Gefangenenaustausch ändert nichts an der Gewalt
Der von den internationalen Medien mit Spannung erwartete Gefangenenaustausch zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz auf einem Flughafen nahe der westdeutschen Stadt Köln ist geglückt. Deutschland hat sich damit erfolgreich als Vermittler in humanitären Angelegenheiten betätigt. Dennoch besteht weiterhin kaum Hoffnung auf eine grundsätzliche Wende zum Positiven im Nahost-Konflikt. Peter Philipp kommentiert.
Der Geheimdienst-Koordinator im Amt des deutschen Bundeskanzlers, Ernst Uhrlau, kann zufrieden sein: Nach einem misslungenen Anlauf im vergangenen November ist der von ihm in dreijähriger Kleinarbeit vorbereitete Gefangenenaustausch zwischen Israel und der libanesischen "Hisbollah" geglückt. Ein ungleicher Austausch: Drei tote und ein lebender Israeli gegen 434 arabische und einen deutschen Gefangenen, der sich der Hisbollah angeschlossen hatte.
Ein Austausch auch, der sicher nicht das Ende der Gewalt in der Region einläutet - der neue Anschlag von Jerusalem hat dies mehr als verdeutlicht -, aber doch ein Schritt in die richtige Richtung: Solange beide Seiten Gefangene festhalten - und einige davon auf beiden Seiten auch eindeutig als Geiseln -, solange wird es nicht einmal einen Ansatz zur Entspannung geben können.
Der Austausch auf dem Köln-Bonner Flughafen und die Freilassungen von Palästinensern in Israel sind allerdings kaum mehr als kleine humanitäre Gesten in einer sonst kaum humanitär orientierten Gegend. Eine breitere Wirkung auf die festgefahrenen Friedensbemühungen wird die Aktion kaum haben.
Eine Erkenntnis, der man sich in Deutschland in diesen Stunden besonders bewusst sein dürfte. So erfolgreich nämlich auch die deutsche Hilfe und Vermittlung gewesen sein mag: Sie ist nicht Auftakt zu einem größeren politischen Engagement Berlins in der Region. Schon gar nicht als Vermittler einer denkbaren Friedensregelung.
Die Rolle Deutschlands dürfte sich auch weiterhin auf Hilfsdienste beschränken. Deutschland unterhält gute Beziehungen zu allen Seiten des nahöstlichen Konflikts - und das ihm entgegengebrachte Vertrauen erleichtert Berlin die Vermittlung in solchen Fällen. Zu den guten Beziehungen zählen auch die Beziehungen Berlins zu Teheran - Uhrlau hat den Iran während seiner Vermittlungsmission offenbar wiederholt besucht - und damit wird ein weit größerer Bogen geschlagen als allein die direkte Vermittlung zwischen Hisbollah und Israel.
Trotz der tiefen Feindschaft zwischen Israel und der Islamischen Republik sind beide doch auch interessiert, dass über Mittelsleute wenigstens ein minimaler Kontakt besteht: Der Iran sucht Aufschluss über den Verbleib einiger seiner Diplomaten im Libanon, und Israel will Gewissheit über das Schicksal von vier weiteren Vermissten haben.
Diese zweite Phase des Austauschs soll bis April abgeschlossen werden und sie soll weiteren in Israel Inhaftierten die Freiheit bringen. Vielleicht bringt sie den Hauptakteuren im Nahen Osten ja auch die Erkenntnis, dass sie ihre eigentlichen Ziele - was immer diese sein sollten - auf dem bisherigen Wege nicht erreichen werden.
Die bisherige Erfahrung spricht freilich dagegen und vieles spricht dafür, dass der Kreislauf der Gewalt ungebrochen fortgesetzt wird. Selbst wenn kein direkter Zusammenhang bestehen mag: Zwischen dem Eintreffen der Flugzeuge aus Beirut und Tel-Aviv in Köln-Bonn und dem Anschlag von Jerusalem lagen gerade eben 45 Minuten. Vernunft und Wahnsinn liegen weiterhin zu eng beieinander in Nahost.
Peter Philipp
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004