Mubarak, der Unbesiegbare?

Die Wahlergebnisse bestätigten, was die meisten bereits erwartet hatten: Hosni Mubarak hat die Präsidentschaftswahl mit überwältigender Mehrheit für sich entschieden. Eine Analyse von Veit Medick

Die Wahlergebnisse bestätigten, was die meisten bereits erwartet hatten: Hosni Mubarak hat die Präsidentschaftswahl mit überwältigender Mehrheit für sich entschieden. Mit knapp 90 Prozent lag er rund 80 Punkte vor seinem prominentesten Herausforderer Ayman Nur. Eine Analyse von Veit Medick

Unterstützer Hosni Mubaraks; Foto: AP
Mubaraks Unterstützung schwindet: mehr als drei Viertel der Ägypter gingen nicht zur Wahl

​​Mit der Bekanntgabe der offiziellen Zahlen begann umgehend ein Streit über die Deutungshoheit: Während sich die Regierungspartei und der Präsident nun endlich demokratisch legitimiert sehen, greift die Opposition die Wahlergebnisse geschlossen an und erwägt, das Ergebnis anzufechten. Auslöser für die teilweise heftigen Attacken waren besonders Berichte unabhängiger Wahlbeobachter, die in den letzten Tagen immer wieder erhebliche Unregelmäßigkeiten am Wahltag moniert hatten.

Hauptkritikpunkt dabei war, dass viele Ägypter ihre Namen nicht in den Wählerlisten finden konnten und somit vom Wählen abgehalten wurden. Doch auch Stimmenkauf und tatsächliche Urnenmanipulation waren am Wahltag beobachtet worden. Laut Hafez Abu Saada, Generalsekretär der Ägyptischen Menschenrechtsorganisation EOHR, könnten bis zu 15 Prozent der Stimmen manipuliert worden sein.

Proteste in Kairo

Herausforderer Ayman Nur erklärte der Nachrichtenagentur AP: "Dies ist eine Farce. Ich werde dagegen vorgehen, um unsere Rechte zurück zu bekommen." Gemeinsam mit der Protestbewegung "Kifaya" und der marxistischen Partei "Tagammu" zogen er und Anhänger seiner Partei "Al-Ghad" am Samstag aus Protest gegen die Wiederwahl Mubaraks durch die Innenstadt Kairos.

Ihre Kritik richtete sich dabei nicht nur gegen Unregelmäßigkeiten und Manipulationen am Wahlergebnis selber. Auch die geringe Wahlbeteiligung wurde zum Anlass genommen, dem amtierenden Präsidenten die Legitimation abzusprechen: "Mubarak regiert Ägypten mit der Zustimmung von 19 Prozent der Wählerschaft!" hieß es auf einem der vielen Plakate. Zwar lag nach offiziellen Angaben die Wahlbeteiligung bei 23 Prozent, doch Wahlbeobachter halten diese Zahl für unwahrscheinlich.

Vertreter der Richtervereinigung, die den Urnengang überwachte, sagten am Wahltag, dass ihrer Einschätzung nach nur in den ländlichen Gebieten eine Wahlbeteiligung von mehr als 20 Prozent erreicht wurde, während in der Hauptstadt nur etwa 3 bis 5 Prozent ihre Stimme abgaben. Auch bei dem letzten Präsidentschaftsreferendum hatte die Richtervereinigung Zahlen in dieser Größenordnung veröffentlicht.

Mubarak bedankt sich

Trotz aller Kritik dankte Hosni Mubarak am Sonntag der ägyptischen Bevölkerung für die breite Zustimmung und kündigte an, den demokratischen Reformkurs in seiner fünften Amtszeit fortzusetzen: "Mit aller Bestimmtheit und Beharrlichkeit werde ich daran arbeiten, eine moderne Gesellschaft der freien Bürger in einem demokratischen Land zu schaffen."

Doch die Tatsache, dass mehr als drei Viertel der Ägypter der Wahl fern geblieben sind, macht deutlich, dass bislang nur wenige an die Ehrlichkeit von Mubaraks Reformwillen glauben wollen. Zu tief sitzen die schlechten Erfahrungen der letzten Referenden und zu tief hat sich die daraus resultierende politische Abstinenz in die Gemüter der Ägypter eingegraben.

Die geringe Wahlbeteiligung zeigt allerdings auch, dass schlechte Wirtschaftsbedingungen und hohe Arbeitslosigkeit bislang ein Entstehen einer starken Mittelklasse verhindert haben, die als Förderer und Träger von demokratischen Tendenzen fungieren könnte.

Bedeutung der kommenden Parlamentswahl

Hinsichtlich der nun folgenden politischen Entwicklung kommt bereits der Parlamentswahl im November erhebliche Bedeutung zu. Anders, als bei der Präsidentschaftswahl dürfen dabei auch parteilose Kandidaten und die Muslimbruderschaft auf Stimmenfang gehen.

Eine Stärkung der Opposition und ein Aufbrechen der Monopolstellung der Regierungspartei im Parlament würden zweifelsohne den Druck auf Mubarak erhöhen, seine Versprechen einzulösen und damit den beschrittenen Pfad der Re-Politisierung der ägyptischen Bevölkerung fortzuführen.

Doch wird nicht nur der Ausgang der Wahl selbst von Interesse sein. Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen der Wahl würde der Regierung gleichzeitig eine abermalige Chance bieten, zu zeigen, dass ihr propagierter Reformwille nicht nur von kurzer Dauer ist.

Nur eine wirklich freie Wahl wird die Menschen dazu ermuntern können, wieder aktiv am politischen Entscheidungsprozess teilzunehmen – und dabei wird die Erlaubnis, internationale Wahlbeobachter ins Land zu lassen sowie unabhängigen Beobachtern aus dem Inland uneingeschränkten Zutritt zu den Wahllokalen zu bieten, entscheidend sein.

Notwendigkeit weiterer politischer Reformen

Die öffentliche Kritik am Wahlergebnis sowie die Demonstration unterschiedlicher Gruppierungen am Samstag sind zwar durchaus Ausdruck der Veränderung der politischen Stimmung im Land. Die Entscheidung Mubaraks, erstmals mehrere Kandidaten zuzulassen, und die daraus resultierende Möglichkeit, den Menschen politische Alternativen anzubieten, hatten daran erheblichen Anteil.

Dennoch bleibt abzuwarten, ob Mubarak es schaffen wird, auch seine zentralen Wahlversprechen, wie etwa die Aufhebung der noch immer herrschenden Notstandsgesetzte sowie die Verminderung von Restriktionen bei Parteibildungen, einzulösen. Nur derartige Maßnahmen werden ermöglichen können, dass die ägyptische Bevölkerung die positiven Signale dieses Wahlkampfs mitnimmt und künftig in eine aktivere politische Beteiligung ummünzt.

Veit Medick

© Qantara.de 2005

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