Tauziehen um Indonesiens Präsidentschaft
Indonesien hat die zweite Etappe im Superwahljahr 2004 erfolgreich bewältigt. Nach den Parlamentswahlen stimmten die Wähler jetzt zum ersten Mal direkt über den künftigen Präsidenten ab. Doch wirklich eindeutig scheint keiner das Rennen zu machen. Von Sybille Golte
Wer belegt bei den Präsidentschaftswahlen in Indonesien die ersten beiden Plätze? Das war die wichtigste Entscheidung der Wahl vom letzten Montag. Denn kaum jemand erwartete, dass bereits im ersten Wahlgang einer der Kandidaten die absolute Mehrheit erreichen würde.
Auch der haushoch gehandelte Favorit, General Susilo Bambang Yudhoyono, verfehlte diese Mehrheits-Hürde. Er wird sich aller Voraussicht nach zusammen mit der derzeitigen Präsidentin Megawati Anfang September einer Stichwahl stellen müssen, auch wenn er einen deutlichen Vorsprung von über dreißig Prozent für sich verbuchen konnte.
Was macht General Yudhoyono so attraktiv für die Wähler? Sechs Jahre nachdem Indonesien die Suharto Diktatur abgeschüttelt und beherzt den Weg in Richtung Demokratie eingeschlagen hat, scheint es auf den ersten Blick paradox, einem ranghohen Militär, der bereits zu Suharto-Zeiten eine Rolle gespielt hat, das Vertrauen zu schenken.
Der Taktiker
Doch die letzten sechs Jahre sind an Yudhoyono nicht spurlos vorbeigegangen. Er hat deutlich die Zeichen der neuen Zeit erkannt und sich geschmeidig darauf eingestellt. Als Sicherheitsminister im Kabinett Megawati hat er sich als Vertreter eines gemäßigten Kurses profiliert und taktisch geschickt vor den Parlamentswahlen sein Amt niedergelegt, um sich seiner Chefin als Konkurrent vor die Nase zu setzen.
Die ungelösten Probleme ihrer Amtszeit, die allgegenwärtige Korruption und die Armut der Massen belasten ihr Image - General Yudhoyono bleibt davon unberührt.
So richten sich viele Hoffnungen nach mehr Wohlstand und Gerechtigkeit, nach Recht und Ordnung in einer Gesellschaft in der die tief greifenden Strukturen noch unter dem Erbe von dreißig Jahren Militärdiktatur leiden, auf einen Mann scheinbar ohne Vergangenheit. Ein Mann mit vielen Talenten, zu denen Eloquenz, Wendigkeit und Charisma gehören.
Megawatis Versäumnisse
Mit ähnlich hohen Erwartungen ging auch Präsidentin Megawati an den Start, umjubelt und getragen von den verarmten Massen, die von ihr den Beginn einer neuen Zeit erwarteten. Mit Recht, denn in den letzten sechs Jahren hat sich Indonesien seinen Platz in den Demokratien der Welt erobert.
Es ist ein Land geworden, in dem freie Wahlen selbstverständlich und friedlich verlaufen, als hätte es seit Jahrzehnten nichts anderes gegeben. Genutzt hat das Megawati allerdings wenig. Im Strudel der Asienkrise hat sie es nicht geschafft, die Armut der Massen zu bekämpfen.
Der bleierne Druck des Militärs ist gewichen, an seine Stelle ist Verunsicherung getreten und die regionalen Konflikte in den Außenprovinzen bleiben. Ohne Korruption läuft auch heute nichts in Verwaltung und Justiz.
Ob Yudhoyono es besser gemacht hätte oder besser machen wird? Das lässt sich kaum sagen, und so profitiert er vom Faktor Hoffnung, der in der jungen Demokratie noch eine ausschlaggebende Rolle spielt.
Der Populist
Auf dem dritten Platz dieses Wahlgangs steht General Wiranto - politischer Ziehsohn des Exdikators Suharto. Ein Militär, dem man Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit Osttimors nachsagt. Und der es trotz populistischer Auftritte und - wie man munkelt - großzügiger Geschenke nicht geschafft hat, die Anhänger seiner Partei, der Golkar, komplett für sich zu mobilisieren.
Alles läuft also auf eine Stichwahl zwischen General Yudhoyono und Präsidentin Megawati hinaus. Viel wird vor den Kulissen davon abhängen, ob sie es schafft, ihren Amtsbonus und ihre Bekanntheit besser zu nutzen als bisher. Hinter dem Vorhang stehen in den nächsten zwei Monaten spannende Verhandlungen an unter dem Motto, "wer unterstützt wen und was bekommt er dafür?"
Islamisten auf verlorenem Posten
Ein letztes Wort zu den islamischen Parteien: Indonesien hat als bevölkerungsreichstes islamisches Land der Welt gezeigt, dass auch die tief greifenden Probleme eines Entwicklungslandes nicht automatisch zum Erstarken des politischen Islam führen.
Die Kandidaten der islamischen Parteien konnten nicht an Boden gewinnen. Wieder einmal haben die gar nicht Demokratie erfahrenen Wähler eine demokratische Reife bewiesen, die für viele Länder vorbildlich sein kann.
Sybille Golte
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004