Humor siegt immer
"Ich heiße Shazia Mirza.
Das steht wenigstens in meinem Pilotenschein"
Sie stammen aus einer religiösen islamischen Familie. Welche Schwierigkeiten hatten Sie zu Beginn Ihrer Karriere zu bewältigen?
Shazia Mirza: Meine Eltern wussten zuerst nichts davon, dass ich Stand-up Comedy mache. Zwei Jahre lang sagte ich ihnen kein Wort darüber, weil meine Mutter und mein Vater äußerst religiös sind. Es wäre daher
absolut unakzeptabel gewesen, das zu machen, wozu ich mich entschieden habe. Außerdem wäre das in den Augen unserer Gemeinde verpönt gewesen. Meine Eltern hätten das bestimmt zu vermeiden versucht.
Ich sah dagegen nichts Schlimmes daran. Aber ich war mir bewusst, dass die Leute in unserer Gemeinde einer Frau so etwas nie zutrauen würden. Sie denken, dass eine Frau nur dazu da ist, verheiratet zu werden, Kinder zu zeugen und einen schlichten Job zu haben. Und auf keinen Fall darf eine muslimische Frau auf den Brettern stehen in einem Club, wo Alkohol getrunken wird und Männer sie begaffen können, geschweige denn, dass die Frau sie mit ihren Witzen zum Lachen bringt.
Wie ist es Ihnen dann gelungen, Ihre Eltern zu überzeugen?
Mirza: Ich habe ihnen einfach nichts erzählt. Ich habe an der Universität studiert, meinen Abschluss in Biochemie gemacht und bin Lehrerin geworden. Meine Eltern dachten die ganze Zeit, dass ich unterrichte. In Wirklichkeit aber gab ich die Schule sehr schnell auf. Und jedes Mal, wenn ich sagte, ich gehe in die Bibliothek, ging ich in den Club und hatte meinen Auftritt. Mit dem Erfolg habe ich zunächst überhaupt nicht gerechnet. Ich habe mir immer Sorgen gemacht, dass man mich nicht verstehen oder nicht lustig finden würde. Aber ich hatte Erfolg, und eines Tages wurde meine Show im Fernsehen übertragen. Da musste ich es einfach meinen Eltern sagen. Dennoch missbilligen sie meine Arbeit immer noch und verstehen meine Witze kaum.
Wo schöpfen Sie Ideen für Ihre Witze?
Mirza: Was ich erzähle, ist alles wahr. Alles, wovon ich spreche, ist mir entweder persönlich passiert, oder ich kenne es aus meiner Umgebung. Es handelt sich dabei um mein Leben als Kind und wie es nun mal ist, Ich zu sein, um meine Reise nach Mekka, um meine Mutter, die mich schon immer zu verkuppeln versucht hat, um meine englischen Freunde, die viel Alkohol trinken, und ich gar keinen. Es ist alles nur mein Leben. Ich erzähle auch über die Sachen, die nicht viel mit Islam zu tun haben. Ich bin mal Lehrerin gewesen, also erzähle ich davon.
Aber Sie sprechen auch sehr heikle politische Aspekte an, wie z.B. die Taliban, islamische Traditionen, Selbstmordattentäter. Wie kommen Sie damit zurecht?
Mirza: Ich denke nicht, dass meine Witze politisch sind. Ich kann es aber nachvollziehen, wenn es einem so vorkommen mag. Man hat mir oft genug nahe zu legen versucht, ich soll weder Krieg noch Fußball erwähnen. Also tat ich mein Bestes, um sie nicht direkt zu erwähnen. Aber wie könnte man sie übersehen?
Sie sprechen über den Islam mit Nicht-Muslimen. Fällt es Ihnen schwer? Versuchen Sie damit zwischen zwei unterschiedlichen Religionen und Kulturen Brücken zu schlagen? Spricht da etwa die Lehrerin in Ihnen?
Mirza: Mein Ziel ist, lustig zu sein. Wenn man nicht lustig ist, dann unterhält man die Leute nicht, und sie wollen dich nicht hören. Keiner hört Tony Blair zu, weil er die ganze Zeit so ernsthaft daherkommt. Ich dagegen kann dieselben politischen Fragen lustig erklären, und man wird mir zuhören. Es war für mich eine große Herausforderung, nach Deutschland zu kommen. Es herrscht bei uns die Meinung, dass die Deutschen keinen Sinn für Humor haben, dass Deutschland nicht dermaßen, wie England, multikulturell geprägt ist, dass sie wenig vom Islam wissen. Und manche können nicht einmal Englisch. Und ich wollte über mein Leben als Muslimin erzählen. Katastrophe. Aber es sind so viele Menschen zu meiner Show gekommen, manche sogar mit Dolmetschern. Sie wollten hören, was ich zu sagen habe. Es war mir, als bräche die Mauer zwischen dem, was man weiß, und dem, was man nicht weiß über den Islam. Ob sie mich verstanden haben oder auch nicht, ich hatte trotzdem das Gefühl, es hat den Menschen gefallen. Es war Klasse.Wie reagieren Muslime auf Ihre Witze? Während Ihres Auftritts in Dänemark haben Sie Drohungen von Islamisten bekommen. Wird Ihr Beruf nicht langsam gefährlich?
