allam besonders die muslimischen Migranten in Europa im Blick. Sie seien oftmals ihren nationalen und kulturellen Wurzeln entfremdet und zugleich in den europäischen Gesellschaften nicht gleichwertig integriert. Kennzeichen des fundamentalistischen Islam sei es nun, dass der Einfluss der jeweiligen Kultur auf den Islam ignoriert werde. Die Islamisten sehen im Islam ein immer und überall gleich gültiges Lehr- und Rechtssystem.

Dieser ahistorische und gewissermaßen "kulturlose“ Islam biete sich hervorragend als neue Identität für die in Europa lebenden, entwurzelten Muslime an und verbindet sie untereinander, egal woher sie kommen. Zugleich nimmt diese Interpretation des Islam die Ausgrenzungserfahrungen der Muslime in Europa auf, da antiwestliche Ressentiments zu den Grundbausteinen des islamischen Fundamentalismus gehören.

Fouad Allam erschließt für seine europäischen Leser zeitgenössische islamische Denker, für die der Westen eine Krankheit des Islam ist. Interessant dabei ist: Viele dieser muslimischen Intellektuellen haben ihre Thesen im Kontakt mit westlichen Philosophien entwickelt - sei es dass sie sich in der anti-modernen Haltung eines Heidegger wieder fanden oder von Marx ideologische Hilfe gegen die westlichen Imperialisten in Anspruch nahmen.

Den Westen haben sie als arrogante Herrscher erlebt, die ihnen eine gleichwertige Position verweigerten. So gesehen hat der Westen die Natter des islamischen Fundamentalismus an seinem kolonialen Busen genährt.

Integration als Terrorprävention

Aber Allam bedient nicht das antiwestliche Ressentiment der Islamisten. Trotz der von ihm beschriebenen Dynamik, kommt für ihn das Licht aus dem Westen; bzw. der moslemischen Diaspora. In den säkularen Staaten Europas werde die Privatisierung des Islam zunehmen.

Denn in Europa hat der Islam keine unmittelbare juristisch-politische Gestaltungskraft, er ist keine öffentliche Zivilreligion wie noch in vielen muslimischen Ländern. Damit sind Muslime in Europa gezwungen, ihren Glauben in individuellen Ausdrucksformen zu leben.

Die Integration und Förderung der Muslime, die den Islam als private Religion leben, ist dann wohl die beste Terrorprävention. Sonst werden die europäischen Muslime ihre Identität im fundamentalistischen Islam suchen. Allams Buch hebt sich wohltuend ab von den vielen Veröffentlichungen mehr oder weniger ausgewiesener "Islamkenner“; er argumentiert unaufgeregt und sachlich, manchmal etwas zu akademisch im Stil. Aber wer etwas Mühe nicht scheut, kann bei Allam viel lernen.

Christoph Fleischmann

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