Ein Osmane ohne Reich
Man trifft nicht täglich einen Angehörigen der königlichen Familie. Und noch seltener einen Prinzen, der frei von der Leber über seine eher liederlichen Lebensepisoden spricht. Aber genau das erlebt man bei einer Begegnung mit Naz Osmanoglu – Königlicher Prinz des Osmanischen Reichs und aufstrebender britischer Kabarettist.
Wie man es von einem Prinzen erwartet, macht Osmanoglu mächtig Eindruck. Dies allerdings durch seine Performance auf der Bühne und dort vor allem durch eine Komik, wie sie nur der britische Humor hergibt.
Jede Faser der Königlichen Hoheit Prinz Nazim Ziyaeddin Nazim Osmanoglu – so sein voller Name – wirkt auf den unvoreingenommenen Beobachter typisch britisch. Das ist kein Wunder, denn der Königliche Prinz war niemals in der Türkei, dem Land seiner Vorfahren. "Wegen der Familiengeschichte", wie er selbst sagt. Er spricht noch nicht einmal Türkisch. Aufgewachsen ist er in Dubai und später in England. Dort besuchte er ab dem zarten Alter von elf Jahren ein Internat.
"Ich schäme mich ein bisschen dafür, dass ich kein Türkisch spreche. Doch ich bin eben nicht als Türke aufgewachsen. Eigentlich ist das schade, da mein Dad sehr stolz auf seine Familie ist. Ebenso wie er stolz darauf ist, Türke zu sein. Das Türkische empfinde ich auf andere Weise. Ich fühle es durch meinen Dad", gesteht Osmanoglu.
Vieles, was Naz Osmanoglu auf und abseits der Bühne sagt, handelt von seinem Vater. Er erzählt ausführlich Anekdoten über das Familienoberhaupt, der als Fünfter in der Thronfolge der Osmanen (deren Sultanat 1922 abgeschafft wurde) stets die schwere Last der gesamten Familiengeschichte auf seinen Schultern zu tragen schien.
Gemischte Gefühle
„Angesichts unserer Familiengeschichte leidet mein Vater immer noch unter einem tiefen Verlustgefühl. Er ist gekränkt und verärgert. Er war ein Prinz. Was ich eigentlich niemals war. Dennoch trage ich es irgendwie in mir. Hin und wieder kommt diese Seite in mir hoch oder ich denke zumindest an unsere großartige Geschichte und daran, dass ich Teil davon bin. Doch es fühlt sich eher an wie ein Traum", so Naz Osmanoglu.
Naz Osmanoglu steht in der Thronfolge an Rang 17, was vergleichsweise gar nicht so weit entfernt ist: Wäre Prinzessin Margaret, Countess of Snowdon und Schwester von Königin Elisabeth, noch am Leben, stände sie in der britischen Thronfolge an der gleichen Stelle. Diese Parallele ist selbst für Osmanoglu völlig neu. Über seine Fantasien hinaus weist wenig in seinem Alltag auf seinen prominenten Hintergrund hin.
"Ich wuchs nie mit den Hürden eines solchen Lebens auf und wusste auch nicht, was das bedeuten konnte. Ich fühlte mich nie um etwas betrogen – ganz im Unterschied zu meinem Vater und erst recht zu meinem Großvater. Sie hatten eine Heimat und wurden während der Revolution daraus vertrieben. Bis 1984 war uns die Rückkehr in die Türkei verboten. Kurz nach Aufhebung der Verbannung im Jahr 1985 wurde ich geboren."
Seine Beziehung zur Türkei – dem Land, das seine Vorfahren herausgeworfen hat – ist, gelinde gesagt, gespannt. Einerseits musste seine Familie ins Exil gehen, wovon heute noch Generationen seiner Verwandten betroffen sind. Andererseits begrüßt er die jüngste Rückbesinnung der Türkei auf ihre osmanische Vergangenheit.
"Die aktuelle türkische Regierung unterstützt meine Familie, wofür ich dankbar bin. Man möchte, dass die königliche Familie in der Türkei präsent ist, zumal sich jüngere Türken für ihre osmanische Geschichte interessieren. Andererseits gibt es in der Türkei derzeit jede Menge Ärger. Die Türken sind davon viel mehr betroffen, als ich es bin", sagt Osmanoglu und verweist auf die schlechte Presse, die die Türkei in jüngster Zeit hat.
"Aus westlicher Perspektive, insbesondere in den Medien, werden vor allem die Konflikte im Land thematisiert. Das gefällt mir nicht. Ich habe zu diesem Thema zwar keine allzu politische Meinung, aber ich glaube, dass wir in einer schwierigen Zeit leben. Was in der Türkei geschieht, ist schon schlimm genug. Man muss das nicht ständig auswalzen. Ich möchte mir selbst ein Bild von der Türkei machen: Wenn alles gut geht, werde ich Ende des Jahres dorthin fahren und in Istanbul auftreten. Für mich ist das eine große Sache", erläutert Osmanoglu.
Bekenntnisse eines Prinzen
Seine Anmerkungen zur politischen Landschaft der Türkei fallen unerwartet diplomatisch aus, wenn man bedenkt, dass sein Humor auf der Bühne alles andere als subtil ist. In seinem neuesten Programm „Exposure“ widmet sich Osmanoglu seinen persönlichen Erfahrungen des letzten Jahres, als er nach der Trennung von seiner Freundin regelrecht "versumpft" ist.
"Ich habe andere Menschen vor den Kopf gestoßen und bin permanent auf die Rolle gegangen. Dabei habe ich mir und anderen ständig etwas vorgemacht. Dann habe ich einen Schlussstrich gezogen. Ich wollte zurück in die Wirklichkeit. Auch auf der Bühne. Alles in meiner Show ist also tatsächlich wahr. Vom Fleischsaft, der aus Burgern tropft und den ich aus der Schachtel sauge, bis zu den Dates mit der verheirateten Frau, die mir immer so schöne Jacketts mitbrachte, ist alles wahr", verrät Osmanoglu.
Ob er seine anzüglichen Witze beim bevorstehenden Auftritt in der eher konservativen türkischen Kulturlandschaft zünden kann, wird man sehen. Denn Osmanoglu geht während seiner Comedy Show gerne ins Detail: von grenzwertigen sexuellen Darstellungen bis hin zu den Stolperfallen im Leben eines Singles.
"Als ich mich versehentlich auf einer Sexparty mit Schwulen wiederfand, hatte ich einen echten Tiefpunkt erreicht. Ich erinnere mich, dass ich dort auf der Toilette war und wegen der Trennung von meiner Freundin ziemlich down war. Ich dachte: Auf dieser Party hat jeder mit jedem Sex. Nur ich nicht. Niemand hier ist so allein wie ich."
Neben einer Bestandsaufnahme seines eigenen Lebens motiviert es ihn, andere Menschen zum Lachen zu bringen:
"Als ich älter wurde, merkte ich, dass die Leute manchmal lachten, wenn ich etwas sagte. Manchmal aber auch nicht. Mir gefiel es besser, wenn sie lachten. Das versuchte ich immer wieder. Und so kam ich zur Comedy."
Sertan Sanderson
© Qantara.de 2016
Übersetzt aus dem Englischen von Peter Lammers