Opposition außen vor
Turkmenistan wählt am kommenden Sonntag einen neuen Präsidenten. Zwar haben die Menschen erstmals die Gelegenheit, zwischen mehreren Kandidaten auszuwählen. Doch der Sieger steht eigentlich schon jetzt fest – der alte, neue Präsident Gurbanguly Berdymuchammedow. Gesine Dornblüth informiert.
Die Chancen, dass nach dem Tod des früheren Staatsführer Saparmurad Nijasow die Demokratie in Turkmenistan Einzug hält, sind denkbar gering.
Im vergangenen Dezember war der schillernde turkmenische Staatsführer Saparmurad Nijasow, der sich auch "Turkmenbaschi", "Führer aller Turkmenen", nannte, unerwartet gestorben. Er hatte die zentralasiatische Republik, die über ziemlich große Erdgasreserven verfügt, über 15 Jahre lang diktatorisch regiert.
Die Ohnmacht der Opposition
Berdymuchammedow ist ein langjähriger Vertrauter Nijasows. Der 49-Jährige hatte bereits angekündigt, dessen Kurs weiterzuführen. Berdymuchammedow nimmt schon jetzt das Amt des Präsidenten übergangsweise wahr. Bei den Wahlen ist die Opposition chancenlos: Ihre Kandidaten sind nicht zugelassen. Die meisten Oppositionellen befinden sich ohnehin seit Jahren im Exil.
Der Oppositionspolitiker Nurmuchammed Hanamow war unter dem Diktator Nijasow Minister für Wirtschaftsplanung und später Botschafter in Israel und in der Türkei. 2002 floh er aus Turkmenistan nach Österreich. Von dort aus führt er die oppositionelle "Republikanische Partei Turkmenistans" - und beobachtet das politische Geschehen in seiner Heimat aus der Ferne.
Vor zwei Jahren verlor er seine zwei Söhne bei einem offenbar vom Geheimdienst inszenierten Autounfall in Moskau. Hanamow spricht von einer Junta, die derzeit die Macht in Turkmenistan in den Händen halte.
Politische Seilschaften des Redschepow-Clans
"Interimspräsident Gurbanguly Berdymuchammedow ist der aussichtsreichste Kandidat für die Wahl", berichtet Hanamow. Er ist aber nur die sichtbare Spitze. Hinter ihm steht der Chef der Präsidentengarde, Akmurat Redschepow, der mehr als Chef der Präsidentengarde fungiert. Redschepow wurde noch von Nijasow eingesetzt, um alle Schaltstellen der Macht zu kontrollieren: Das Verteidigungs-, das Sicherheits- und das Innenministerium unterstehen ihm.
Nach Informationen von Hanamow sitzen dort überall Redschepows Leute, die heute jede freie Meinungsäußerung verhindern. "Wer freie Wahlen fordert, den verfolgen sie und stecken ihn ins Gefängnis", so Hanamow.
Und Redschepows Leute räumen diejenigen aus dem Weg, die dem Regime in die Quere kommen, wie zum Beispiel kürzlich den Parlamentspräsidenten. Laut Verfassung hätte dieser nach Nijasows Tod übergangsweise die Staatsführung übernehmen müssen. Er wurde jedoch unter mysteriösen Umständen verhaftet.
Der an seiner Stelle inthronisierte Vizepremier Berdymuchammedow hat unterdessen einerseits angekündigt, den Kurs Nijasows fortzuführen, andererseits hat er aber einige Reformen versprochen. Bisher ist Turkmenistan nahezu komplett isoliert.
Grundbedürfnisse der Bevölkerung ignoriert
Berdymuchammedow will nun Studenten im Ausland studieren lassen und einen freien Internetzugang im Land erlauben. Doch das seien nichts als schöne Worte, warnt etwa der Exilpolitiker Chudaiberdy Orazow. Er lebt seit einigen Jahren in Schweden.
"Die Politik Nijasows setzt sich fort: Es wird viel geredet, aber nichts getan", so Orazow. "Turkmenistan befindet sich in einer katastrophalen Lage. Die Führung müsste sich überlegen, wie sie Krankheiten bekämpft, anstatt sie totzuschweigen. Oder wie sie den Hunger im Land und die Umweltkatastrophen in einigen Regionen stoppt."
Stattdessen redeten sie mit ihren Programmen an den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei, erklärt Orazow. Orazow leitet von Schweden aus die oppositionelle Exilorganisation "Watan" (Heimat). Von den Exilanten wurde er zum Oppositionskandidaten für die Präsidentenwahl am 11. Februar nominiert.
Orazow wurde allerdings von der zentralen Wahlkommission nicht zugelassen, denn in Turkmenistan dürfen nur Personen kandidieren, die die letzten 15 Jahre im Land gelebt haben. Orazow will deshalb den Kopf nicht in den Sand stecken. Er hofft auf die Unterstützung der westlichen Regierungen und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Harter Kurs gegen Turkmenistan unerlässlich
"Wenn die internationale Gemeinschaft hart gegenüber Turkmenistan auftritt und ganz klar fordert, dass Turkmenistan einen demokratischen Weg einschlagen muss, dann müssen die jetzigen Machthaber das akzeptieren und freie Wahlen zulassen", so Orazow.
Bisher aber hält sich das Ausland mit der Kritik an der turkmenischen Führung zurück – übrigens auch die Bundesregierung, die für die Zeit ihrer EU-Ratspräsidentschaft eine Zentralasien-Strategie angekündigt hat. Den Exilanten Hanamow von der "Republikanischen Partei" wundert das.
"Obwohl die EU und auch Deutschland als derzeitiger Ratsvorsitzender sehr viel Macht haben, sehen wir leider keine aktiven Reaktionen", so Hanamow. "Es wird nur beobachtet und abgewartet, was passiert. Aber das ist falsch. Denn von selbst wird sich da gar nichts tun. Wenn die Wahlen so verlaufen, wie sich das jetzige Regime das vorstellt, dann wird es später nur noch schwerer, einen Wandel herbeizuführen."
Die Gefahr des radikalen Islam
Und noch eine Gefahr wachse, warnt Hanamow: Die des islamischen Fundamentalismus. Turkmenistan grenzt an Iran und Afghanistan. Schon jetzt gäbe es im Land Zellen religiöser Fundamentalisten.
"Anfangs waren diese Zellen nur in zwei Regionen an der Grenze zu Usbekistan; jetzt sind sie schon bis in die Nähe der Hauptstadt Aschchabad vorgerückt", berichtet Hanamow. "Einige Leute finden deren Regime besser als das von Nijasow. Dazu kommt ein gewaltiges Heer von Arbeitslosen."
Nach Schätzungen internationaler Organisationen gibt es bereits mehr als 60 Prozent Arbeitslose. Diese Leute fühlen sich von den gewaltigen finanziellen Mitteln der arabischen Extremisten angezogen, mehr noch als von deren religiöser Propaganda. Sie geraten in finanzielle Abhängigkeiten von religiösen Einrichtungen. Wenn das Regime seinen politischen Kurs so weiterführt, dann wird sich der islamistische Extremismus immer weiter ausweiten.
Für die Exilpolitiker steht deshalb fest: Die internationale Gemeinschaft sollte entschiedener gegenüber der turkmenischen Führung auftreten.
Gesine Dornblüth
© DEUTSCHE WELLE 2007
Qantara.de
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