Der Verrat

Nahostexperte Michael Lüders hat einen Politthriller geschrieben, der in der Grenzregion zwischen Pakistan und Afghanistan spielt.

Von Ulrich Noller

​​Der Krieg im Irak, der Angriff auf Afghanistan, Bombenanschläge, Entführungen, Festnahmen... - man registriert die aktuellen Einschläge der weltpolitischen Lage; richtig verstehen und einordnen lassen sie sich noch nicht.

Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, und in den Medien konkurrieren die Wahrheiten, die letztlich meist doch nur schwarzweiß malen, um die Gunst der Interessenten.

Einer der Diskursteilnehmer, Michael Lüders, bekannt aus Funk und Fernsehen und der Zeit, hat sich indessen aufgemacht, seine eigene Wahrheit kundzutun, und er nutzt dabei auf höchst originelle Weise - ausgerechnet das Genre des Spannungsromans.

Abenteuerliche Geschichte

Ralf Horenburg, Anfang 40, eine verkrachte Existenz, arbeitet auf Honorarbasis für das Auswärtige Amt als Islambeobachter. Eines schönen Tages bekommt er den Auftrag, in Peshawar/Pakistan einen deutschen Geschäftsmann zu finden, der ebenfalls für die Bundesregierung arbeitete und dabei mit 80 Millionen Dollar abhanden kam.

Horenburg ahnt, dass an dem Auftrag etwas faul ist, lässt sich aber wider besseres Wissen auf die Sache ein - und landet bald im toten Winkel: Er wird in der Wildnis ausgesetzt, überlebt in einem Dorf knapp ein amerikanisches Bombardement, wird in eine afghanische Terroristenhöhle verfrachtet - und sieht sein Konterfrei schließlich bei CNN, als das eines weltweit gesuchten Al-Kaida-Unterstützers. Und das, so viel sei verraten, ist im Grunde erst der Anfang einer abenteuerlichen Geschichte.

Die Menschen hinter den Opferzahlen

Dass der Nahost- und Islamexperte Michael Lüders seine Erkenntnisse und Beobachtungen in einem Spannungs-, ja Abenteuerroman aufbereitet, ist ein echter Überraschungscoup: Die Geschichte ist so gewitzt angelegt, dass die aus den Al-Kaida-Taliban-Debatten bekannten Grenzen zwischen Gut und Böse, Schwarz und Weiß schnell aufbrechen bzw. ad absurdum geführt werden - und dahinter die sichtbar werden, um die es in den Debatten eigentlichen gehen sollte, die tatsächlich aber selten eine konkrete Rolle spielen: Die Menschen, die hinter den Opferzahlen stehen und die zwischen den politischen Konfliktlinien zerrieben werden.

Ein Ansinnen, das man nicht hoch genug loben kann - aber Michael Lüders kann noch mehr, denn “Der Verrat” ist nicht nur gut gedacht, sondern auch noch gut gemacht: Ein schneller, schlauer Politthriller der Extraklasse; ein Abenteuerroman auf der Höhe der Zeit. Bleibt nur zu hoffen, dass der Autor nicht demnächst von den Guten oder den Bösen verhaftet, verschleppt oder anderweitig vereinnahmt wird.

Ulrich Noller

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2005

​​Michael Lüders
Der Verrat
Arche, 2005
ISBN 3-7160-2339-6
19.00 EUR
Arche Verlag, Zürich

Qantara.de
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Arche Verlag, Zürich