Mirza: Ich stelle für niemanden eine Gefahr dar. Ich trage keine Waffen. Ich stehe auf der Bühne und erzähle Witze. Aber ich verletze diese Menschen trotzdem. Die meisten islamischen Gruppen empört nicht das, was ich sage, sondern dass es eine Frau ist, die es sagt. Und für sie ist eine Frau in Machtposition unvorstellbar. Man hat mir in Dänemark gedroht, aber die Dänen fanden die Show sehr gut, auch die Belgier und die Holländer und, anscheinend, auch die Deutschen. Der Humor siegt am Ende immer.
Meinen Sie, Sie könnten ein Vorbild für muslimische Frauen sein, jemand, der sie nach vorne bringen kann?
Mirza: Anfangs fiel es mir sehr schwer, die Stand-up Comedy zu machen, weil ich meinen Eltern keine muslimische Frau nennen konnte, die es so weit geschafft hätte. Es gibt einfach keine muslimischen Frauen in diesem Geschäft. Auch nicht in anderen. Aber jetzt bin ich hier, und es kann wohl sein, dass ich die eine oder andere muslimische Frau von ihrem Joch befreit habe. Sie werden vielleicht denken: wenn die Stand-up machen kann, kann ich mich auch um einen Job bewerben und das tun, worauf ich Lust habe. Es ist ja ganz einfach. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass es in der Zukunft mehr Frauen wie mich geben wird. Es werden nicht viele die Stand-up Comedy machen, aber sie werden endlich ihren Träumen nachgehen können. Ich habe muslimische Frauen bei meinen Shows gesehen, und sie haben auch gelacht.
Haben Sie viel dazulernen müssen, bevor Sie auf die Bühne gingen?
Mirza: Ich musste auf jeden Fall viel schreiben. Es kann sehr lange dauern, bis man etwas richtig Lustiges geschrieben hat. Ich schreibe etwas, dann überarbeite ich das. Dann versuche ich das vorzutragen und manchmal funktioniert es einfach nicht. Dann muss ich das wieder überarbeiten. Manchmal muss man den Text vier bis fünf Mal vortragen, um festzustellen, ob der Witz richtig sitzt. Manchmal will ich ein sehr ernsthaftes Thema anschneiden und muss mir lange überlegen, wie ich es lustig auf den Punkt bringen kann. Aber wie auch immer, abends müssen die Leute darüber lachen. Ich kann alles sagen, was ich will, aber wenn sie nicht lachen, dann hat es einfach keinen Sinn, auf der Bühne zu stehen.
Meinen Sie, Sie sind bereits zu einer Säule der britischen Comedy-Szene geworden, oder sind Sie da immer noch eine Exotin, die nicht ganz akzeptiert wird?
Mirza: Die britische Comedy-Szene war schon immer von weißen Männern dominiert. Es gibt recht wenige Frauen, die Stand-up machen. Die Kerle machen sich über ihre Freundinnen, Sex, Alkohol und Drogen lustig. Und wenn man zehn solcher Auftritte gesehen hat, sie können auch lustig sein, hat man das Gefühl, es ist immer das gleiche Lied. Als ich auf die Bühne kam, gab es für die Menschen auf einmal etwas ganz anderes zu hören. Zuerst waren sie zu verunsichert, um zu lachen. Sie wussten nicht, ob und wie es in Ordnung ist, auf die Witze einer muslimischen Frau zu reagieren. Aber anstatt sie dieser Überlegung zu überlassen, habe ich einfach gesagt: jetzt könnt ihr lachen. Diese Mauer versuche ich zu stürzen.
Sie haben viel erreicht. Wie werden Sie mit Ihrer Berühmtheit fertig?
Mirza: Diese Frage konnte ich nie verstehen. Ich denke nicht, dass ich berühmt bin. Ich habe noch nicht einmal angefangen, meine Witze auszupacken. Es gibt noch so viele Sachen, die ich gerne machen will. Ich will eine Sitcom drehen; ich will richtige Filme machen. Das ist erst der Anfang.
Sie haben eine eigene TV-Show. Worum geht´s da?
Mirza: Die Show zeigt Ausschnitte aus meinen Auftritten. Sie heißt "Zehn Sachen, die Sie immer vom Islam wissen wollten, aber sich nie getraut haben zu fragen". Wir beantworten diese zehn Fragen auf lustige Art und Weise. Es ist also informativ und unterhaltsam.
Was fehlt Ihnen am meisten in Ihrem Leben?
Mirza: Mich hat schon immer interessiert, was für ein Gefühl das ist, Alkohol zu trinken und Schweinefleisch zu essen. Aber darauf kann ich leicht verzichten. Was mir wirklich fehlt, ist etwas Privatsphäre. Wenn ich in England morgens aufwache und nach draußen gehe, um z.B. Briefmarken zu kaufen, dann werde ich von Dutzenden von Menschen angehalten, egal, wie ich mich verkleide oder wie schlecht ich am frühen Morgen aussehe. Es ist die Ironie des Schicksals. Ich trete auf der Bühne auf und will im Rampenlicht von möglichst vielen Menschen gesehen werden und sie zum Lachen bringen; auf der anderen Seite aber will ich möglichst unbehelligt bleiben. Das ist die Schattenseite meines Berufes.
Was ist Ihr größter Traum?
Mirza: Ich möchte einen Film mit George Clooney in Hollywood drehen.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg. Vielen Dank für das Interview.
Interview: Sergej Migitz für Qantara.de
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