Gegen den Generalverdacht
Die muslimischen Gemeinden in Deutschland spüren einen Generalverdacht und den Rechtfertigungsdruck, erklären zu müssen, dass selbstverständlich nicht alle Muslime Terroristen sind. Auf der anderen Seite erwartet die Politik derartige Erklärungen. Von Bernd Gräßler
Der Appell von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ist deutlich: Die Muslime in Deutschland sollten lauter sagen, dass sie den Terror ablehnen. Andernfalls riskierten sie ihre gesellschaftliche Ausgrenzung.
Aiman Mayzek, Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, hält die Aufforderung jedoch für unnötig, hätten die Muslime doch nach den Anschlägen in Madrid und London bereits deutlich gemacht, dass es Verbrechen und Terror im Namen des Islam nicht gebe. "Es gibt nur Verbrechen im Namen des Verbrechens", sagt Mazyek.
Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Berlin, meint, auch Muslime müssten nicht bei jeder Gelegenheit erklären, dass sie Terror ablehnten, das sei doch selbstverständlich. Von Deutschen verlange man so etwas ja auch nicht.
Fremde Migranten
In Berlin-Neukölln, wo die größte libanesische Gemeinde Deutschlands ansässig ist, sind sich Deutsche und Migranten größtenteils fremd geblieben. Migranten, so erläutert Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, würden zu einem großen Teil ein Leben hinter den Wohnungstüren führen:
"Und was sich dort abspielt, welche Diskussionen in den Teehäusern, in den Wasserpfeifengaststätten oder freitags beim Gebet in den Hinterhofmoscheen stattfinden, das bleibt der Mehrheitsgesellschaft verborgen."
Auf etwa 2000 bis 3000 beziffern deutsche Innenpolitiker die Zahl gewaltbereiter Islamisten in Deutschland. Doch diese verschwindende Minderheit - angesichts der 3,3 Millionen Muslime in Deutschland - droht, das Klima zu vergiften.
Aiman Mayzek vom Zentralrat der Muslime vermisst Signale aus der Gesellschaft, die sagen: "Muslime, ihr seid Teil dieser Gesellschaft, wir stemmen das gemeinsam."
Im September will sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit Vertretern der Muslime in Deutschland treffen. Er wolle dazu beitragen, dass die Muslime erkennen, dass der Islam als ein Teil Deutschlands, ein Teil Europas akzeptiert wird.
Jede Organisation sei eingeladen, bekräftigt Schäuble, wenn sie anerkenne, dass in Deutschland nur das Grundgesetz, nicht die Scharia Leitbild staatlicher Ordnung sein kann.
Es soll um das Verhältnis von Muslimen und Staat in Deutschland gehen und auch um den Islamunterricht. Die Muslime allerdings befürchten, dass auf dem Treffen hauptsächlich über Sicherheitsfragen gesprochen wird.
Bernd Gräßler
© DEUTSCHE WELLE 2006
Qantara.de
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Um als Organisationsform handlungsfähiger und akzeptabler für den deutschen Staat und die Gesellschaft zu werden, bedarf es einer strukturellen Neuorientierung muslimischer Organisationen, argumentiert Aiman A. Mazyek, Chefredakteur des Webportals islam.de und ehemaliger Pressesprecher des Zentralrats der Muslime in Deutschland.